Fellbach

Gegen häusliche Gewalt: Hilfenetz Fellbach unterstützt Opfer seit 20 Jahren

Fellbacher Hilfenetz
Annelise Roth ist Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Fellbach. © Gabriel Habermann

„Du kannst nichts, du bist nichts wert“: Das sind Sätze, die Opfer von häuslicher Gewalt oftmals zu hören bekommen. Der Angriff auf verbaler Ebene, sagt Annelise Roth, sei ebenso schwerwiegend wie Schläge, Schubsen oder andere Formen von Gewalt.

Über die Jahre hat die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Fellbach viele Einzelschicksale kennengelernt. Im Rahmen des Fellbacher Hilfenetzes, welches 2003 gegründet wurde, hilft sie Frauen in Not, „einen Platz im Frauenhaus oder in einem Hotel zu finden“. Heute ist sie für die Koordination des Netzwerkes zuständig und weiß, dass nach wie vor ein großer Bedarf an Hilfsangeboten besteht. „Für die Opfer“, sagt sie, „aber auch für Täterinnen und Täter.“ Durchschnittlich müsse es erst sieben Vorfälle von häuslicher Gewalt geben, bis sich die Opfer Hilfe suchen, sagt die Gleichstellungsbeauftragte.

Das Fellbacher Hilfenetz besteht aber nicht nur aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Fellbach. Wer alles im Hilfenetz mitwirkt und wem geholfen wird, soll auch Thema eines Infoabends sein. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums will das Fellbacher Hilfenetz über die Arbeit informieren. Dargestellt wird das Ganze in einem Theaterstück.

Bei häuslicher Gewalt in der Familie wird gleich das Jugendamt informiert

Teil des Netzwerkes sind nämlich noch Beratungsstellen, Polizeibehörde, Ordnungsamt und eine Rechtsanwältin. Die Zusammenarbeit sieht beispielsweise so aus, dass, wenn häusliche Gewalt in einer Familie mit Kindern stattfindet, sofort das Jugendamt informiert wird. Das Netzwerk strebe eine „Wegweiserberatung“ an: Hand in Hand arbeiten die einzelnen Akteure zusammen, vermitteln Plätze und Anlaufstellen.

Über die Zeit ist das Hilfenetz von einer Anlaufstelle zu einer proaktiven Beratung übergegangen. „Wir gehen offensiv auf Betroffene zu und machen ihnen ein Gesprächsangebot“, sagt Annelise Roth. Damit die Kräfte gebündelt eingesetzt werden können, trifft sich das Fellbacher Hilfenetz mehrmals im Jahr.

An einem Runden Tisch werden dann Erlebnisse ausgetauscht und Anregungen gemacht, wie die gemeinsame Zusammenarbeit für die Betroffenen noch besser funktionieren kann. Die Opferberatung des Kreisdiakonieverbands Rems-Murr zählt durchschnittlich um die 50 Fälle im Jahr, jedoch insgesamt 159 Beratungen in Form von Telefonaten, Video-Calls und Treffen.

„Die Zahlen sind in den vergangenen Jahren stetig angestiegen,“, sagt Sozialpädagogin Sonja Lupfer-Rieg vom Kreisdiakonieverband. Im Jahr 2020 waren die Fallzahlen niedriger, dafür die Beratungskontakte intensiver. Dies sei vor allem der Corona-Pandemie geschuldet: „Das hängt vermutlich an der Unübersichtlichkeit der Perspektive“, sagt sie. Außerdem sei eine dauerhafte Beratung in Präsenz nicht möglich gewesen.

2022 zählt das Frauenhaus des Deutschen Roten Kreuzes 60 Personen im Haus 

Die Zusammenarbeit mit den Akteuren des Fellbacher Hilfenetzes laufe gut. „Hilfreich wäre natürlich, dass bezahlter Wohnraum und Frauenhausplätze unkomplizierter zur Verfügung stünden“, sagt sie. Zum einen sei die dortige Verweildauer aufgrund des Wohnungsmarktes viel zu lange, zum anderen sei keine Regelfinanzierung gegeben. Im Jahr 2022 zählte das Frauenhaus des Deutschen Roten Kreuzes 60 Personen im Haus und 16 Personen im Notzimmer. Dabei handelte es sich um Frauen – mit und ohne Kinder – unterschiedlicher Nationalitäten und Altersspannen.

2022 wurden 23 Männer zum Thema häusliche Gewalt beraten

Frauen sind häufiger von häuslicher Gewalt betroffen, sagt Annelise Roth. Sie seien zum einen wegen Kindern, aber auch wegen finanzieller Gründe vom Partner abhängig. Gewalt gebe es aber nicht nur zwischen Ehepaaren, sondern auch innerhalb von Familien. Doch nicht immer sind Frauen betroffen: Im Jahr 2022 wurden 23 Männer zum Thema häusliche Gewalt beraten. Der Diplompädagoge Ulrich Preuß von Pro Familia in Waiblingen schätzt, dass etwa nur 20 Prozent der realen Fälle bei ihm auf dem Tisch landen. „Das hat unterschiedliche Gründe, von Scham, Ängsten bis hin zu Unwissen oder auch Scheu, sich jemandem anzuvertrauen“, sagt er.

Auch bei den männlichen Betroffenen sei die Zahl gestiegen – wenn auch nicht im großen Umfang. Vielmehr würden die Fälle komplexer werden, beispielsweise durch psychische Erkrankungen. Grundsätzlich bewertet der Pädagoge die Arbeit des Fellbacher Hilfenetzes als positiv. „Datenschutz steht manchmal der zeitnahen praktischen Kontaktaufnahme im Weg, ist aber ungemein wichtig.“

Das Netzwerk will nicht nur im akuten Fall tätig werden, sondern im Vorfeld über alle Formen der Gewalt aufklären. Seit 2013 gibt es dafür die Fachstelle Gewaltprävention. Zukünftig wolle man mehr präventive Arbeit leisten, so Annelise Roth, beispielsweise an Schulen oder mittels Selbstverteidigungstrainings.

„Du kannst nichts, du bist nichts wert“: Das sind Sätze, die Opfer von häuslicher Gewalt oftmals zu hören bekommen. Der Angriff auf verbaler Ebene, sagt Annelise Roth, sei ebenso schwerwiegend wie Schläge, Schubsen oder andere Formen von Gewalt.

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Über die Jahre hat die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Fellbach viele Einzelschicksale kennengelernt. Im Rahmen des Fellbacher Hilfenetzes, welches 2003 gegründet wurde, hilft sie Frauen in Not, „einen Platz im Frauenhaus oder

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