Meinung

Kommentar zum VfB-Aufstieg: Der starke Endspurt darf nicht über die zähe Saison hinwegtäuschen

Fußball 2. Bundesliga VfB Stuttgart vs. SV Darmstadt 98
VfB-Vorstandsboss Thomas Hitzlsperger. © Pressefoto Baumann

Zwischen Himmel und Hölle liegen für VfB-Fans manchmal nur 14 Tage. Nach der Derby-Niederlage beim Karlsruher SC schien der direkte Aufstieg in weite Ferne gerückt. Doch nach dem starken Endspurt mit klaren Siegen gegen Sandhausen (5:1) und Nürnberg (6:0) dürfen die Stuttgarter am Ende doch noch jubeln. Daran konnte auch die 1:3-Pleite am letzten Spieltag gegen den SV Darmstadt nichts mehr ändern. Schwabens Fußballstolz spielt wieder dort, wo er nach dem eigenen Selbstverständnis hingehört. Glückwunsch! Doch bei all der berechtigten Freude darf nicht vergessen werden, wie beschwerlich, nervenaufreibend und unbeständig der Weg zurück ins Fußball-Oberhaus war.

Eine emotionale Achterbahnfahrt durch die 2. Liga

Die Saison glich einer emotionalen Achterbahnfahrt. Fast schon traditionell musste nach einer Depression im Winter der erst im Sommer verpflichtete Chefcoach Tim Walter seinen Stuhl räumen. Eine Saison ohne Trainerentlassung? Nicht mit dem VfB! Schon das Projekt mit dem berühmt berüchtigten „Walter-Ball“ war riskant, die Entscheidung, den im Profigeschäft noch weitgehend unbekannten Pellegrino Matarazzo als Nachfolger zu installieren, war es ebenfalls. Und auch Matarazzo musste mit seinem Team ein tiefes Tal durchschreiten. Nach dem Corona-Restart ging beim VfB kaum noch etwas zusammen. In dieser kritischen Phase hielt die sportliche Führung aber zusammen, stärkte dem jungen Trainer demonstrativ den Rücken und nahm die wankelmütige Truppe in die Pflicht. Mit Erfolg.

Nach dem Derby-Debakel rasierte Matarazzo die halbe Mannschaft und vollzog einen Systemwechsel. Weg von einem stabilen 4-3-3 hin zu einem offensiven 3-5-2. Dieser Mut zum Risiko wurde belohnt. In einem heiklen Moment, vielleicht dem schwierigsten seiner noch jungen Trainerkarriere, vertraute der studierte Mathematiker aus New Jersey auf sein Bauchgefühl und seinen Instinkt. Zur richtigen Zeit standen so die richtigen Spieler auf dem Platz. Das Ruder wurde gerade noch herumgerissen, der sportliche und finanzielle Super-GAU abgewendet.

Wie der HSV den direkten Aufstieg des VfB ermöglicht hat

Doch in der abschließenden Saisonanalyse dürfen sich die Verantwortlichen keinen Illusionen hingeben. Die Leistungsexplosion zum Abschluss der Runde darf nicht über den zähen Saisonverlauf hinwegtäuschen, die in Stuttgart immer wieder gerne gespielte Platte mit dem Titel "Die Erwartungshaltung war zu hoch" kein Alibi für die oftmals erschreckend schwachen Auftritten sein.

Zu oft offenbarte das Team technische und taktische Mängel. Zu oft versagte das Kollektiv, das in vielen Partien offensichtlich keines war. All diese Schwächen kulminierten im 1:2 beim Karlsruher SC am 31. Spieltag. Die Stimmung war im Keller, der direkte Aufstieg schien verspielt. „Wir haben uns auf dem Weg irgendwo kurz vor oder kurz nach der Corona-Pause verloren. Aber uns offensichtlich auch wieder gefunden, auch unsere Stärken und den Glauben, dass wir es können“, sagte Matarazzo nach dem Sieg in Nürnberg. Maßgeblich zum Aufstieg des VfB beigetragen hat allerdings auch der Hamburger SV, der in den Spielen nach dem Corona-Restart unglaubliche vier Mal (!) in der Nachspielzeit noch Punkte herschenkte - und so die direkten Rückkehr des VfB in die 1. Liga überhaupt erst ermöglicht hat.

Das Recht, in der deutschen Eliteklasse zu spielen, haben sich die Schwaben erarbeitet. Die Qualität und Reife, um in der Bundesliga zu bestehen, müssen die Stuttgarter aber erst noch entwickeln. Das Fundament ist da, die Arbeit wartet. Sven Mislintat, übernehmen Sie!