PV-Anlagen boomen in Waiblingen: Wie schnell rechnet sich ein Balkonkraftwerk?

Wer kein eigenes Haus mit großem Dach besitzt, auf das eine leistungsstarke Photovoltaik-Anlage passt, kann alternativ auf Balkonmodule setzen. Die Kleinkraftwerke sind ganz einfach im Baumarkt erhältlich und erleben derzeit einen richtigen Boom. Wie groß die Nachfrage in Waiblingen ist, spürte das Bündnis „Waiblingen klimaneutral“ bei mehreren Infoabenden, zu denen jeweils einige Hundert Besucher kamen. Inzwischen gibt es auch eine finanzielle Fördermöglichkeit durch die Stadt, die bereits gut nachgefragt wird.
Warum die Module noch interessanter geworden sind
Der gelernte Elektrotechniker Christoph Lösel hat sich schon früh eine kleine Anlage an seine Doppelhaushälfte installiert, die erste im Jahr 2020, ein Jahr später kam ein zweites Modul dazu. Seine Überzeugung: Balkonmodule lohnen sich für die Besitzer, die damit ihre Stromkosten senken können, und können einen Beitrag leisten im Kampf gegen den Klimawandel. Durch die gestiegenen Energiepreise, glaubt der 44-Jährige, sind die Module noch interessanter geworden – und nicht nur technisch Interessierte oder für die Leute, die aus klimapolitischer Überzeugung handeln. Anfang 2022 waren bundesweit 250 000 Mini-PV-Anlagen in Betrieb. Ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahr um 47 Prozent. Das war wohlgemerkt noch vor Putins Überfall auf die Ukraine.
PV-Module sogar aus dem Baumarkt oder Discounter
Eine Anlage mit 600 Watt ist mit Wechselrichter, Anschlusskabel und Montagematerial nach seinen Erfahrungen für 600 bis 700 Euro zu bekommen. „Neulich wurden sogar welche im Discounter angeboten.“ Diskutiert wird derzeit in Fachkreisen, ob ein Schuko-Stecker genügt oder ein Wielandstecker vorzuziehen ist, der zusätzlichen Berührungsschutz liefert, falls der Wechselrichter defekt ist. Die Stadtwerke verlangen Wielandstecker – und dieser ist auch Voraussetzung bei der Aufnahme in die städtische Förderung. Die installierte Wechselrichter-Nennleistung hinter dem Übergabezähler darf maximal 600 Watt betragen.
Eigener Strom „geerntet“ wird nur, wenn er sofort verbraucht wird
Bei Christoph Lösel hat ein 300-Watt-Modul an einem Wechselrichter im Lauf des Jahres 2022 270 Kilowattstunden Strom erzeugt. Dies mal zwei. Als vierköpfige Familie verbrauchen die Lösels insgesamt knapp 3000 Kilowattstunden. Natürlich ist nicht alles, was die Anlage erzeugt, unmittelbar eine Ersparnis. Das ist nämlich nur der Fall, wenn der Strom im selben Moment auch verbraucht wird. Wird er bei voller Mittagssonne nicht genutzt, fließt er als Überschuss ins Netz. Eine Mini-PV-Anlage ist ans Netz gebunden – anders als eine autarke Insel-PV-Anlage auf dem Gartenhaus oder als Notstromversorgung.
Die Anlagen rechnen sich relativ schnell
Wer mit zwei Modulen wie die Bittenfelder Familie zumindest die Hälfte des erzeugten Stroms tatsächlich nutzt, kann im Jahr effektiv 300 Kilowattstunden ernten. Multipliziert mit einem angenommenen Preis von 40 Cent, spart die Anlage jährlich 120 Euro – sie amortisiert sich also nach einigen Jahren. Die Module seien langlebig, von mehr als 25 Jahren sei auszugehen. Die Wechselrichter böten Herstellergarantien von oftmals zwölf Jahren und könnten danach ausgetauscht werden. Ein Standardmaß für die Module 1,77 Meter auf 1,11 Meter, beim Gewicht ist mit etwa 20 Kilo zu rechnen.
Betreiber wird Strommarkt-Akteur
Wer eine Balkonanlage in Betrieb nimmt, wird quasi zum Akteur auf dem Strommarkt und muss sich sowohl beim Marktstammdatenregister wie beim Strom-Grundversorger anmelden. Mieter benötigen zwingend das Einverständnis des Vermieters, in Wohnungseigentümergemeinschaften ist bei baulichen Veränderungen eine Mehrheit in der Eigentümerversammlung nötig.
Die Abteilung Umwelt der Stadt fördert Balkonanlagen mit 100 Euro, wobei als soziale Komponente bei Vorlage von Wohngeldbescheid, Bürgergeldbescheid oder Grundsicherungsbescheid auch 200 Euro ausbezahlt werden.
Obwohl seit Jahrzehnten ein Vorkämpfer für Photovoltaik, sieht ALi-Stadtrat Alfonso Fazio die Mini-Anlagen skeptisch, zumal sie oft nicht nach optimaler Effizienz installiert seien und der Ressourceneinsatz zur Herstellung der Module daher fragwürdig sei. Nach Meinung von Christoph Lösel zählt bei der regenerativen Energieerzeugung „jede Kilowattstunde“.