„Click and Meet“: Eine Chance für den Einzelhandel oder nur Corona-Symbolpolitik?

„Click & Meet“ heißt das neue Konzept, das dem Einzelhandel in der Corona-Krise Luft verschaffen soll. Online wird ein Termin vereinbart, die Beratung findet dann im Laden statt – für maximal einen Haushalt mit Maske und Abstand. Ab 8. März könnte „Click & Meet“ auch in Baden-Württemberg möglich sein. Wer das Einkaufserlebnis in der Ortsmitte vermisst, dürfte sich darüber freuen. Manche Einzelhändler stehen dem offen gegenüber, andere lehnen das Konzept ab. Einkaufsstraßen-Sprecher Christian Hartmann spricht gar von einer politischen „Nebelkerze“.
Winfried Kretschmann hat sich für „Click & Meet“ ausgesprochen
Eigentlich sollte sich Christian Hartmann doch über Kundenkontakt freuen! Sein Geschäft „Mode am Markt“ in Endersbach hat seit Mitte Dezember komplett geschlossen. Vielen seiner Kollegen geht es genauso. In Weinstadt wächst die Angst vor Insolvenzen. Unermüdlich übt Christian Hartmann deshalb Kritik an der Corona-Politik.
Ist da „Click & Meet“ nicht ein Schritt in die richtige Richtung? In Rheinland-Pfalz wird das Einkaufen nach Termin schon seit 1. März von Möbelhäusern, Juwelieren, aber auch Mode- und Schuhgeschäften angeboten. Und auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich dafür ausgesprochen. Es ist wahrscheinlich, dass Geschäfte hierzulande von kommender Woche an wieder vor Ort Kunden beraten dürfen.
Christian Hartmann glaubt nicht, dass das Konzept funktioniert
Doch Christian Hartmann winkt ab: „Jeder, mit dem ich in der Modebranche spreche, sagt, das ist eine Katastrophe.“
Zum einen, sagt Christian Hartmann, könne bei „Click & Meet“ von entspanntem Einkaufen keine Rede sein: Seine Kundinnen müssten pünktlich zum vereinbarten Termin im Laden sein und hätten womöglich nur ein knappes Zeitkontingent zur Verfügung, auch weil vermutlich nach jedem Einkauf Lüften und Desinfizieren vorgeschrieben würden. Mit spontanem Bummel und zwanglosem Anprobieren habe das nichts zu tun. In Rheinland-Pfalz sei sogar die Benutzung der Umkleidekabine verboten. Und die Hälfte seines Umsatzes mache er in aller Regel sowieso mit „Spontankäufen“, die bei „Click & Meet“ komplett wegfallen. Der Unternehmer glaubt also, dass das Konzept für die Kunden nicht hält, was es verspricht. Hinzu kommt: „Das ist für uns betriebswirtschaftlicher Selbstmord.“
Rechnung des Modehändlers: „In der Summe steht da ein Minus“
Der Modehändler rechnet vor: Weil er im Februar mehr als 70 Prozent Umsatzeinbußen hatte, bekommt er („hoffentlich irgendwann“) 90 Prozent seiner Fixkosten erstattet. „Wenn ich Click & Meet einführe, mache ich vielleicht statt 28 Prozent wieder 48 Prozent meines regulären Umsatzes, muss aber Mitarbeiter aus der Kurzarbeit holen und kriege nur noch 60 Prozent der Fixkosten erstattet. In der Summe steht da ein Minus und kein Plus.“ Das Einzige, was helfen würde, sagt Hartmann, sei eine Öffnung, „meinetwegen mit Quadratmeterbegrenzung“. Doch die ist aktuell erst in Sicht, wenn die Inzidenz dauerhaft unter 35 liegt – oder wenn massenhaftes Testen möglich ist, wie Ministerpräsident Kretschmann am Dienstag sagte.
Juwelierinnen Soni und Margarete Bachschmidt: „Click & Meet“ wäre „vorteilhaft“
Ist „Click & Meet“ also eine „Nebelkerze“, wie Christian Hartmann sagt – nichts als „reine Symbolpolitik“? Die Schwestern Soni und Margarete Bachschmidt, die in Endersbach ein Schmuckgeschäft betreiben, schlagen für ihre Branche ganz andere Töne an. Ihrer ersten Einschätzung nach trifft „Click & Meet“ genau den Nerv ihrer Kundinnen und Kunden: „Viele haben angefragt für ein Beratungsgespräch. Das konnten wir bislang nicht machen“, sagt Soni Bachschmidt. Wenn sich tatsächlich ab kommender Woche die Möglichkeit dafür ergeben würde, „das wäre für uns vorteilhaft“.
Denn das bisher mögliche „Click & Collect“ habe die Geschäfte kaum in Schwung gebracht. „Wir haben in dieser Zeit im Prinzip nichts verkauft“, sagt Soni Bachschmidt. Viel Mühe machten Sie sich derweil mit kontaktlosen Serviceleistungen. „Wenn das Schmuckstück kaputt ist oder der Uhr die Batterie fehlt“, erklärt Soni Bachschmidt, dürfen Kunden ihnen das gute Stück in den Briefkasten werfen. „Wenn es fertig ist, rufe ich an, dann dürfen die Kunden es an der Haustür abholen.“ Das funktioniere ganz gut, sei aber mit großem Aufwand verbunden, auch weil an der Tür, anders als drinnen an der Kasse, aktuell mangels entsprechenden Geräts keine Kartenzahlung möglich sei. Auch dieses Problem wäre durch das neue „Click & Meet“ gelöst.
Trotzdem hoffen auch Bachschmidts, ihr Geschäft bald wieder regulär öffnen zu dürfen. Sie wolle nicht klagen, sagt Soni Bachschmidt, aber schön wäre es schon, mal wieder Umsatz zu machen, nachdem auch das Weihnachtsgeschäft weggefallen sei. Aktuell leben sie und ihre Schwestern von den Rücklagen, die sie erwirtschaftet haben.