Wie Bauern die Ernte in der Corona-Krise stemmen

Waiblingen.
Sonne satt und warme Temperaturen: „Jetzt geht es auf den Feldern richtig los“, sagt Daniel Schmid. In diesem Jahr betrachtet er das Wachstum von Obst und Gemüse jedoch auch mit Sorge. Auf zwölf Hektar baut der Landwirt Grünspargel an, auf 15 bis 18 Hektar Erdbeeren, auf weiteren vier Hektar wachsen Himbeeren. Um diese Flächen zu pflegen und abzuernten arbeiten in der Hauptsaison von Mai bis Juli normalerweise 80 bis 85 Personen bei ihm. Zurzeit ernten 18 Leute Grünspargel. Das ist die Mannschaft, die Schmid fest das ganze Jahr über beschäftigt. Die zehn zusätzlichen Helfer, die sonst Anfang April auf dem Hof eintreffen, durften bisher wegen der Coronavirus-Verordnung nicht einreisen. Bis vor wenigen Tagen sah Schmid schwarz für seine Erdbeeren: Ohne die Erntehelfer aus Rumänien, von denen die meisten jedes Jahr nach Waiblingen-Beinstein kommen, würden die roten Früchte auf den Feldern vergammeln.
Die Nachricht, dass in diesem und im kommenden Monat jeweils 40 000 Erntehelfer aus Osteuropa doch nach Deutschland einreisen dürfen, war seine Rettung. In gut einer Woche erwartet Daniel Schmid rund 20 Erntehelfer aus Rumänien, später sollen noch einmal etwa ebenso viele kommen. Es ist höchste Zeit: „Am Wochenende beginnen die ersten Erdbeeren, sich zu färben, und dann geht es schnell bis zur Reife.“
60 statt 85 Personen müssen die Ernte stemmen
Es stehen anstrengende Wochen und Monate bevor: Circa 60 statt 80 bis 85 Personen müssen die Ernte stemmen. Denn nicht alle Helfer wollen kommen: „Viele haben Angst, in dieser gesundheitsbedenklichen Lage zu reisen und ihre Familien allein zu lassen“, sagt Daniel Schmid. Er muss nun nicht nur mit weniger Mitarbeitern zurechtkommen, sondern hat organisatorischen und bürokratischen Mehraufwand: „Für jeden Mitarbeiter sind zusätzliche Dokumente nötig, etwa eine Bestätigung darüber, dass die Person auf meinem Hof arbeitet und wohnt.“ Außerdem muss Schmid seine Helfer in Gruppen einteilen: Neu ankommende Erntehelfer dürfen 14 Tage lang keinen Kontakt zu anderen Mitarbeitern haben. Auch auf dem Hof gilt: Abstand halten. „Wir haben zum Glück genug Platz, um beispielsweise ausreichend Abstand zwischen den Betten einhalten zu können.“
In einer neuen, großen Küche können die Erntehelfer in Gruppen und Etappen nacheinander mittagessen, um Kontakte zu vermeiden. „Für mehr Hygiene in der Küche werden wir außerdem erstmals einen Caterer beauftragen“, sagt Daniel Schmid.
Verschärfte Hygieneregeln wird es auch auf den Feldern geben, wo beispielsweise mobile Waschbecken häufiges und gründliches Händewaschen ermöglichen.
Landwirt sieht Einsatz von unerfahrenen Helfern kritisch
Die meisten seiner Waiblinger Kollegen müssen sich im Moment noch nicht mit dem Problem beschäftigen, dass weniger Helfer kommen: „Für mich sind fehlende Mitarbeiter kein Thema, da ich die Ernte schon immer anders organisiere“, sagt Volker Escher, Stadtrat und Obmann der Waiblinger Bauern. Je nachdem, wie sich die Corona-Situation weiter entwickle, könnte sich die Frage nach Erntehelfern in einigen Wochen aber für manche Landwirte stellen. Die Kartoffelernte beispielsweise beginnt im Juni.
Ob Spargel, Erdbeeren oder andere Feldfrüchte: Die Landesregierung setzt auf Flüchtlinge, die in der Corona-Krise verstärkt bei der Ernte eingesetzt werden und damit zum Teil die fehlenden Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa ersetzen sollen. Es gebe rund 68 000 Flüchtlinge mit einem Schutzstatus, die im Land bleiben und arbeiten dürfen.
Auch die Agrar-Gewerkschaft IG Bau befürchtet, dass die Saisonkräfte, die wegen der Corona-Pandemie nur bedingt einreisen dürfen, nicht ausreichen, um eine reibungslose Ernte zu garantieren. Die IG Bau ruft zur „Ernte-Solidarität“ auf: „Wer aus dem Rems-Murr-Kreis zupacken kann, sollte das jetzt tun. Es ist die Chance, Geld nebenbei zu verdienen und die Zeit sinnvoll zu investieren“, sagt der Bezirks-Chef Mike Paul. Dabei gehe es nicht nur um die Ernte. Es sei auch die Zeit fürs Pflanzen und Säen.
Daniel Schmid sieht den Einsatz von Flüchtlingen und unerfahrenen Helfern kritisch, auch wenn er sich über Solidarität freut: „Nicht jeder hält die harte körperliche Arbeit auf dem Feld aus“, gibt der Landwirt zu bedenken. Außerdem will richtiges Ernten gelernt sein: Die Erdbeersorte Lambada zum Beispiel ist so weich und empfindlich, dass man viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl braucht. „Dafür schmeckt sie genial“, sagt Daniel Schmid.
Info
Wer sich aus dem Rems-Murr-Kreis als Pflanz- oder Erntehelfer bewerben möchte, findet Jobs unter www.agrarjobboerse.de. Stellenangebote gibt es auch auf dem Internet-Portal „Das Land hilft“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums: www.das-land-hilft.de.