Junge Schwäne am Kultur-Ufer: Konzertreihe in schwieriger Zeit

Alex Thielert und Jan Sachsenmaier gehören zu einer der Berufsgruppen, die die Corona-Krise besonders hart getroffen hat: Die beiden jungen Männer sind Tontechniker. Seit mehreren Jahren sind sie nebenberuflich im Kulturhaus Schwanen tätig. Ihre Vision für Waiblingen ist es, Konzerte und Veranstaltungen für ein jüngeres Publikum als normalerweise üblich ins Schwanen-Programm mitaufzunehmen. Corona scheint ihren Plänen immer wieder einen Strich durch die Rechnung zu machen: Entmutigen lassen wollen sie sich davon aber nicht.
Ihre neue Konzertreihe „Kult!Ufer“ orientiert sich dabei grob am Waiblinger „Viel zu früh“-Festival“, das die beiden ebenfalls ins Leben gerufen haben. Von den Kontakten, die sie bei der Organisation des kleinen Open-Air-Festivals geknüpft hätten, kämen übers Jahr verteilt immer wieder Mails an die Schwanen-Adresse rein, mit Konzertangeboten und Ähnlichem. Hausleiter Cornelius Wandersleb leite das dann immer gleich weiter, erzählt Jan Sachsenmaier. Für das eher aus Leuten mittleren Alters bestehende typische Schwanen-Publikum sind diese Programm-Ideen nicht unbedingt geeignet.
Alles musste noch mal verschoben werden
Das soll sich aber ändern: Bereits Anfang Oktober hat das erste „Kult!Ufer“-Konzert stattgefunden: Zu Gast waren die Trip-Hop-Band „Atomic Lobster“ und das Akustikduo „Quiet Lane“. Eine bunte Programmmischung soll es auch weiterhin geben: „Das soll keine Reihe werden, die man gleich in eine Schublade steckt“, wünscht sich Alex Thielert.
Wegen des Teil-Lockdowns ist aus der zweiten Folge erst mal nichts geworden. Auch das diesjährige „Viel zu früh“-Festival, das aus dem Frühjahr in die erste Novemberwoche verlegt worden war – quasi als coronabedingtes „Viel zu spät“-Festival – ist bis aufs Erste erneut abgesagt. Eine Entwicklung, die die Organisatoren recht gelassen hinnehmen: „Das ist bei uns jetzt schon die Standard-E-Mail-Antwort auf alles: Wir verschieben es noch mal“, witzelt Alex Thielert. Immerhin kann er eigentlich immer davon ausgehen, bei den Künstlern auf Verständnis zu stoßen: „Wir sitzen alle im gleichen Boot, das ist ja kein lokales Problem.“
Tontechniker in Kurzarbeit
Seit einigen Tagen sind er und Jan Sachsenmaier demnach am Ideenschmieden, wie ihre Reihe auch ohne Publikum vor Ort irgendwie weitergehen könnte – ein Live-Stream wäre unter Umständen eine Option. Aber noch ist nichts beschlossen. Zeit zum Planen haben sie genug: Immerhin sind sie seit dem Frühjahr beide durchgehend in Kurzarbeit. Die zwei Tontechniker hoffen, dass sie vielleicht wenigstens das geplante Konzert zu Weihnachten wieder veranstalten dürfen. Das Weihnachts-Rockkonzert habe bei den jungen Waiblingern lange Tradition, normalerweise findet es in der Villa Roller statt, die an diesem Abend immer brechend voll sei – in Corona-Zeiten natürlich absolut keine Option.
Deshalb wollen Jan Sachsenmaier und Alex Thielert das Event in den Schwanen verlegen, weil dort mehr Platz ist – und zwar am besten nach draußen. Open air in der kalten und dunklen Jahreszeit: ein Konzept, das ihrer Meinung nach durchaus funktionieren könnte.
Draußen gibt es mehr Platz als innen im Saal, es könnten mehr Zuschauer kommen und die Ansteckungsgefahr wäre dadurch, dass alles an der frischen Luft passiert, sogar noch geringer. „Wir würden ein richtig sicheres Hygiene-Konzept für außen erarbeiten, statt spontan nach außen auszuweichen, wenn das Wetter gut ist“, erklärt Jan Sachsenmaier. Bei schlechtem Wetter könne das Konzert immer noch innen stattfinden, nach dem jeweils geltenden Hygiene-Konzept vom Schwanen mit entsprechend verminderter Teilnehmerzahl. Warum sie gerade jetzt ein neues Konzept auf die Beine stellen wollen, hat einen ganz einfachen Grund: Sie wollen dem Stillstand in ihrer Branche etwas entgegensetzen. „Was gemacht werden darf und kann, sollte auch stattfinden“, findet Alex Thielert.
Gift für die Branche: „Das fällt doch eh aus“
Er hat es in den vergangenen Wochen zwischen den beiden Lockdowns oft erlebt, dass bei den Veranstaltungen mit strikt beschränkter Besucherzahl und aufwendigst ausgearbeitetem Hygiene-Konzept trotzdem noch Plätze freigeblieben sind. Der Grund: „Die Leute denken: Es fällt doch sowieso alles aus.“ Für die Künstler und die Veranstalter, die momentan nach jedem Strohhalm greifen, ist diese Entwicklung schlimm.
„Im Moment warten wir ab, wie sich die Lage entwickelt“, sagt Jan Sachsenmaier. Aber falls es sich abzeichnet, dass im Dezember doch wieder Veranstaltungen stattfinden können, wollen er und sein Kollege der Stadt gerne ihr Corona-Konzept für draußen vorstellen. Darin sei wirklich an alles gedacht worden: von der Kontaktverfolgung über die Ticketkontrolle bis zum Lärmschutz für die Nachbargrundstücke. „Hygiene-Konzepte erstellen wir mittlerweile quasi aus dem FF“, sagt Alex Thielert. Die Veranstaltungsbranche sei schon vor Corona daran gewöhnt gewesen, strenge und immer neue Sicherheitsregeln zu befolgen, das fange ja schon beim Brandschutz an.
Die beiden Tontechniker glauben, dass es absolut möglich wäre, wirklich gute hygiene- Konzepte auszutüfteln, so, dass sich in den Konzerthäusern und Co. niemand mehr ansteckt. Deshalb wollen sie mit „Kult!Ufer“ am Start sein, sobald der Teil-Lockdown vorbei ist und Veranstaltungen in irgendeiner Form wieder machbar und erlaubt sind. „Solange man was machen darf, sind wir dabei“, findet Jan Sachsenmaier. „Wenn dann doch wieder abgesagt werden muss, sind wir die Ersten, die sich daran halten“, beteuert Alex Thielert. Im Moment können die beiden aber nur abwarten, wie sich die Situation entwickelt – und dabei wollen sie immer schön optimistisch bleiben: Alles andere bringe ja auch nichts.