Aus für Waiblinger Notfallpraxis
Waiblingen. Die Notfallpraxis in der Waiblinger Querspange wird ihren Betrieb nicht wieder aufnehmen. Grund dafür ist nach Angaben von Dr. Christian Schmidt, dem Vorsitzenden des Vereins Notfallpraxis Rems-Murr, nicht nur der verheerende Brand, der die Praxis total verwüstet hat. Gründe seien auch die zurückgegangenen Patientenzahlen und die bessere Versorgung der Kranken beim Winnender Klinikum.
Neun Kilometer. So viel müssen Patienten nach Rechnung des Trägervereins maximal mehr zurücklegen, wenn sie, statt nach Waiblingen zu fahren, die Notfallpraxen in Winnenden oder Schorndorf ansteuern müssen. „Das ist zumutbar“, findet Christian Schmidt. Und das meinten auch die übrigen Mitglieder des Vereins, die in ihrer jüngsten Mitgliederversammlung nun das endgültige Aus beschlossen haben. Auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) habe angekündigt, die Notfallpraxis nicht mehr zu fördern. Dass die Schließung für die Patienten aus dem Raum Waiblingen ein herber Schlag ist, glaubt Schmidt schon deshalb nicht, weil er die Versorgung in Winnenden für wesentlich besser hält: Samstags und sonntags habe man in Waiblingen keine Möglichkeit zum Röntgen gehabt, auch ein Labor habe am Wochenende nicht zur Verfügung gestanden. „Die Möglichkeiten waren begrenzt“, sagt Schmidt. „In Winnenden können wir besser arbeiten.“
"Patientenversorgung nicht beeinträchtigt"
Über das drohende Aus der Notfallpraxis in Waiblingen hat Landrat Richard Sigel jüngst auch Oberbürgermeister Andreas Hesky und die Kreisräte informiert. Zum einen werde die Renovierung nach dem Brand noch längere Zeit dauern. Zum anderen habe sich gezeigt, dass die Patienten aus dem Kreis die Notfallpraxen in Winnenden und Schorndorf sehr gut annehmen, heißt es in dem Schreiben. Diese gute Zusammenarbeit mit den beiden Kliniken habe bereits vor dem Brand zu stark rückläufigen Patientenzahlen in Waiblingen geführt. Die Entscheidung komme überraschend, die Patientenversorgung sei dadurch aber nicht beeinträchtigt, versichert der Landrat. Er habe die Geschäftsführung der Rems-Murr-Kliniken bereits darauf hingewiesen, dass die Zusammenarbeit mit den Notfallpraxen in Zukunft optimiert werden muss, um eine bestmögliche Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Dazu diene auch der Notarzt, der wie bisher in Waiblingen stationiert ist, um in akuten Notfällen rasch da zu sein.
Die große Frage: Wie entwickeln sich die Wartezeiten?
Dennoch wird das all jenen ziemlich bitter aufstoßen, die schon mal viele Stunden in einem vollen Wartebereich der Notfallpraxis in Winnenden zugebracht haben – keine schöne Aussicht also, wenn jetzt noch dauerhaft die Patienten aus dem Raum Waiblingen dazukommen. Dr. Christian Schmidt indes ist da optimistisch: Seit Februar hätten sich die Wartezeiten in Winnenden nach Einführung eines Systems verringert, das die Wartenden sofort in ambulante Patienten und solche für die Klinikaufnahme einteile. „Dadurch geht es schneller, die Abläufe werden gestrafft“, versichert Schmidt. „Wir sind sicher, dass wir lange Wartezeiten abbauen können.“
Schmerzlicher Verlust
Das wird Oberbürgermeister Andreas Hesky sehr genau beobachten. Der Verlust der Waiblinger Notfallpraxis sei schmerzlich. Die Schließung könne er aber akzeptieren, wenn es sich in den kommenden Monaten herausstelle, dass die Praxis aus medizinischer Sicht in Waiblingen nicht unbedingt notwendig war. Sollte es aber – etwa wegen zu langer Wartezeiten – zu Beschwerden aus der Bevölkerung kommen, werde er den Landrat an das Versprechen erinnern, auch nach der Schließung des Waiblinger Kreiskrankenhauses die medizinische Versorgung der Menschen zu gewährleisten.
Kritik aus dem Kreisrat
Kritisch sieht man die Schließung auch im Kreisrat: Er sei überhaupt nicht begeistert von dieser Entwicklung, schreibt der Fellbacher Ulrich Lenk (FDP/FW). Die Ärztlichen Notfallpraxen seien einst eingerichtet wurden, um eine lokale und patientennahe medizinische Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, auch wenn der Hausarzt oder betreuende Arzt nicht erreichbar ist, erinnert er. „Es gehört für mich zu den größten Enttäuschungen in der Entwicklung der Gesundheitspolitik, dass man dieses Versprechen schon bald gebrochen hat und viele Notfallpraxen mittlerweile geschlossen wurden.“ Noch deutlich schlechter stellt sich nach Ansicht des Fellbachers die Situation dar, wenn zukünftig die nächste Notfallpraxis beim Klinikum Winnenden angesiedelt ist, das mit öffentlichen Verkehrsmitteln derzeit nur schwer und umständlich zu erreichen sei.
Eine Direktbuslinie zum Klinikum
Noch drängender als bisher erscheint angesichts der endgültigen Schließung der Notfallpraxis eine Direktbuslinie von Waiblingen nach Winnenden. Diese wird vom Waiblinger Gemeinderat und Oberbürgermeister Andreas Hesky seit langem gewünscht - eine schnelle Lösung scheitert derzeit indes am europaweiten Vergabeverfahren. „Grundsätzlich stehen wir einer Direktverbindung von Waiblingen zum Klinikum nach Winnenden positiv gegenüber“, sagt Landrat Dr. Richard Sigel. Für den Raum Waiblingen-Ost sei allerdings bereits ein wettbewerbliches Verfahren für den Busverkehr eingeleitet – aus rechtlichen Gründen kann die neue Buslinie in dieses nicht mehr aufgenommen werden.
„Ich hätte mir gewünscht, dass eine Direktverbindung noch bei der laufenden wettbewerblichen Vergabe der Buslinien berücksichtigt werden kann“, versichert Sigel. „Inzwischen haben wir vom Regierungspräsidium das Signal, dass es mehrere eigenwirtschaftliche Angebote von Busunternehmen gibt.“
Tatsächlich wäre eine neue Verbindung auf der Strecke Waiblingen, Neustadt, Hohenacker, Bittenfeld, Winnenden eine Idee gewesen, für die der Landrat durchaus offen war. Auch deshalb, weil aus verkehrsplanerischer Sicht dadurch neue Verbindungen von Winnenden über Bittenfeld nach Hochdorf und Remseck sowie nach Ludwigsburg entstehen könnten. Auch die S-Bahn-Linie Richtung Stuttgart könnte so entlastet werden. Die Kosten einer solchen Buslinie lägen bei 100 000 Euro, von denen 50 000 Euro auf Waiblingen, 50 000 Euro auf Winnenden fallen würden.
Doch eine schnelle Lösung ist zur Enttäuschung des Gemeinderats nun fürs Erste vom Tisch. Er müsse einräumen, dass die Signale an die Stadt Waiblingen etwas verfrüht waren beziehungsweise im laufenden Vergabeverfahren überholt wurden, so der Landrat. Derzeit stehe einfach noch nicht fest, welches Busunternehmen den Verkehr ab 1. Januar 2019 betreiben wird.
Ganz vom Tisch ist die neue Buslinie dadurch aber nicht. „Wenn feststeht, welches Busunternehmen für die Zeit ab 2019 die Zuschläge erhält, können wir in Verhandlungen eintreten“, kündigt Sigel an. Gleichzeitig sollen Alternativen wie ein Ruftaxi geprüft werden. Im Umwelt- und Verkehrsausschuss am 7. Juli wird über dieses Thema beraten.