Bilder: Frühlingserwachen in der Stadt
Schorndorf. Das Fazit hätte Ulrich Fink, Geschäftsführer von SchorndorfCentro, wohl auch schon um 11.30 Uhr ziehen können. „Toll!“ Volle Gassen, volle Geschäfte und überall was los. Sogar ein „überragend“ fällt am Sonntagnachmittag. Kein Wunder. War es am Freitag auf dem Sizilianischen Markt noch „multo freddo“, sehr kalt, war am Sonntag Frühlings-erwachen angesagt. Obwohl manch einer auch an Weihnachten gedacht haben mag. Wegen der Wurst.
Denn die Schlange vor dem Wurststand neben dem Marktbrunnen hatte zeitweise ähnliche Ausmaße wie die während des Weihnachtsmarktes vor dem Stand, wo es die bekannte Thüringer gibt. Doch drei Monate und einige Grad Celsius trennen Weihnachtsmarkt und Frühlingserwachen. Eine junge Frau bestellt eine Lasagne beim Italiener. „Die Schlangen an den Ständen waren mir einfach zu lang“, sagt sie, als die Bedienung mit einem „Buon appetito“ das Essen bringt und wieder im Laden verschwindet. Überall was los. Schon vor dem offiziellen Start um 12 Uhr summt es bereits in der Daimlerstadt. Um 15 Uhr ist dann kaum noch ein Durchkommen, zieht es einen Richtung Marktplatz. Manch einer biegt dann spontan links oder rechts in die Geschäfte ein, die geöffnet haben. Das mag auf den ersten Blick helfen, doch mit gefüllten Eintauschstaschen ist das Manövrieren noch schwieriger. Egal. Die meisten Menschen haben Zeit genug.
Brummen, Lachen und Summen in den Gassen
Lauscht man dem Treiben, dann vernimmt das Ohr ganz verschiedene Geräusche. Da ist die Hintergrundmusik, das Brummen, Lachen und Summen, wenn Tausende Menschen durch die Gassen ziehen. Da ist das Zischen, wenn die Luftballons mit Gas gefüllt werden. Das Quieken und Kreischen der Kinder, wenn der Ballon in die kleinen Kinderhände wandert und nach oben fliegen will. Da sind die hellen Glockenschläge vom Turm der Stadtkirche, die für einen Moment auch die Musik der Karussells übertönen. Dann ist dort das Rattern von Glücksrädern zu vernehmen. „Zehn Prozent Rabatt“, ruft ein Mädchen, das zu ihrer Mutter läuft. Sie hatte den richtigen Dreh raus. Ganz leise ist ein elegantes Paar, das sich gediegen von Schaufenster zu Schaufenster bewegt und die goldene Auslage des Juweliers würdigt. Das wirkt allerdings mehr routiniert als interessiert. Das Ohr lauscht und nimmt dann das fast schon obligatorische Klicken wahr, wenn die Smartphone-Kamera auslöst, weil das 24. Selfie an diesem schönen Sonntag geschossen wurde. Etwas härter klingt das Schließen der Türen der polierten Pkw auf dem Marktplatz. Die Sonnenstrahlen spiegeln sich auf den Motorhauben. Manch einer studiert ehrfürchtig die Preisliste. Zufällig schaut dann eine Frau von Radio 107.7 vorbei. „Darf ich Ihnen das geben?“ Logo. Ein Blick auf die Karte. „107.7 zahlt Deine Rechnung“. Ein Blick auf den Audi A7. Wie praktisch. Doch die Frau vom Radio ist schon wieder verschwunden. So einfach ist das dann doch nicht. Schade.
Der Mann findet es „Wahnsinn“, die Frau findet es „nett“
Hören wir weiter auf unser Ohr. „Hände aus den Taschen“, weist ein Mann einen Jungen zurecht, der scheinbar mit beiden Fäusten in der Tasche eine Segway-Tour wagen wollte. Der Junge lacht schüchtern und präsentiert beide Arme. „Wenn wir das Geld hätten“, ist nebenan ein resignierter Herr zu vernehmen, dessen Augen sich am Lack der vielen Oldtimer sattsehen. „Muss spara“, ruft ihm eine Freundin zu. Ein paar Meter weiter schaut sich ein Herr das Cockpit des Oldtimers an. „Wahnsinn“, murmelt er, weist seine Frau euphorisch auf technische Details hin. Doch die Frau macht alles zunichte. „Nett“, sagt sie und wendet ihren Blick schon wieder den Dingen ohne vier Räder zu. Unten am Marktplatz steht ein Mann. Wie gefällt’s Ihnen? „Ich wollte eigentlich eine Salsiccia essen“, sagt der. Aber die gab’s dieses Jahr ja gar nicht, wundert er sich über das Angebot des Sizilianischen Marktes. Stimmt. Der Stand mit der Wurst fiel kurzfristig aus, weiß Bernardo Inga. Krankheitsbedingt. Schade. Statt Salsiccia mundete ihm aber eine Thüringer.
An derlei Speisen hat eine Frau zwei Gassen weiter kein Interesse. „Schuhe“, ruft sie entzückt und ihre Füße bewegen sich, man(n) kennt das, wie magisch angezogen ins Schuhgeschäft. „Nett“, denkt sich vielleicht ihr Mann.
Bis 15 Uhr wurden bereits zehn Autos abgeschleppt
Ganz andere Geräusche sind auf dem Parkplatz am Burgschloss zu hören. Das Zwitschern der Vögel – und das Röhren des Auspuffs. Wieder legt jemand den Rückwärtsgang ein. Aber die Chance, bei diesem Wetter dort um 15.15 Uhr einen Parkplatz zu ergattern, waren auch sehr gering. Uli Fink ist genervt, dass bereits zehn Autos abgeschleppt werden mussten. Das ärgert ihn, bereite das doch allen Seiten Ärger und koste Zeit. Vielleicht könnte ihn ein Kaffee versöhnen. Das ist auch eines der vielen kleinen Geräusche; das Zischen des Kaffeeautomaten, das Brutzeln der Würste, das Tappen auf dem Steinpflaster der Frauen mit hohen Absätzen, das Klirren des Kleingeldes. Und so war es nicht nur für Centro-Chef Uli Fink ein wunderbares Frühlingserwachen.
„Find ich gut“
Viele Menschen zieht es auch vor das Modehaus Bantel. Doch die Türen bleiben am verkaufsoffenen Sonntag geschlossen. Die Kundschaft kann auch lesen warum: Bantel teilt mit, der Sonntag sei der Tage der Ruhe. Diese Lebensqualität wolle man möglichst auch für die Mitarbeiter bewahren. Eine Frau liest es und stellt fest: „Find ich gut!“ Allerdings hat sie bereits eine gefüllte Einkaufstasche in der Hand. Geöffnete Läden findet sie auch gut.