Guido Wolf: Ein knitzer Mann aus Oberschwaben
Waiblingen. Ein Polarisierer ist er nicht: Der Mann weiß, die Welt ist kompliziert, es bringt nichts, sie zu vereinfachen; und manchmal hilft nur noch Humor. CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf zu Gast im Zeitungsverlags-Casino, im Gespräch mit Chefredakteur Frank Nipkau.
Er neigt nicht dazu, mit Patentrezepten um sich zu werfen, die sich leicht unter rauschendem Applaus ausstellen und nachher umso schwerer einlösen lassen; und er trägt seine Argumente bei aller Leidenschaft gelassen vor, bodenständig und mit Mutterwitz – mit anderen Worten: Guido Wolf hat ein doppeltes Problem.
Denn im Wahlkampf ist er eingeklemmt zwischen zwei schwierigen Gegnern: Da ist zum einen die AfD, die dauernd verführerisch einfache Brachiallösungen mit Krawumms auf den Tisch wuchtet – ein besonnener Mensch wie Wolf muss aufpassen, dass er im Vergleich nicht wirkt wie einer, der nicht weiß, wie Durchgreifen geht. Da ist zum anderen der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der eine landesväterliche Seelenruhe kultiviert, als habe er die Gabe der unideologischen Vernunft exklusiv für sich gepachtet und das Urheberrecht angemeldet auf das Prädikat gesunder Menschenverstand – einer wie Wolf, der über ganz ähnliche Tugenden verfügt, muss aufpassen, dass er daneben nicht aussieht wie die halbflügge Kopie.
Eines aber zeigt sich in diesen kurzweiligen anderthalb Stunden im Zeitungsverlag: Der Mann, der beim 20-Sekunden-Statement im Fernsehen nicht immer furios rüberkommt, beginnt zu glänzen, wenn er Zeit hat, sich zu entfalten: Dann entpuppt er sich als gewinnender Mensch, selbstironisch, differenziert; und schlagfertig, ohne verletzend zu werden. Wolfs Gesprächsstil ist, das darf man sagen: sympathisch. Falls ein Norddeutscher wissen wollte, was dieses komische schwäbische Wort „knitz“ bedeutet, bräuchte er bloß mit Wolf zu reden.
"Du musst nicht 58 Jahre regiert haben, um überheblich zu werden"
Beispielhaft eine Kostprobe – Regierungsschelte mit dem Florett: „Auch wir haben in 58 Jahren Fehler gemacht“, manche hätten 2011 der CDU „vielleicht zurecht attestiert“, sie sei „überheblich“ geworden. Nur: „Du musst nicht 58 Jahre regiert haben, um überheblich zu werden.“ Die berühmte „Politik des Gehörtwerdens“, für die sich Grün gern selber lobt? „Eine Politik der enttäuschten Erwartungen.“ Bildungspolitik? „Chaos“. Verkehrspolitik? „Stillstand“. Und in Sachen Wirtschaft habe Grün-Rot allenfalls „ordentlich verwaltet“ – ein elegant vergiftetes Lob.
Thema Glaubwürdigkeit: Kretschmann fordere jetzt vollmundig vom Bund, die Residenzpflicht für Asylbewerber wieder einzuführen, also das Verbot, sich innerhalb eines Bundeslandes frei zu bewegen. Derselbe Kretschmann aber habe 2014 beim Deal zwischen Bund und Ländern folgenden Kompromiss durchgesetzt: Er stimmte zu, dass die Westbalkanländer zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden; im Gegenzug musste die Bundesregierung – die Residenzpflicht abschaffen. „Es lohnt sich manchmal, etwas genauer hinzuschauen.“
An Fasnet in Riedlingen aber, sagt Wolf sei er mit Kretschmann per Du: Der „Anblick der aufgetischten Froschkutteln“ führe zwangsläufig zu Verbrüderungen.
Die Flüchtlingspolitik war das beherrschende Thema
Beherrschendes Thema des Abends: Flüchtlingspolitik. War es klug, dass Merkel den in Ungarn gestrandeten Menschen die Grenze öffnete? „Ich hab mir abgewöhnt, im Nachhinein den Klugscheißer zu geben.“ Die Entscheidung sei „aus der Situation heraus richtig“ gewesen, weil in Ungarn ein humanitäres Desaster drohte. Klar sei aber auch: „Wir brauchen eine nachhaltige Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Ein weiteres Jahr mit einer Million können wir nicht leisten.“
Das wäre der Moment, in dem die AfD-Konkurrenz „Schotten dicht“ rufen würde. Wolf sagt: Das Ziel bleibt eine „europäische Lösung“. Kurzfristig könne zwar eine nationale „Zwischenlösung“ nötig sein – während die AfD aber vom Stacheldraht träumt, macht’s Wolf eine Nummer kleiner: „stärkere Grenzkontrollen“; „kompromisslosere Registrierung“; „konsequentere Abschiebung“.
Man beobachtet das nach Veranstaltungen mit Wolf immer wieder: Die ihn zuvor schon kannten und schätzen, fühlen sich bestätigt; die ihn noch nicht kannten, sind angetan. Ist er kernig genug, um verhindern zu können, das frustrierte CDU-Traditionswähler zur AfD desertieren? Hat er genug Statur, um aus Kretschmanns massigem Schatten zu treten? Schwer zu sagen. Eins mag ihn trösten: Der aktuelle Landesvater galt noch unmittelbar vor der Wahl 2011 vielen als bräsig und aaarg langsam.
Unterschätzt zu werden, sagt Wolf, sei „mit das Beste“, was einem Politiker passieren könne. „Helmut Kohl wurde ein politisches Leben lang unterschätzt.“
Zur Person
Guido Wolf (54 Jahre alt, verheiratet, katholisch, geboren in Weingarten) war von 1996 bis 2002 Erster Bürgermeister in Nürtingen und von 2003 bis 2011 Landrat des Kreises Tuttlingen.
In den Landtag zog Wolf 2006 ein, im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen holte er 46 Prozent und damit das Direktmandat. Bei der Landtagswahl 2011 legte er mit 46,3 Prozent gegen den Landestrend – die CDU verlor 5,2 Prozentpunkte – leicht zu. Von Oktober 2011 bis Januar 2015 war Guido Wolf Landtagspräsident.
Ende 2014 gewann Wolf im Ringen um den Posten des CDU-Spitzenkandidaten die Parteimitglieder-Befragung gegen Thomas Strobl; Wolf erhielt 55,9 Prozent der Stimmen.