Rückkehr des Guten in der Musik
Waiblingen. Für das Ausleben einer Midlife-Krise hat Thomas Vuk keine Zeit. Es gibt auch keinen Grund. Er bekommt im Job genug Kicks. Vuk leitet das Kulturamt der Stadt Waiblingen und könnte sich, wenn er wollte, ein Programm auf den Leib schneidern. Längst geht er im kleinen Heimstudio wieder einer alten Beschäftigung nach: dem Musikmachen. Da war ja auch was, einst.
Auf Youtube ist ein neues Arbeitsergebnis zu sehen. Der Künstler firmiert als Tom Vuk, das Video ist die Frucht einer Kollaboration zwischen Sohn Jakob und dem Vater. Saucool, diese Ästhetik. Lichtblitze durchzucken den Liedvortrag. Da paarte sich aufs Schönste, dass zu der Zeit gerade in der Galerie Stihl eine Lichtkünstlerin aus allen Rohren ballert: mit Scheinwerfern. Und Thomas Vuk, im Hauptberuf Kulturamtsleiter, performt sein Werk „I will always love you in my own crazy way“. Im Untertitel wird Gemeinschaft hergestellt: „Viele Grüße an Deine Welt“. Er singt in „verletzlicher Mann“ anzeigender Stimm-Befindlichkeit von alten Briefen, in denen er wühlt. Da wundert sich einer selber – „aus welchem Leben sind die bloß“. So, als ob er 25 Jahre zu spät noch seinen Junggesellenabschied feiern müsste, schickt er den alten Zeiten einen Gruß hintendrein: „Ich wünsch dir alles Gute, mein Leben. Kannst du mir nochmals verzeihen.“ Na klar. Ein Abgesang, der so abgeklärt daherkommt, ohne Gegreine und Früher-war-alles-schöner, so aufgehoben in der aktuellen Moderne, erträgt man diesen Flashback. Und findet schnell Gefallen daran.
So cool war man in den 90er Jahren nicht. Da haben ein Thomas Vuk als Texter und Schlagzeuger, dann noch Peter Vuk, der Bruder, am Mikro und Bass sowie Rolf Gentner, Michael Och und Mike Lindauer, zusammen als Dramagold sich angeschickt, eine große bundesdeutsche Nummer zu werden. Angesiedelt bei Rosenstolz oder Poems vor Laila. Produziert in Berlin von Sven Regener, Haupt von Element of Crime. „Die Heiligsprechung des Alltags“ erschien in Stuttgart bei Deshima. Und alle waren ganz stolz drauf, dass die CD-Hülle dem Käufer Öko-Schick in die Hand gab. Hanf war das Material, das sich aber beim besten Willen nicht rauchen ließ.
Der Schelm im Texter
Thomas Vuk, der zu der Zeit in Konstanz amerikanische Literatur und Geschichte studierte, hat viel komponiert für diese Scheibe, aber vor allem getextet. 1995 war’s. Der Politikberater Francis Fukuyama hatte das Ende der Geschichte ausgerufen, die Blöcke in West und Ost sind geschmolzen. Die realen Eisblöcke tauen aber auch stark auf. Da kommt es der neuen deutschen Jugend, soweit bewusstseinsmäßig auf der Höhe der Zeit, in den Sinn, nach sich zu schauen. Auf den eigenen Nabel zu blicken, wie die Zeitgeistkritiker gleich zuspitzten. Eine neue Romantik wurde ausgerufen. Der es gefiel zu dichten, ausweislich eines Vukschen Textes auf der Scheibe: „Wenn ich heut noch mal die Wahl hätt zwischen Freiheit oder Glück, würd ich mich wohl entscheiden für das größere Stück mit viel Sahne drauf“. Untermalt durch einen halborchestralen Liedermacher-Sound, der einen so richtig ins Stück reinlegen ließ. Aber der Schelm im Texter, und das macht eben auch diese Platte heute noch gut aushaltbar, zeigt sich im Refrain: „Ich hab gelacht, als ich ging an dem Morgen im September. Es hat mir nichts gemacht.“ Wie auch das Stück „Heute Nacht“ eine tolle Wendung hat. Da wird erst großmäulig angekündigt, „wir geben heut’ der Obrigkeit den Rest“. Um dann den Schauplatz preiszugeben: eine Bar. Die Revolte besteht darin, mit leeren Flaschen auf alles zu werfen, was sich bewegt.
Musikalische Globalisierung
Thomas Vuk ist heute diese ironische Brechung wichtig. Fürwahr, man kann sie finden. Und auch, dass die Band sehr schnell vom Bauchnabel wegkam und in der Welt tourte. In Afrika hat sie an vielen Orten mit lokalen Musikern gejammt, so was wie Feldforschung betrieben. An der „musikalischen Globalisierung“, wie er es nennt, da waren sie wirklich nahe dran. Bis es dann ans Familie-Gründen ging. Ausstieg und doch Wiedereinstieg. Jetzt als Kulturermöglicher, in Ulm, in Waiblingen. Und dies dann mit dem Anspruch, das herzuholen, was weiter draußen in der Welt gemacht und gedacht wird. In der Musik, im Theater. Für den 50-Jährigen schließt sich da permanent ein Lebenskreis. Wer kann das schon von sich sagen?
Thomas Vuk hält das eigene, wieder aufgelegte Werk nochmals in die Kamera. Bild: Palmizi