Die Narren sind los! Waiblingen feiert
Waiblingen. Die Straßen voll, die Hästräger bunt, die Guggen mitreißend, die Stimmung närrisch und das Wetter ein Traum. Und Oberbürgermeister Andreas Hesky übte beim großen Faschingsumzug das Rikschafahren.
Vom kräftigen Pedaltreten her kann er schon als Rikscha-Fahrer durchgehen, der radelnde Oberbürgermeister Andreas Hesky. Vor dem jüngsten Narrengericht erhielt er von den „Anklägern“ die Auflage, künftig Besucher mit einer Rikscha vom Bahnhof abzuholen. Beim Umzug scheint er für seine neue Aufgabe zu üben: Mit orangefarbenem Blinklicht auf dem Fahrradhelm fährt er dem kunterbunten Lindwurm auf dem E-Bike voraus. Hinter sich her zieht er das Modell des umstrittenen Rad-Parkturms. Dabei skandiert er die närrische Botschaft „Waiblingen, Stadt der Radfahrer“ und macht mit Hupen und Winken auf das Modell der Radgarage aufmerksam.
Hinter ihm schlängelt sich der Umzug mit 1200 Narren aus 66 Gruppen durch die Gässle und Gassen – dieses Jahr ganz im Zeichen der Hästräger, da sich nur sechs Guggenmusikgruppen und zwei Musikzüge angemeldet haben, wie Benjamin Stein, 1. Zunftmeister der Remshexen, sagt.
Die Gesichter zweieinhalb Stunden lang „geairbrusht“
Es gibt Hexen, Teufel und die „feirigen Deifelshexa“, Schwobahexa und Schramberger Felsteufel, mit Hörnern auf der Maske und Fellwedeln in den Händen, mit denen sie die Nasen und Wangen der Besucher kitzeln. Denen kitzelt schon die frühlingshafte Sonne im Gesicht. Trotzdem wird offiziell noch der Winter ausgetrieben und dafür werden sie alle gebraucht, die heiter hüpfend und finster Fratzen schneidend vorbeiziehen: Eine farbenprächtige Karawane in Blau-Weiß, Gelb-Orange und Rot-Schwarz bewegt sich quer durch die Stadt. An der Spitze die gastgebenden Waiblinger Karnevalisten der WKG und der 1. WFG. „Sa-he“ rufen die Elferräte und lassen süßes Wurfmaterial über die Köpfe segeln. „Hie-Wai“ schallt es durch die Menge, in Richtung der Damen „regnet“ es Tulpen.
Gardemädchen mit adrett lächelnden Gesichtern, strengen Zöpfen und in die Hüfte gestemmten Händen springen zu den Rhythmen der Guggenkapelle hinter oder vor sich, die mit bunten Gesichtern und lärmend, Pardon: schrägtönend und musizierend vorbeiparadieren.
„Das haben wir zweieinhalb Stunden lang geairbrusht“, erklären zwei Guggenmusikerinnen, wie sie zu ihren auffallend blauen, schön bemalten Gesichtern kommen. Mit feiner Airbrushpistole sprühen sie einen gelben Halbmond, funkelnde Sterne und die Silhouette des Heubacher Mondstupflers auf die Haut, der den Guggen den Namen gab. „Der Legende nach sollen die Bürger mit langen Stangen versucht haben, den Mond vom Himmel zu holen“, erklärt eine Musikerin die Symbolik. Mit „Hang on Snoopy“ und weiteren Gassenhauern holen sie heute die Stimmung aus ihren himmelwärts gerichteten Trompeten und Posaunen und heizen mächtig ein.
Wobei, warm ist es ja von selbst, was dieses Jahr besonders viele Zuschauer an die Umzugsstrecke lockt. In Reihen stehend verfolgen die kleinsten Zuschauer den Zug, bunt kostümiert als Pippi Langstrumpf, Clown, Bär oder Polizist. Erwachsene tragen farblich gewagte Perücken von neonpink bis lila-grün, spaßige Brillen, Teufelshörner und grelle Hüte, die auch als Malle-Kopfbedeckung durchgehen würden.
Zum Fürchten sehen die schaurigen Finsterwesen der Stoibruch Dämona aus Darmsheim aus, deren Augen von kleinen Lämpchen beleuchtet werden. Sie gehen raffiniert bei der „Opfersuche“ vor, nähern sich den Zuschauern von hinten und verwuscheln genau jenen die Frisur, die sich in der zweiten oder dritten Reihe verstecken wollen. Als hätten sie einmal das Gesicht in den feuchten Waldboden gedrückt, kleben auf den Masken der Rohrer Waldhexen geschnitzte Hagebutten, Tannenzapfen und Eicheln. Sie sind aktiv und treiben Schabernack mit den Zuschauern, ziehen Hüte und Mützen aus und verkehrt herum wieder auf. Mit „Hit the road, Jack“ rocken die verrückten Hühner aus Althütte die Straße. Die Musikbox ist unter einem „Hühner-Bollerwagen“ gut vor den Blicken verborgen, dafür zeigen die Hühner unter überdimensional großen Huhn-Schnäbeln ihre unmaskierten, gut gelaunten Gesichter.
„Schlafen tun wir zwischendurch“
Vor manchen Gruselmasken mit furchterregend gebleckten Zähnen, dunklen Augenhöhlen und heraushängender Zunge weichen die Kinder kurz zurück und verlassen den Sicherheitsabstand erst wieder, wenn das zottelige Wesen ein Bonbon dabeihat, seine Maske lupft und darunter sein lieb lächelndes Gesicht zeigt.
Sprichwörtliche Wölfe im Schafspelz sind die schwarzen Dämonen aus Herrenberg, die in ihren wolligen Kutten und den Wolfsmasken heute „fast ins Schwitzen“ kommen, wie Marissa und Alexandra sagen. „Stulpen, Kittel und Haare sind aus echter Schafwolle“, versichern sie. Nach sechs Tagen am Stück fühlen sie sich immer noch topfit und zeigen das auch: „Schlafen tun wir nur zwischendurch, das können wir dann ab Mittwoch wieder.“
Es bleibt närrisch
Es bleibt noch närrisch in der Stadt. Beim traditionellen Kinderfasching der 1. WFG im Bürgerzentrum ist am Faschingsdienstag ab 14.30 Uhr für Spiel und Spaß gesorgt; anschließend folgt die Wanderung vom Bürgerzentrum auf den Marktplatz zum Großen Hexenabtauchen der 1. WFG ab 18 Uhr.
Der Weg führt vom Marktplatz in einem Fackellauf übers Bädertörle zur Rems, wo sich die Rems-Hexen in die nassen Gefilde der Rems zurückziehen. Zum Faschingsausklang im Schlosskeller ist die Bevölkerung eingeladen.