Bausünden auf Stückle im Raum Winnenden: Krisensitzung mit OGVs und Politikern

„Druck im Kessel“, „es brennt lichterloh!“, „wir sind zwischen Flächen- und Großbrand“: Georg Spinner kann seine Feuerwehrherkunft nicht leugnen, warum sollte er auch. Der ehemalige Kommandant der Leutenbacher Wehr setzt sie ein, um bildhaft zu verstärken, wie „ernst die Lage“ ist, und auch als Sprecher und Initiator der „Interessengemeinschaft der Grundstücksbesitzer im Außenbereich“.
Wobei damit der Raum Winnenden gemeint ist, der Zuständigkeitsbereich von dessen Gemeindeverwaltungsverband, zu dem Schwaikheim und Leutenbach gehören. Unabhängig davon, ob die „IG“ tatsächlich das Mandat hat, alle Stücklesbesitzer dort zu vertreten, sind darunter rund 650 Mitglieder der dortigen Obst- und Gartenbauvereine. Spinner selbst ist Vorsitzender des OGV Nellmersbach. Zusammen mit seinen beiden Kollegen aus Leutenbach und Weiler zum Stein, Dieter Blessing und Ralf Lachenmaier, hat er den Unmut dort gebündelt, wobei mittlerweile offenbar auch die Obst- und Gartenbauvereine aus Schwaikheim, Breuningsweiler und Birkmannsweiler mit im Boot sind. Deren Vorsitzende Petra Rommel, Andreas Schiefer und Ralf Lachenmaier sowie Wulf Hanke sind ebenfalls zu einer Aussprache mit Vertretern des Gemeindeverwaltungsverbands in den Sitzungssaal des Schwaikheimer Rathauses gekommen, ebenso die Bürgermeister Jürgen Kiesl und Dr. Astrid Loff (als Hausherrin eh und Moderatorin), Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth sowie Vertreter des Landratsamts, darunter Dezernent Gerd Holzwarth. „Wir hätten locker eine Sporthalle füllen können“, so Spinner zum Auftakt.
Selbst die Grünen sind unter sich nicht einig
Dass es der IG gelungen ist, ihrem Anliegen Nachdruck zu verschaffen, zeigte vor allem die geballte Anwesenheit von Landtagsabgeordneten, der einheimischen Vertreter Swantje Sperling, Grüne, Julia Goll, FDP, Siegfried Lorek, CDU, sowie der Backnanger Wahlkreisvertreter Gernot Gruber, SPD, Ralf Nentwich, ebenfalls Grüne, und Daniel Lindenschmid, AfD. Dass die Grünen doppelt vertreten waren, hatte Sinn, wie sich zeigen sollte. Nentwich und Sperling sind in dieser Angelegenheit durchaus nicht auf einer Linie und Ersterer erhob, unwidersprochen von seiner Kollegin, den Anspruch, die „Linie“ der Landesgrünen zu vertreten.
Es ging, wieder mal, um das als zu rigoros empfundene Kontrollieren und Ahnden des GVV als zuständige Behörde von Verstößen gegen das Bauverbot im Außenbereich seit einigen Jahren, dessen Auflagen zum Rückbau, Entfernen von vielem Liebgewonnenem, mühsam im Laufe von vielen Jahren Errichtetem. Anders gesagt: das „Spannungsfeld“ zwischen Landschafts-, Natur-, Artenschutz und der „Freizeitnutzung“ sowie Bewirtschaftung der Streuobststückle, die Frage, wie diese am ehesten erhalten werden können, ja sollen, denn das ist das Ziel, zumindest so weit reicht der Konsens.
Ansonsten herrscht viel Widerspruch, das kam in der zweieinhalbstündigen Aussprache erneut zum Ausdruck, selbst „untereinander“. Während Swantje Sperling als einen (begrenzten) Ausweg aus dem Konflikt, vertretbaren Kompromiss, Ausgleich der Interessen, vorschlägt, „Sondergebiete“ auszuweisen, die den Stücklesbesitzern mehr zugestehen würden, hält Nentwich das für keinen Ansatz, der weiterverfolgt werden sollte. Damit würde man „die Büchse der Pandora öffnen“, ein „Einfallstor“ schaffen, warnte er.
Auch Kiesl und Holzwarth sind sich nicht einig. Ersterer regt an, künftig zu „priorisieren“, vorerst nur den krassesten Verstößen nachzugehen (was wäre dann aber mit denen, die bereits zurück-, abbauen, entfernen mussten?), Holzwarth hält das für rechtlich nicht zulässig. Wenn Parkverstöße in einer Straße kontrolliert würden, müsse das für alle Autos dort gelten, so sein Vergleich. Kiesl konterte: Da werde in der Praxis sehr wohl ein Unterschied gemacht zwischen denen, die gerade so eben mit den Reifen in die Straße hineinragen, darüber werde meist hinweggesehen, und denen, die ihr Auto auf dem halben Gehweg platzieren.
OB Holzwarth sieht möglichen Spielraum für etwas größere Geschirrhütten
„Herausgreifen“ nur der „schwersten“ Fälle gehe nicht, hielt Holzwarth dagegen. Es müsse von der anderen Seite, „von unten“ her definiert, festgelegt werden, ab wann eingegriffen wird. Beispiel Geschirrhütten. Die sind bis 20 Kubikmeter Rauminhalt verfahrensfrei, der GVV gibt sozusagen noch zehn Prozent dazu, also beanstandet erst ab 22 Kubikmeter. Der OB sicherte allerdings zu, dass der GVV mit den Verwaltungen und Gemeinderäten über eine künftig höhere „Aufgriffsschwelle“ sprechen werde, „beispielsweise, dass man sagt, erst ab 30 Kubikmetern schreitet man ein“. Ähnlich könne es auch bei Terrassen oder Sitzgruppen kommen. Dass Grundstücke komplett eingefriedet werden, ginge aber auch künftig auf keinen Fall, denkbar sei allenfalls teilweise (um Beete zu schützen zum Beispiel).
Appell an die Landesregierung für „zeitgemäßere“ Regeln
In die gleiche Kerbe hieb Markus Schlecht, Leiter des Winnender Stadtentwicklungsamts. Eigentlich gehe es doch gar nicht um „Erlauben“ oder „Genehmigen“, sondern man gehe Verstößen nach gegen das, was in der „abschließenden Positivliste“ (was auf den Stückle zulässig ist) eben nicht aufgeführt wird, aber trotzdem dort ist oder was darüber hinausgeht. Es sei am Land, wenn es das wolle, die Liste und damit den Spielraum zu erweitern. Auf kommunaler Ebene gebe es nur ein gewisses Ermessen, einen begrenzten Spielraum. Deshalb habe der GVV, auf Initiative aus Leutenbach hin, einen Appell an die Landesregierung verabschiedet für „zeitgemäßere“ Regeln, ergänzte Holzwarth. Da gebe es durchaus Verbesserungspotenzial. Er und Schlecht widersprachen Spinners Klage, es gebe Ungewissheit, Unsicherheit bei den Stücklesbesitzern, was „noch erlaubt“ ist. Die Positivliste sei öffentlich und es gebe auch keine Unklarheit bei der Frage der Landschaftsschutzgebiete (mit noch strikteren Vorgaben). Weder hätten die sich in den vergangenen Jahren ausgedehnt, noch seien zu den beiden seit vielen Jahren bestehenden weitere dazugekommen. Diese seien in den Flurkarten dargestellt, auf der Homepage der Stadt einsehbar.
Schoor: Beweiden ist Alternative zum Einsatz von Maschinen
Anderes Beispiel dafür, wie kompliziert es ist - nicht nur, weil hier unterschiedliche Gesetze auf Landes- und Bundesebene „reinspielen“ -, und dafür, dass „Frontlinien“ mitunter „quer“ verlaufen: Kaum hatte Claus-Dieter Zeyer vom OBV Breuningsweiler beklagt, seinen Mäher samt Anbau in Garagen abstellen zu müssen, weil er es auf seinen Stückle nicht darf, verwies Werner Schoor vom OGV Nellmersbach, dort Vorgänger von Spinner, darauf, dass Beweiden eine umweltschonende und sich immer mehr verbreitende Alternative zum üblichen Fahrzeug- und Maschineneinsatz ist.
Was auch für Verdruss sorgt bei den Stücklesbesitzern, neben dem immer geringeren Entgelt für ihr Obst als Lohn für ihre Mühe, so sie es denn überhaupt noch auflesen und abliefern, ihre Bäume pflegen: der Eindruck, nur im Bereich des GVV werde so strikt vorgegangen, nicht dagegen im „Rest“ des Rems-Murr-Kreises und auch nicht in anderen Landkreisen. Mit dem von der „anderen Seite“ vielbeschworenen Gleichbehandlungsgrundsatz sei es somit also nicht weit her.
Astrid Loff beschrieb das „Spannungsfeld“ so: Es gehe um Grundstücke, die weiterhin gepflegt werden müssen und attraktiv bleiben sollen, aber es gebe eben auch die Belange des Umwelt- und Naturschutzes. Man sei sich doch wohl einig, dass die Stückle keine „Partymeilen“ werden sollen. Die Frage war schließlich, nach viel Hin und Her, Pro und Contra, was hat’s gebracht? Kiesl erinnerte daran, dass man vor sieben Jahren schon mal, in ähnlich großer Besetzung, in gleicher Sache zusammengekommen war. Seine Befürchtung sei, dass es nun, erneut, „wie’s Hornberger Schießen“ ausgehe.
Astrid Loff, im Vergleich frisch im Amt und eine „Frohnatur“, sah, unwidersprochen in der Runde, gleichwohl Übereinstimmungen, Anlass zu Optimismus: den „genossenschaftlichen Ansatz“, etwa zur Nutzung von Gemeinschaftsschuppen (in Berglen erbaut im Zuge einer Flurbereinigung) und zur gemeinsamen Nutzung von Geräten (soweit der Wille dazu bei Stücklesbesitzern vorhanden ist), den Willen zur „Verschlankung“ von Gesetzen (ob das die Landtagsabgeordneten als „Arbeitsauftrag“ nach Stuttgart mitgenommen haben?), Streuobstwiesen stärker beweiden zu lassen, die „Aufgriffsschwelle“ hochzusetzen, Vorschläge zu erarbeiten für die „Positivliste“, die maximal zulässige Größe der Aufbewahrungskisten in Landschaftsschutzgebieten zu überprüfen (als Bitte ans Landratsamt), Grundstücksbesitzer zu unterstützen bei der Abfuhr von Schnitt- und Mähgut.
Spinner klagt: Stücklesbesitzer fühlen sich mittlerweile nicht mehr als Eigentümer
Und der Initiator? Es wäre viel Ärger zu vermeiden gewesen, wenn schon damals eingeschritten, bereits beim Entstehen der „Bausünden“ gesagt worden wäre, „das geht so nicht“, so Spinner. Es gehe ihnen nicht ums „Partymachen“, die das im Sinne hätten auf ihren Stückle, seien eine verschwindende Minderheit. Er hoffe auf künftig mehr „Feingefühl“ von Seiten der Behörden für die Belange der Eigentümer (im Verhältnis zu denen des Natur- und Umweltschutzes). Die fühlten sich nämlich allmählich ob der Gängelung nicht mehr als solche (wahrgenommen). Der wachsende Unmut darüber drohe sich gegen „die Politik“ zu wenden. Die Grundstücke würden auch für die Selbstversorgung genutzt, das sei in anderen Kulturen selbstverständlich: „Was spricht denn hier eigentlich dagegen?“