Mit dem Motorrad zum Raumschiffstart
Leutenbach-Nellmersbach. Mit seinem Motorrad ist er auf Straßen gefahren, die hier nicht einmal den Status Feldweg erhalten würden. Und er war beim Raketenstart auf dem größten Weltraumbahnhof dabei – vier Monate lang ist der 37-jährige Andreas Beutelspacher mit seinem Motorrad durch Zentralasien gereist. Seit kurzem ist er zurück – erfüllt von vielen Erinnerungen und Begegnungen.
Erst ein leises Rauschen in der Ferne kombiniert mit einem scheinbar kleinen Leuchten am Boden, dann wird mit jeder Sekunde das Rauschen lauter, um nicht zu sagen ohrenbetäubend laut, und das kleine Leuchten wird zu einer riesigen grellgelben Leuchtwolke – das Spektakel um den Start der Trägerrakete mit dem bemannten Raumschiff Sojus MS-05 zur internationalen Raumstation war ein Ereignis auf der Motorradreise von Andreas Beutelspacher, das er so schnell nicht vergessen wird. Seine Augen beginnen zu leuchten, wenn er von dem Moment im Juli auf dem Kosmodrom in Baikonur in Kasachstan berichtet. „Irgendwann sieht man nur noch einen hellen Lichtstrahl – nicht mehr“, sagt er. Dann ist auch schon alles vorbei. Es folgen Applaus und Jubelrufe der Zuschauer.
Weltall beschäftigte ihn schon immer
Eigentlich hatte Andreas Beutelspacher gar nicht vorgehabt, auf seiner Motorradreise durch Zentralasien einen Abstecher auf den weltgrößten Weltraumbahnhof in Kasachstan zu machen (die Stadt Baikonur wird seit 1994 von Russland gepachtet und steht deshalb unter russischer Verwaltung). Doch als im Mai bekannt wurde, dass die russische Weltraumbehörde Roskosmos den Start verschieben muss und dieser in das Zeitfenster des Nellmersbacher fällt, passte er Reiseroute und Zeitplan an. Das Weltall beschäftige ihn schon immer, so Beutelspacher. „Man kann Hoffnungen und Träume hineinfokussieren“, meint er. Als einer von 400 Leuten hat er das Spektakel verfolgt. Eine ganze Reihe an Sicherheitschecks musste er über sich ergehen lassen.
Nach Unfall Führerschein weg
Nicht lange vor dem Start noch in Tadschikistan in der Stadt Duschanbe musste sich Andreas Beutelspacher Gedanken darüber machen, ob er die Reise abbricht. Er hatte einen Unfall. Für einen kurzen Augenblick nur war er abgelenkt. Zu spät realisierte er, dass vor ihm ein Auto stand. Er konnte seine Maschine noch auf 30 Stundenkilometer abbremsen. „Zum Glück bin ich nicht ausgewichen“, sagt er. Denn Autofahrer sind mit 70 an ihm vorbeigefahren. Drei Stunden hatte es gebraucht, bis die Polizei den Unfall aufgenommen hatte. Sie zog den Führerschein ein. „Zum Glück“, sagt er heute, „ist das in der Großstadt passiert.“ Über die Deutsche Botschaft gelangte er an einen Dolmetscher. Am Motorrad war der Frontrahmen verbogen und das Licht beschädigt. Eine Woche klapperte er sämtliche Möglichkeiten ab. Eine Reparatur gelang ihm schließlich mit Hilfe eines Motorrad-Clubs. „Ich dachte, ich muss die Reise abbrechen“, sagt er, „ich dachte, die Maschine ist so stark beschädigt, dass ich nicht weiterfahren kann.“ Er war mental an einem Tiefpunkt angekommen.
Nach dem Unfall ändert Andreas Beutelspacher die Route
Doch der Raketenstart trieb ihn weiter an. Zwischen Duschanbe (Tadschikistan) und Osch (Kirgisistan) veränderte er seine Route. Anstatt durchs Hochgebirge zu fahren, wählte er eine schnellere Route. In Kirgisistan musste er auf einige Ziele verzichten. Viel gesehen hat er dennoch auf seiner Reise, und über 3300 Meter hohe Pässe ist er mit seinem Motorrad dennoch gefahren. Kasachstan hat er als ein großes und weites Land empfunden. Manchmal sei er einfach zehn Kilometer lang an Weizenfeldern vorbeigefahren. Generell in Städten habe er tolle Märkte gesehen. Manche erschienen ihm europäischer, als er angenommen hatte. Vier Visa hat er vor der Reise beantragen müssen. Obwohl er alle Papiere hatte, musste er oft zwei Stunden an der Grenze einrechnen – bei der Ein- wie auch bei der Ausreise. Manchmal musste er Schmiergeld abdrücken. In Turkmenistan hat er zufällig den Abend mit einem Zöllner in einer Kneipe verbracht. Prompt ist er ihm am nächsten Tag an der Grenze begegnet. Eine Begegnung, die sich ausgezahlt hat, der Zöllner hat ihn einfach durchgewunken.
Viele Begegnungen bleiben in Erinnerung
Viele andere Begegnungen sind dem 37-Jährigen ebenso in Erinnerung geblieben, beispielsweise als er in Usbekistan Benzin brauchte, was er nur auf dem Schwarzmarkt erhielt, weil dort die meisten Autos mit Erdgas betankt werden. Andere Begegnungen haben ihn berührt, als ihm eine große Wasserflasche in die Hand gedrückt wurde, bevor er durch die Wüste fuhr. In Moskau traf er einen Motorradfreund, den er zuvor nur übers Internet kannte.
Viele Erinnerungen
Vier Monate lang war Andreas Beutelspacher mit seinem Motorrad unterwegs. Von seiner Reise hat er erst vor kurzem beim Erntedankfest in Nellmersbach vor Publikum erzählt, bei welchem ihm 50 Interessierte zugehört haben. Außerdem durften sie einen Blick auf sein Motorrad werfen, das ihn bei der Reise begleitet hat. Ein Tag, der dem 37-Jährigen gut in Erinnerung geblieben ist. Er kann sich sogar vorstellen, weiteren Interessierten im Rahmen eines Vortrags von seiner Reise zu berichten.
Jetzt, kurz nachdem Andreas Beutelspacher zurück in der Heimat ist, ist er dabei, seine Erinnerungen zu sortieren, und erstellt eine Internetseite. Darüber will er Interessierte in Form von Berichten, Bilder und Videos über seine Reisen informieren, die er mit dem Motorrad unternommen hat. Außerdem ist er dabei, sein Leben neu zu ordnen, und befindet sich deshalb auf Wohnungssuche.