Waiblingen

Radschnellwege nach Fellbach und Ludwigsburg: Konflikte mit Landwirten und Anwohnern befürchtet

Radschnellweg
Der Radschnellweg RS 1 in Mülheim an der Ruhr. © Jochen Tack/Picture Alliance

Radschnellwege, auf denen Radler Vorrang haben, schnell und ungestört von Autos und Fußgängern fast kreuzungsfrei von A nach B fahren: Bisher hört sich das noch nach Zukunftsmusik an, doch schon in wenigen Jahren wird diese neue Art von Verkehrswegen richtig konkret: 2023 oder 2024 könnten die ersten Abschnitte der Radschnellwege von Ludwigsburg nach Waiblingen sowie von Fellbach nach Schorndorf gebaut werden. Bis dahin könnten Planung und Bürgerbeteiligung durchaus noch konfliktreich werden, denn die Trassen werden wahrscheinlich durch Wohngebiete und über Landwirtschaftswege führen.

Den exakten Streckenverlauf festzulegen wird Aufgabe einer langwierigen Planung sein. Bevorzugte Trassen für die Verbindungen Ludwigsburg-Waiblingen und Fellbach-Schorndorf hat die Stabsstelle Radwege beim Landratsamt inzwischen ermittelt. So soll der „RS 8“ (Radschnellweg) unter anderem im Hegnacher Hartweg durch ein Wohngebiet führen und im Anschluss über Feldwege westlich von Hegnach. Den Waiblinger Bahnhof erreichen die Radler aus Richtung Ludwigsburg letztlich über die Straße „Ameisenbühl“ am Bahndamm der Murrbahn (S 3), die morgens und mittags rege von den Schülern des Berufschulzentrums genutzt wird.


Durch den Ameisenbühl zum Waiblinger Bahnhof

Landwirtschaft und Radler sollen sich die ausgebaute Strecke über die Felder teilen. Konfliktpotenzial scheint vorhanden: „Bei der Zuckerrüben-Ernte ist die Straße bis zu zehn Stunden blockiert“, sagt Volker Escher, Landwirt und Stadtrat. „Außerdem verlieren wir mit unseren Maschinen Dreck auf der Fahrbahn, das lässt sich gar nicht vermeiden.“ Schon jetzt komme es während der Ernte zu gefährlichen Situationen, nicht zuletzt, weil E-Bikes „unnatürlich schnell“ unterwegs seien. Gelöst werden solche Konflikte wie auf anderen Straßen durch entsprechende Warnschilder und gegebenenfalls mit zeitweisen Umleitungen. Radfahrer müssten auf bestimmten Abschnitten mit landwirtschaftlichem Verkehr rechnen und ihre Fahrweise anpassen. „Ein Haftungsproblem für Landwirte gibt es nicht“, sagt Stefan Hein, Leiter der Stabsstelle Radwege.

Zwar sähen manche Fraktionen im Gemeinderat alles „rosarot“, wenn es um Fahrräder gehe, meint CDU-Stadtrat Michael Stumpp. Dennoch müssten auch die Interessen von Anwohnern und Fußgängern abgewogen werden. Eine Trassenführung durch Hegnacher Wohngebiete könne er sich nicht vorstellen.

"Weitgehend kreuzungsfrei"

Die Definition „Konzept von Radschnellwegen“ sieht vor, dass Radler „weitgehend kreuzungsfrei“ fahren können. Erlaubt sind Knotenpunkte mit minimalen Wartezeiten. Wo das nicht einzuhalten ist, müssen Brücken und Unterführungen gebaut werden. Für Fußgänger gibt es separate Streifen, damit sich Spaziergänger und Rad-Pendler nicht in die Quere kommen. Aber: Die Fahrbahn auf Abschnitten wie der Straße „Ameisenbühl“ bleibt nicht dem Radverkehr allein vorbehalten. „Mischnutzung“ ist vorgesehen, was bedeutet, dass weiter auch Autos fahren dürfen. Sowohl Feldwege als auch Wohnstraßen müssen aus- und umgebaut werden. Die Radler-Fahrbahn muss mindestens vier Meter breit sein. Bis zu 87,5 Prozent der Kosten für Planung und Bau übernehmen der Bund und das Land Baden-Württemberg. Rund 31 Millionen Euro würde der 14,6 Kilometer lange Radschnellweg von Ludwigsburg über Neckargröningen nach Waiblingen kosten. Das Potenzial wird auf 2100 Radfahrer täglich geschätzt. Sogar 2800 am Tag könnten es auf dem „RS 5“ von Fellbach nach Schorndorf sein. Er wäre 22 Kilometer lang und würde rund 32 Millionen Euro kosten. Laut Machbarkeitsstudien soll der Nutzen dieser neuen Infrastruktur mit Faktor 1,9 (RS 8) beziehungsweise 2,4 (RS 5) höher liegen als die Kosten. Einkalkuliert sind Klimaschutz, Entlastung des Straßenverkehrs und Gesundheit der Berufspendler, die vom Auto aufs Rad umsteigen.

Im Gegensatz zur Ludwigsburger Verbindung streift der Radschnellweg von Fellbach nach Schorndorf die Waiblinger Gemarkung nur. Bevorzugt wird eine Trasse südlich der Bundesstraße, weil der Ausbau nördlich in Konflikt mit dem Gewässerschutz geraten würde. Ob die Trasse an der Bundesstraße entlangführt oder durchs Gewerbegebiet, entscheidet die Gemeinde Kernen.

Idee: Radwege-Querverbindung durch die Innenstadt

Für Waiblingen wird im Zusammenhang mit dem Ausbau die vielleicht größte Herausforderung, das örtliche Radwegenetz mit dem überörtlichen Radschnellwegenetz zu verknüpfen. Die Radler aus Richtung Fellbach oder Schorndorf sollen günstige Anschlüsse zur Stadtmitte finden – dafür müssen wiederum innerorts Straßen entsprechend ausgebaut werden. „Eine entscheidende Rolle wird dabei nach meiner Überzeugung der Stuttgarter Straße zukommen“, sagt Baubürgermeister Dieter Schienmann. Sinnvoll wäre aus Sicht von „Agtif“-Stadträtin Iris Förster eine Querverbindung zwischen den beiden „ökologisch sinnvollen“ Radschnellwegen. Prädestiniert dafür sei die Fronackerstraße – für diese drängt die Fraktion ohnehin auf Verkehrsberuhigung, um den Autoverkehr zurückzudrängen.

Der Gemeinderat wird Ende Oktober entscheiden, ob er grünes Licht für die weiteren Planungen gibt. Dass diese noch Jahre dauern, stört Urs Abelein (SPD) kaum: „Das geht auf jeden Fall schneller als der Nordostring.“

Radschnellwege, auf denen Radler Vorrang haben, schnell und ungestört von Autos und Fußgängern fast kreuzungsfrei von A nach B fahren: Bisher hört sich das noch nach Zukunftsmusik an, doch schon in wenigen Jahren wird diese neue Art von Verkehrswegen richtig konkret: 2023 oder 2024 könnten die ersten Abschnitte der Radschnellwege von Ludwigsburg nach Waiblingen sowie von Fellbach nach Schorndorf gebaut werden. Bis dahin könnten Planung und Bürgerbeteiligung durchaus noch konfliktreich

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