Albrecht Ulrich war „immer eine Spur cooler“
Winterbach. In einem lockeren, sonnigen Rahmen auf dem Marktplatz hat der Winterbacher Bürgermeister Albrecht Ulrich die Verabschiedung aus dem Amt gefeiert. Die Festredner sprachen durchweg lobend über den scheidenden Rathauschef. Ulrich selbst zog ebenfalls ein positives Fazit seiner zwei Amtszeiten, sprach aber auch noch mal seine Gründe für den Abschied an.
Es war durchaus eine ungewöhnliche Veranstaltung, zu der Albrecht Ulrich und die Gemeinde da geladen hatten. Eine Bürgermeisterverabschiedung auf dem Marktplatz? „Das hat ja fast was Antikes“, stellte der amtierende Biberacher Oberbürgermeister und ehemalige Remshaldener Rathauschef Norbert Zeidler fest: „Der Marktplatz als Ort der unmittelbaren Demokratie.“ Zeidler lobte daher die „Winterbacher Innovationskraft“, aber auch den Pragmatismus, eine „Schultes-Verabschiedung“ als „Warm-up“ für eine Gemeinderatssitzung zu veranstalten. Das sei landesweit einzigartig. Nach der Feier leitete Albrecht Ulrich tatsächlich noch seine letzte Gemeinderatssitzung. Routiniert und sachlich, trotz der beschwingten Feierstimmung.
Der scheidende Winterbacher Rathauschef hatte sich einen lockeren Rahmen für sein Abschiedsfest gewünscht. Unter Schirmen versammelten sich die Gäste, Gemeinderäte und Bürger aus Winterbach, Bürgermeisterkollegen aus der Umgebung, Vertreter aus Gesellschaft und Politik, und suchten Schatten vor der Sommersonne. Die Jazz-Band „Boogaloo“ spielte beschwingte Musik dazu. Es war ein fröhliches Festchen, das vor allem Norbert Zeidler mit seiner humorigen Art zu reden bereicherte.
Pragmatisch - Zeidler über Ulrich
Der Freund und Kollege Albrecht Ulrich, so Norbert Zeidler, sei „immer eine Spur cooler als alle anderen Bürgermeister“ gewesen. Wenn er mit Sonnenbrille auf der Nase Feste eröffnete, wenn er bei Radtouren mit den Bürgermeisterkollegen statt isotonischer Getränke lieber das „Urgetränk von Winterbach“ zu sich nahm. Ulrich habe Winterbach in „goldenen Zeiten“ als Rathauschef geführt. Er sei dabei auch im Kreis der Bürgermeisterkollegen nie als „Star-Tenor“ aufgetreten oder habe den „Solopart“ gegeben. Pragmatiker wie Ulrich, die die Ärmel hochkrempeln und anpacken, seien „auf dem Rückzug“.
„Es war ihm wichtig, dass er sich selber treu geblieben ist“, sagte Zeidler über Ulrich. Dabei habe sich das Berufsbild des Bürgermeisters stark verändert, stellte er fest. Viel Bürokratie gehöre dazu, aber auch ein „abnehmender Anstand im Umgang miteinander“ und ein hohes Anspruchsdenken der Bürger. Zu den schöneren Seiten zählte Zeidler es, „Vernünftiges auf den Weg zu bringen.“ In dieser Hinsicht habe sich Ulrich „als Lokomotive verstanden“.
Zuletzt schwierig - Ulrich über den Gemeinderat
Ulrich selbst ging in seiner Rede ebenfalls auf die weniger angenehmen Seiten des Bürgermeisterdaseins ein. „Wer sich heute für das Gemeinwohl einer Gemeinde einsetzt“, sagte Ulrich, „der braucht vor allem eines: Ein dickes Fell.“ Damit habe er kein Problem, wenn es „einigermaßen sachlich“ zugehe. Aber die Unterstellungen und Beleidigungen, die bei den Themen Flüchtlinge oder Windenergie an der Tagesordnung gewesen seien: „Das geht entschieden zu weit.“
Auch gegenüber seinem Gemeinderat fand der 56-Jährige deutliche Worte – und da zeigte sich auch, dass er in mancher Hinsicht nicht immer nur cool war. Er lobte erst die gute Zusammenarbeit sowie die Offenheit und das Vertrauen, das er vorgefunden habe, stellt aber fest: „Zuletzt war die Zusammenarbeit schwieriger.“ Mehr Personal für die Steuerung der Integration der Flüchtlinge und das „Megathema Remstalgartenschau“ sowie mehr Bürgerbeteiligung, das wäre für ihn „Grundvoraussetzung gewesen für eine weitere Zusammenarbeit.“ Ulrich sagte aber abschließend: „Ich trage das niemandem nach.“
Ideenreich - Gemeinderäte über Ulrich
Seine Gemeinderäte indes verabschiedeten Ulrich ohne böse Worte. Die beiden Stellvertreter des Bürgermeisters, Heidemarie Vogel-Krüger (Grüne) und Rudolf Rörich (BWV) unternahmen eine „Reise“ durch 16 Jahre in Projekten und Zahlen. 70 Millionen Euro standen am Ende zusammengezählt, die unter Albrecht Ulrich in die Gemeinde investiert wurden – und das nur für die Großprojekte. Für jedes Jahr hängten Gemeinderäte ein Blatt mit den Projekten und ihren Kosten auf. Am Ende drehten sie die Blätter um und der Schriftzug „Danke für 16 Jahre“ erschien.
Heidemarie Vogel-Krüger charakterisierte Ulrich als „schwäbisch gescheit, aber niemals altbacken“. Er sei kein „formaler Typ“, gesellig und nicht abgehoben. Er habe eine „Fülle von guten Ideen“ mitgebracht nach Winterbach und sich nicht nur für Bauwerke, sondern auch für Menschen und Umwelt engagiert.
Trotz seines deutlichen Seitenhiebs gegenüber dem Gemeinderat betonte auch Albrecht Ulrich: „Im Rückblick überwiegt bei mir absolut das Positive.“ Einige große Projekte in seinen 16 Jahren als Rathauschef hob er hervor, zum Beispiel: die Gründung des Remstalwerks („Mammutaufgabe sondersgleichen“), die Ansiedlung eines Lebensmittelmarkts an der B 29 (durchgesetzt gegen die Blockadeversuche des damaligen Schorndorfer Oberbürgermeisters Kübler, so Ulrich) und die Neugestaltung der Ortsmitte („Ergebnis gibt denjenigen recht, die schon immer weitsichtig waren“).
Optimistisch - Ulrich über die Zukunft
„Winterbach kann optimistisch und guten Mutes nach vorne blicken“, befand Albrecht Ulrich. Dafür sieht er viele Indizien: Eine Gewerbegebietserweiterung in den Breitwiesen und kleinere Wohngebiete seien am Entstehen, weitere Flächen gebe es, wenn der Wasserverband weitere Hochwasserrückhaltebecken baue. Wichtige Becken seien bereits gebaut, eines direkt bei Winterbach, das die Gemeinde schütze. Vielleicht, so überlegte Ulrich, sei die Wahlbeteiligung bei der Bürgermeisterwahl nicht ganz so hoch gewesen, „weil nichts Wichtiges liegengeblieben ist und alle kommunalen Themen am Laufen sind.“
Zum Schluss dankte Ulrich verschiedenen Menschen und Institutionen. Dabei auch seinen Mitarbeitern. „Wir waren ein gutes Team.“ Und auch seiner Familie, namentlich seiner Frau: „Du hast mir gelegentlich deutlich widersprochen, wenn es notwendig war.“ Vor allem aber habe sie ihn unterstützt und ihm in schwierigen Situationen Mut zugesprochen. Seinen Kindern sagte Ulrich: Er habe in den letzten Jahren nicht viel Zeit für sie gehabt. „Ich gehe mit euch nicht mehr im Sandkasten spielen, aber vielleicht kann man manches nachholen.“
Was immer Ulrich auch nach seiner Bürgermeistertätigkeit macht (siehe „Was wird aus ihm?“), ohne die vielen Veranstaltungen und Sitzungen wird er sicher mehr freie Abende haben. Mehr als 500 Ratssitzungen waren es in 16 Jahren insgesamt, zählte er auf. Seine letzte verlief ohne Turbulenzen. Als er den Saal betrat, erhoben sich die Gemeinderäte und applaudierten ihm.
Ulrichs Nachfolger
Trotz vorgezogenem Abschiedsfest: Noch bis 18. September ist Albrecht Ulrich offiziell Bürgermeister der Gemeinde Winterbach. Sein gewählter Nachfolger Sven Müller tritt am 19. September sein Amt an und wird an diesem Tag abends in einer öffentlichen Gemeinderats-Sondersitzung mit anschließendem Festakt in der Lehenbachhalle vereidigt.
Was macht Albrecht Ulrich, wenn er nicht mehr Bürgermeister ist? Diese Frage, so sagt der Gefragte, sei ihm bei seiner Verabschiedung 85 Mal gestellt worden. Beantworten wollte er die Frage indes noch nicht und sagte nur so viel: „Es ist noch nicht spruchreif, was ich mache.“ Vereinbart sei, dass er warte, bis der Vertrag unterschrieben ist. „Das wird erst nach der Sommerpause der Fall sein“, so Ulrich.
Geschenke, Weisheiten, Ratschläge
Die Personalratsvorsitzende Birgit Sengenberger bedankte sich bei Albrecht Ulrich im Namen der Mitarbeiter „für die gute Zusammenarbeit“. Er habe für die Anliegen seiner Mitarbeiter stets ein offenes Ohr gehabt. Als Geschenk überreichte sie vom Personalrat ein Miniatur-Solarfahrrad für den neuen Schreibtisch. Denn Ulrich sei fast immer mit dem Rad zur Arbeit gekommen, so Sengenberger, und auch sonst oft damit unterwegs. Als radfahrender Bürgermeister habe er „ein gutes Tempo vorgegeben“. Der große Gelehrte Einstein, so zitierte Sengenberger, fand: „Das Leben ist wie ein Fahrrad: Man muss sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.“
Vom Gemeinderat bekam Ulrich als Abschiedsgeschenk einen wasserdichten MP3-Player. Denn, wie Grünen-Rätin Heidemarie Vogel-Krüger feststellte: „Zwei Dinge sind ihm wichtig: Musik und Wasser.“ Er spiele in einer Rockband und schwimme gerne im Freibad.
Ähnliche Gedanken hatten sich die Bürgermeisterkollegen gemacht. Norbert Zeidler überreichte Ulrich einen Gutschein fürs „Soundland“ in Fellbach.
Der stellvertretende Landrat Bernd Friedrich riet Ulrich: „Gehen Sie die Dinge an, die in den letzten Jahren zurückstehen mussten.“ Und überreicht ihm für schlechte Zeiten ein Limes-Paket mit Spezialitäten aus dem Schwäbischen Wald.