Waiblingen

OB-Wahl Waiblingen: Fünf Gründe, warum es nur einen Kandidaten gibt

sebastianwolf
Sebastian Wolf wird Nachfolger von Andreas Hesky werden. © Büttner

Zunächst besteht Grund zur Erleichterung. Ja, es gibt einen seriösen Kandidaten, der nach zehn Jahren als Erster Bürgermeister in Ehingen die nötige Verwaltungserfahrung mitbringt. Von Konkurrenten, die nur auf Jux, Selbstprofilierung oder Krawall aus sind, bleibt Waiblingen verschont. Weder Fridi Miller noch Thomas Hornauer haben sich beworben. Weder gibt es 35 Kandidaten wie 2019 in Bad Herrenalb (Kreis Calw) noch acht Kandidaten wie 2021 in Schorndorf. So viele braucht auch kein Wähler und keine Wählerin. Drei oder vier hätten es aber im Sinne einer echten (Aus-)wahl schon sein dürfen.

Grund eins - Messlatte Hesky: Ein Grund könnte – ohne dass er etwas dafür könnte – Andreas Hesky selbst sein. „Einen zweiten Hesky kann man nicht backen“ - Sätze dieser Art hört dieser Tage öfter, wer politische Strippenzieher in der Stadt befragt. Der Amtsinhaber hat die Messlatte in 16 Jahren, in denen er sich mit staunenswertem Einsatz und unbestrittener Kompetenz für Waiblingen einsetzte, ziemlich hoch gehängt. Ob er will oder nicht, Sebastian Wolf wird mit ihm verglichen werden. Doch er wird seinen eigenen Stil finden müssen.

Grund zwei - die Arbeitszeit: Für Andreas Hesky schien die zeitliche Belastung des Oberbürgermeister-Berufs kein Problem zu sein. „Der Blick auf die Uhr war mir fremd“, sagt der scheidende Amtsinhaber rückblickend. 80 Wochenstunden waren bei ihm keine Seltenheit, auch für die Redaktion war er quasi immer zu erreichen. Die früheren Stationen als Bürgermeister mitgerechnet, sagt er augenzwinkernd: „Meine Frau und meine Familie warten seit fast drei Jahrzehnten auf mich.“ Jüngere Kolleginnen und Kollegen haben vielfach eine andere Dienstauffassung, aus verständlichen Gründen legen sie mehr Wert auf Work-Life-Balance, statt sich fürs Amt zu verausgaben. Ein Phänomen, das so ähnlich übrigens auch in der Ärzteschaft zu beobachten ist.

Grund drei - Bewerbermangel überhaupt: Der Faktor Zeit ist das eine, zudem ist ein Oberbürgermeister – oder in Gemeinden eben der Bürgermeister – der, der den Kopf in den Wind halten muss. Immer ansprechbar, immer mehr oder weniger im Dienst und sogar beim Einkauf auf dem Wochenmarkt niemals wirklich Privatperson. Mails mit Beschimpfungen und mitunter auch Shitstorms in den sozialen Medien gehören heutzutage leider dazu. Grundsätzlich gibt es Zeitgenossen, die die Stadt tendenziell für fast alles verantwortlich machen, auch wenn es sich ihrem Einfluss entzieht. Sei es für leerstehende Geschäfte in der Innenstadt, die dem Online-Handel nicht mehr standhalten konnten. Sei es für Corona, sei es für das Wetter beim Altstadtfest. Der Verband Baden-Würtembergischer Bürgermeister hat vor zwei Jahren in einer Studie untersucht, warum es bei Wahlen in den Kommunen immer häufiger zu Bewerbermangel kommt. Der sich verschärfende Ton in einem hitzigen gesellschaftlichen Klima spiele eine Rolle, zudem sei der Job einfach nicht familienfreundlich. Der Frauenanteil im Bürgermeisteramt liegt unter zehn Prozent. Immerhin für die Nachfolge der Ersten Bürgermeisterin Christiane Dürr gingen zwölf Bewerbungen ein – bezeichnenderweise handelt es sich hierbei eben nicht um den Posten ganz oben. Auch von diesen zwölf kamen nur zwei Bewerbungen von Frauen.

Grund vier - die Parteien: Bei der Vorstellung der Studie des Verbands Baden-Württembergischer Bürgermeister forderte dessen Vorsitzender Michael Makurath aus Ditzingen, die politischen Parteien müssten sich stärker darum kümmern, geeignete Bewerber aufzubauen. Für Waiblingen haben die CDU und die DFB/Freien Wähler zumindest aktiv gesucht und um Kandidaten geworben. In Sebastian Wolf fand sich eine geeignete Person, die über Verwaltungserfahrung verfügt, „frisch von außen“ kommt und gleichzeitig in Waiblingen verwurzelt ist. Das rot-grüne Lager hat dies nicht geschafft. Die SPD verhielt sich erst abwartend, hat aber laut Fraktionschef Roland Wied „alle Kanäle“ der Partei bemüht. Unter anderem gab es Gespräche mit einer vielversprechenden Kandidatin: „Die wäre gewählt worden.“ Aber letztlich winkte sie ab. „Wir haben gesucht, aber wir können leider keinen Kandidaten bestellen“, sagt Iris Förster von den Grünen. Und ALi-Chef Alfonso Fazio versichert, er habe keinen Gedanken daran verschwendet, mit 66 Jahren selbst anzutreten wie bei der Landtagswahl. Mit Wolf sei er „sehr zufrieden“. Luigi Pantisano, Stuttgarter Linker mit Waiblinger Wurzeln, hätte wohl das Zeug gehabt, Sebastian Wolf beim Wahlkampf ins Schwitzen zu bringen. Doch nach seinen Kandidaturen bei der OB-Wahl in Konstanz und für den Bundestag hatte er schon früh erklärt, sich erst einmal um kein Amt bewerben zu wollen.

Grund fünf- Sebastian Wolf: Ein Faktor ist der Kandidat Sebastian Wolf selbst, der offenbar einiges richtig gemacht hat. Vor der OB-Wahl in Schorndorf gab es keinen, der eine breite Anhängerschaft restlos überzeugen konnte. Wer später kam, konnte sich zumindest gefühlt noch Chancen ausrechnen. Sebastian Wolf in Waiblingen gab frühzeitig seine Bewerbung bekannt, wurde von starken Unterstützern aufs Schild gehoben und überzeugte. Wer von diesem Zeitpunkt an noch über eine Kandidatur nachdachte, musste eine Niederlage als realistische Möglichkeit zumindest einkalkulieren. Zugespitzt formuliert: Sebastian Wolfs starke Ansage könnte mögliche Bewerber abgeschreckt haben, die sich keine blutige Nase holen wollten.

Wie geht’s weiter? Einen „Wahlkampf“ im eigentlichen Sinn gibt es nicht, wohl aber will Sebastian Wolf weiter „Wahlwerbung“ machen, um eine gute Wahlbeteiligung zu erreichen. „Für mich ändert sich in den nächsten Wochen zunächst nicht viel.“ Ohnehin sei es nicht seine Intention gewesen, andere Kandidaten schlechtzumachen, sondern die Wählerinnen und Wähler von den eigenen Qualitäten zu überzeugen. Mit Vereinen und Unternehmen führe er viele Gespräche. Große Veranstaltungen können wegen der anlaufenden Omikron-Welle nicht stattfinden. Mit einer Postkarten-Aktion versuchte er, mit Bürgern in Austausch zu treten. Je nach Wetter wird er am Mittwoch und Samstag wieder auf dem Wochenmarkt sein.

Zunächst besteht Grund zur Erleichterung. Ja, es gibt einen seriösen Kandidaten, der nach zehn Jahren als Erster Bürgermeister in Ehingen die nötige Verwaltungserfahrung mitbringt. Von Konkurrenten, die nur auf Jux, Selbstprofilierung oder Krawall aus sind, bleibt Waiblingen verschont. Weder Fridi Miller noch Thomas Hornauer haben sich beworben. Weder gibt es 35 Kandidaten wie 2019 in Bad Herrenalb (Kreis Calw) noch acht Kandidaten wie 2021 in Schorndorf. So viele braucht auch kein Wähler

Alle Abos jederzeit kündbar:
ZVW+ MONATLICH
Erster Monat gratis, danach 6,99 €/mtl.
ZVW+ JÄHRLICH
Statt 83,88 € (Zwei Monate gratis)
ZVW+ JÄHRLICH mit ePaper
mit täglichem Zugriff zum ePaper