Baubeschluss trotz Kritik: Weinstadt baut Hallenbad für 16,6 Millionen Euro

Sechs Bahnen, Sprungbretter, Lehrschwimmbecken, Kleinkindbereich, alles barrierefrei, viel eigener Solarstrom, sehr hoher Energie-Effizienzstandard - aber eben auch viel Beton, Metall und nicht klimaneutral. Das Funktionshallenbad, das ab diesem Sommer am Bildungszentrum in Weinstadt gebaut wird, hat viel zu bieten, kostet aber eben auch stolze 16,6 Millionen Euro. Und auch der Betrieb wird nicht billig werden. Kurz bevor der Gemeinderat den Baubeschluss am Donnerstag, 2. März, mit großer Mehrheit gefasst hat, haben einige Stadträte deshalb doch noch Bedenken geäußert.
Kritik an Wassernutzung und Energiekonzept
So positiv das Gesamturteil über die Planungen des "Geising und Böker"-Architektenbüros aus Hamburg bei der Vorberatung vor zwei Wochen im Betriebsausschuss fraktionsübergreifend ausfiel, so kam auch die Kritik in letzter Sekunde aus allen Fraktionen. Manche Einwände von manchen Stadträten fielen aus, wie zu erwarten war: „Ich habe einen Einwand: dass mir das Wasser- und Energiekonzept nicht gefällt“, wandte Wolf-Dieter Forster (SPD) ein. Geologie und insbesondere Heil- und Mineralwasservorkommen unter Weinstadt sind sein Spezialgebiet. Dass beim neuen Hallenbad nun doch Trinkwasser und ein Blockheizkraftwerk zum Einsatz kommen werden, gefiel ihm gar nicht.
Stadtwerke und Planerteam argumentierten, die Nutzung von Mineralwasser und Geothermie sei von einem Expertenteam geprüft worden und schlicht nicht wirtschaftlich. Es sei aber möglich, so eine Bohrung in der Zukunft noch vorzunehmen, so Stadtwerke-Chef Thomas Meier.
Zu erwartende Kritik kam auch von Friedrich Dippon (CDU), Zimmerbaumeister: wieso so viel klimaschädlicher Beton, wieso kein Recycle-Beton, wieso nicht mehr Holz im oberen Aufbau? Heute üblicher Recycle-Beton sei für ein Schwimmbad nicht geeignet, erklärte Architekt Eshref Bajrami. Das Material in den Becken muss wasserdicht sein und soll viele Jahrzehnte halten, ohne zu verschleißen. Das könne Recycle-Beton zum jetzigen Stand der Technik schlicht noch nicht leisten. Mit Holz zu bauen sei natürlich möglich - dadurch würde sich der aber mit 16,6 Millionen Euro ohnehin schon große preisliche Rahmen noch deutlich vergrößern, so der Architekt.
Mineralbad "Cabrio": Macht die Stadt noch einmal den gleichen Fehler?
Dem CDU- Stadtrat machen aber noch ganz andere Dinge Sorgen: Vieles an den Plänen, wie zum Beispiel die Gründung unter dem Gebäude, erinnern ihn an das inzwischen zur teuren Beton-Ruine verkommene Mineralbad „Cabrio“. Er befürchte, dass hier „genau das gleiche Bad am anderen Standort“ gebaut werde - „mit ein bisschen mehr Dämmung“.
Auch widerspricht das eben nicht klimaneutrale Bauwerk, das zumindest für die erste Zeit ein Blockheizkraftwerk aufweisen muss, seiner Auffassung nach dem Ziel der Stadt, bis 2035 CO2-neutral zu werden. Er sehe hier eine Doppelmoral und es sei zu befürchten, dass die jungen Weinstädter sich im Eingangsbereich des neuen Bades festkleben würden, statt darin schwimmen zu gehen. Eine Ausgleichsmaßnahme müsse her, dringend, „mit dem Beschluss heute, sonst bin ich dagegen“.
Dem Vorwurf, das neue Funktionshallenbad sei ein zweites „Cabrio“, nur etwas neuer, widersprachen Stadt und Planerteam entschieden. Die beiden Projekte könne man gar nicht vergleichen. Und das Blockheizkraftwerk sei eben zum jetzigen Zeitpunkt so vorgeschrieben, könne aber unkompliziert durch einen Tausch der Aggregate durch eine Wärmepumpe ersetzt werden. Was sich nicht so einfach aus der Welt argumentieren ließ, war der Preis von 16,6 Millionen Euro. Selbst, wenn man die drei Millionen Förderung vom Bund abzieht, bleibt das eine ordentliche Hausnummer.
Ist so ein Bauprojekt noch zeitgemäß?
So ein Bauprojekt jetzt anzugehen, wo Ende 2022 der Weinstädter Kämmerer noch gewarnt hatte, den Fuß vom Gas zu nehmen - damit konnten sich manche Mitglieder des Gremiums bis zuletzt nicht anfreunden. Die Pläne seien sehr schön, das Bad bestimmt eine tolle Sache, fand Larissa Hubschneider (Grüne): „Ich kann dem Bau trotzdem nicht zustimmen.“ Das Funktionshallenbad komme Weinstadt einfach zu teuer zu stehen, im Bau und später auch im Betrieb. „Die Stadt hat so viele Pflichtaufgaben“, erinnerte die Stadträtin.
Es brauche Kitas, neue Schulgebäude, ein neues Feuerwehrhaus muss her - nur um einige der für die nähere Zukunft geplanten Großprojekte zu nennen. Es gebe jetzt schon einen Sanierungsstau, zudem findet Hubschneider die Energiebilanz des künftigen KfW40-Gebäudes zu schlecht. „Kann sich Weinstadt das bei all den ausstehenden Aufgaben noch leisten? Ich sage: Nein.“
„Ich kriege das Gefühl nicht los, dass es einfach nicht mehr die Zeit ist, ein Bad zu bauen“, fand Anette Rebmann (Grüne). Ihr kommt es vor, als handle es sich dabei in Zeiten von Energie- und Klimakrise und Krieg in Europa um ein ziemliches Luxusprojekt. „Unter den Gesichtspunkten kann ich nicht zustimmen“, fand auch Jens Häcker (Freie Wähler).
„Etwas verwundert bin ich schon, dass dem Gremium so kurz vor der Zielgeraden der Mut ausgeht“, appellierte Volker Gaupp (CDU) an seine Ratskollegen. Schließlich dürfe man nicht vergessen: Investitionen seien wichtig. Und die verbleibenden Bäder in Weinstadt mehr als marode. „Wir haben keine Alternative“, brachte es der Stadtrat zum Baubeschluss auf den Punkt.