16. Nacht der Keller
Weinstadt. Ein Dorf im Ausnahmezustand – zumindest in Strümpfelbach traf dies vergangenes Wochenende wieder für die Weinstädter „Nacht der Keller“ zu.
Der Auftakt gestaltete sich am Freitagabend gemächlich. Bis zum Einbruch der Nacht gehörten die für den Durchgangsverkehr gesperrten Straßen vor allem den spielenden Kindern, kaum gestört von den gelegentlichen Spaziergängern. Die wiederum begannen erst zu strömen, nachdem die Keller ihre Tore geöffnet hatten und die Bewirtung angefangen hatte. Ganz offensichtlich ließen sie sich weder von einer schwarzen Wolkenwand abhalten, die sich drohend im Westen aufbaute, noch von der damit verbundenen Aussicht auf Regen. „Petrus ist halt schon ein alter Mann. Der kann nicht immer das Wasser halten. Aber soll man sich davon die Feierlaune verderben lassen?“, meinte dazu ein einsamer älterer Zecher vor dem Ausschank des Skiclubs Strümpfelbach.
"Fantastische Stimmung"
Für Holger Dorer und sein Team im Nuss‘schen Keller herrschte Hochbetrieb, kaum dass die Tore geöffnet waren. Zwar war vom Scheunentor ein langer Weg bis in das Gewölbe selbst zurückzulegen, aber dass die Flanierer von der Straße her auf den rechten Weg fanden, dafür sorgten „Die Allrounders. Drei für alle Fälle“ mit ihrer Musik. Dorer konstatierte, dass die treuen Stammgäste nicht nur von den angebotenen Weinen angezogen würden, sondern auch „von der fantastischen Stimmung“.
Der Chardonnay ist längst im Remstal heimisch
Bei den „Weinfreunden Strümpfelbach“ war der Auftakt eher verhalten. „Wir sind halt recht weit im Oberdorf, da dauert es, bis die Besucher zu uns finden. Aber ich garantiere, um 9 Uhr ist es rappelvoll, da müssen wir anfangen, Besucher abzuweisen“, versicherte Bernhard Schmid, der dafür verantwortlich zeichnete, dass es den Gästen an nichts fehlte. Bis es aber so weit war, bot sich Gelegenheit, den Keller selbst zu bewundern, den einstigen Weinhändlerkeller, „einen der schönsten und geräumigsten in Strümpfelbach überhaupt“, so Fritz Würtele, einer der ersten Gäste des Abends. Er plauderte über die Weintheke hinweg mit Kerstin Schmid und Silke Würtele, die für den Ausschank der Remstalkellerei-Weine zuständig waren. Mit dem Chardonnay in seinem Glas sei er sehr zufrieden und, „nein, diese Traube ist im Remstal längst kein Ausländer mehr. Die wird seit über zwanzig Jahren hier angebaut, und nach dieser Zeit ist man auf alle Fälle eingebürgert“, meinte er augenzwinkernd.
Besonderes Event: 500 Jahre alter Gewölbekeller
Im Weingut Kuhnle schenkten nicht nur Sabrina Kübler und Daniel Kuhnle im Hof aus. Als besonderes Event war auch der 500 Jahre alte Gewölbekeller geöffnet, in dem Werner Kuhnle inmitten der Holzfässer eine Weinprobe abhielt und fünf seiner Barrique-Weine vorstellte. Dazu gehörten unter anderem ein 2015er Blanc de Blanc Cuvée, eine 2009er Cuvée Cabernet und ein 2014er Cabernet Sauvignon, eine „Jungferntraube“ vom Strümpfelbacher Altenberg. Das Schmankerl: Jeder der Tropfen wurde von „Johann, der schwäbischen Stimme“ gesanglich begleitet.
Der Bus-Shuttle begeistert
Gefeiert und gezecht wurde an beiden Tagen nicht nur in Strümpfelbach, sondern in allen Weinstädter Teilorten. So begeisterte sich eine Gruppe junger Leute, teilweise gar aus Coburg angereist, am Samstagabend an der Party, die im Holzfasskeller der Remstalkellerei in Beutelsbach von der Band „Da Capo“ angeheizt wurde. „Wir in Oberfranken verstehen uns zwar auch aufs Feiern, aber wir haben es weniger mit dem Wein, schon eher mit dem Bier“, fasste eine junge Frau ihre Eindrücke zusammen. „Aber dass eine ganze Stadt, alle Teilorte gemeinsam feiern, das ist schon etwas Einmaliges!“ Selbst an die Kutteln habe sie sich herangewagt, berichtete sie stolz. Besonders beeindruckt sei sie aber von dem „hervorragend organisierten“ Bus-Shuttle, mit dem sie inzwischen durch ganz Weinstadt gekommen seien und der sie noch zu einem „Absacker“ nach Endersbach ins Heimatmuseum bringen werde. Und dort warteten bereits Paul Wilhelm und sein Museumsteam, das sich wieder in Hof, Museumsscheune und -keller als perfekter Gastgeber erwies.
Kein Kommerz
„Eine wichtige Säule im Kampf gegen die Tendenz, dass die Kultur des Weinbaus zu reinem Konsum und Kommerz verkommt“ ist für Werner Kuhnle die Weinstädter Nacht der Keller. Wohl sei es ein generelles gesellschaftliches Phänomen, dass Waren aus einem globalisierten und anonymisierten Markt dem Verbraucher zu Discountpreisen angeboten würden.
Die Nacht der Keller sei aber eine große Chance, daran zu erinnern, welche prägende Bedeutung der bodenständige Weinbau für die ganze Region und deren Charakter habe. „Und es ist ein Glücksfall, dass dies von den Leuten so gut angenommen wird.“