Schorndorf

Corona: Auf dem Schorndorfer Wochenmarkt werden teils wilde Theorien verbreitet

Markt & Maske
Im Gespräch mit Marktbeschickern und Bürgern zeigt sich: Das Verständnis für die Maßnahmen der Politik sinkt. © Gabriel Habermann

Während das Verständnis der meisten Bürgerinnen und Bürger für die Regeln und Verordnungen zu Beginn der Corona-Krise recht hoch war und die Maskenpflicht von vielen Menschen befürwortet wurde, scheint sich die Stimmung in einem Teil der Bevölkerung zu ändern. Von einem kritischen Blick auf die Verordnungen bis zu wildesten Theorien bekommt man unterwegs auf dem Schorndorfer Wochenmarkt so manches zu hören.

Auf den Wegen zum Markt stehen Schilder: Wer hier einkaufen will, muss einen Schutz über Nase und Mund tragen. Die Mehrheit hält sich daran. Zwischen den einzelnen Marktgängen herrscht gegen 11 Uhr ein reges Treiben. Fast genauso viele Menschen sind auf dem Markt unterwegs, wie vor der Zeit des Coronavirus. Der Abstand von eineinhalb Metern, der ebenfalls vorgegeben ist, kann dabei kaum eingehalten werden.

Viele treffen sich zum Kaffeetrinken am Oberen Marktplatz

Zwei Dutzend Menschen stehen am Oberen Marktplatz und trinken Kaffee. Am entsprechenden Stand, der vor der Gaupp’schen Apotheke steht, hat sich eine lange Schlange gebildet. Den Mundschutz haben die meisten nach unten gezogen – klar: Trinken und essen mit Maske geht schlecht und ist hier für kurze Zeit auch erlaubt. Unter den Kaffeetrinkern befindet sich auch Gemeinderat Gerhard Nickel (FDP/ FW) mit einigen Freunden und Bekannten. Als die Schorndorfer Nachrichten ein Foto von ihm machen wollen, hält er sich schnell den Mundschutz vors Gesicht. Es sei bereits sein dritter Kaffee an diesem Morgen, sagt er. Wie einige, die sich hier treffen, wirft auch der Rechtsanwalt einen kritischen Blick auf die Verordnungen der Politik: „Alle Regeln sollten regelmäßig überprüft werden“, sagt Nickel und betont, er habe dabei aber großes Vertrauen in den Rechtsstaat.


Ausschließlich auf dem Oberen Marktplatz sei es während des Wochenmarktes erlaubt, zum Essen und Trinken den Mundschutz abzunehmen, erklärt Bettina Kargl, die als Marktmeisterin Kontrollen durchführt. Doch auch dort gelte die Regel, nicht länger als nötig zu verweilen. Sich den ganzen Morgen dort zu treffen und Schwätzchen zu halten, ist unter den derzeitigen Voraussetzungen eigentlich nicht vorgesehen, erklärt sie.

Einzelne ziehen Vergleich zwischen Mundschutz und Maulkorb

Auch die Verkäufer auf dem Markt müssen eigentlich eine Maske tragen. Roselinde Henschke, die auf dem Markt Honig verkauft, trägt allerdings lediglich einen Imkerhut. Was sie von der Maskenpflicht hält, hat sie auf ein kleines Plakat geschrieben, dass neben dem Honig steht: „Auf dass der Mundschutz nicht zum Maulkorb wird!“ Mit Maske könne man nicht richtig atmen, darin sieht Henschke eine Gefahr, schließlich bekomme man nicht ausreichend Luft.


Doch auch an der Gefahr, die laut der Mehrheit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von dem Virus ausgeht, zweifelt Henschke. Die Verkäuferin ist der Meinung, dass an der Angst vor dem Virus mehr Menschen sterben als an der Krankheit selbst. Die Medien verbreiteten darüber hinaus ein falsches Bild und würden zusätzlich Ängste schüren, so die Verkäuferin. Zu einem Kunden, mit dem sie sich austauscht, hört man sie sagen, dass man jetzt aufwachen müsse, auf der ganzen Welt herrsche das gleiche „System“. Mit Verschwörungstheoretikern will sie aber nicht in einen Topf geworfen werden, betont sie gegenüber der Zeitung.

Vergleiche zwischen Mundschutz und Maulkorb zieht auch die Schorndorferin Sabine Brüssing. Sie bezeichnet die Maßnahme als „albern“. Ganz so weit geht der 57-jährige Klaus Kirsch nicht. Doch auch er findet es überzogen. Auch andere äußern sich in eine ähnliche Richtung, wollen aber lieber nicht mit Namen in der Zeitung stehen.

 

Ordnungsamt: Die meisten halten sich an die Maskenpflicht

Im Gegensatz zu den kritischen Äußerungen steht die Einschätzung von Bettina Kargl, die als Marktmeisterin fürs Ordnungsamt kontrolliert, ob die Maskenpflicht eingehalten wird. „Die meisten halten sich daran“, sagt sie. Nur wenige seien ohne unterwegs, die meisten von ihnen reagierten aber einsichtig, wenn sie von ihr angesprochen werden. Verschwörungstheoretikern sei sie noch nicht begegnet, aber auf Diskussionen über die Sinnhaftigkeit lasse sie sich ohnehin nicht ein. Von Bürgerinnen und Bürgern, die auf dem Wochenmarkt wegen der Maske etwa bewusstlos werden oder andere gesundheitlichen Schaden nehmen, habe sie noch nie gehört, geschweige denn etwas beobachtet, sagt sie. „Wir hatten hier keinen Notfalleinsatz dieser Art.“ Menschen, die gesundheitlich von den Masken beeinträchtigt wären, können außerdem ein Attest von ihrem Arzt oder Ärztin bekommen, erklärt sie. Am Unteren Marktplatz sitzt eine Frau alleine auf den Treppen zum Rathaus und isst eine Wurst im Brötchen. Kargl bittet sie, zum Essen auf den Oberen Marktplatz zu gehen.

Ernst Layer, der Obst und Gemüse verkauft, erklärt, dass er zwar im Großen und Ganzen Verständnis für die Regeln der Politik habe, von der Mundschutzplicht auf dem Wochenmarkt aber nichts hält. Er findet gut, dass sich derzeit immer mehr kritisch äußern, und lobt explizit Politiker wie Boris Palmer. Layer zeigt auf seinem Smartphone die Internetseite der Landesregierung, auf der steht, dass die Maskenpflicht nicht auf dem Wochenmarkt gilt. In Schorndorf, Waiblingen und etwa auch Winnenden haben die Städte sie allerdings beschlossen. Dagegen will Ernst Layer mit Roselinde Henschke von der Imkerei nun Unterschriften sammeln, kündigen die beiden an.

Während das Verständnis der meisten Bürgerinnen und Bürger für die Regeln und Verordnungen zu Beginn der Corona-Krise recht hoch war und die Maskenpflicht von vielen Menschen befürwortet wurde, scheint sich die Stimmung in einem Teil der Bevölkerung zu ändern. Von einem kritischen Blick auf die Verordnungen bis zu wildesten Theorien bekommt man unterwegs auf dem Schorndorfer Wochenmarkt so manches zu hören.

Auf den Wegen zum Markt stehen Schilder: Wer hier einkaufen will, muss einen

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