Weinstadt

Ehrenamt Jugendschöffe: Rektorin aus Weinstadt erzählt, was sie daran begeistert

Dalferth Schöffin
Christine Dalferth ist seit fast 20 Jahren Schöffin im Gericht. © Gabriel Habermann

Es ist fast zwanzig Jahre her, dass Christine Dalferth als Jugendschöffin am Landgericht in Stuttgart vorgeschlagen wurde. Wer sie damals empfahl, weiß sie zwar immer noch nicht genau, doch seither arbeitet Dalferth als ehrenamtliche Laienrichterin und berichtet: „Es ist sehr interessant. Man bekommt einen anderen Blick auf die Gesellschaft.“

Hauptberuflich Rektorin der Vollmarschule in Weinstadt

Fünf Jahre dauert eine Amtszeit als Schöffe oder Jugendschöffe. Für bis zu zwölf Verhandlungen pro Jahr können Laienrichter herangezogen werden. Absagen sind nur im Notfall und mit einer guten Begründung möglich. „Selbst bei einem gebuchten Urlaub wird geprüft, ob man im Zweifel für den Verhandlungstag anreisen kann“, sagt Dalferth. Das sei auch richtig so, denn: „Es ist ein sehr wichtiges Ehrenamt und eben auch eine Bürgerpflicht, der man sich unterordnen muss.“

Hauptberuflich arbeitet die dreifache Mutter als Rektorin der Vollmarschule in Weinstadt. Zudem wurde sie 2022 zur geschäftsführenden Schulleiterin der Weinstädter Schulen gewählt. „Das Schöffenamt ist eine Ehre für mich, aber es ist natürlich auch eine Herausforderung. Die Tätigkeit kann ich nur ausführen, weil meine Kollegen mich unterstützen“, erklärt Dalferth. Mit einer guten Planung sei das aber machbar. Schließlich seien die Gerichtstermine rechtzeitig vorher bekannt. Am 31.12.2023 endet die aktuelle Schöffen-Periode, für Dalferth ist aber klar, dass sie weitermachen möchte.

Schöffen können sich bis 4. Mai bewerben

Für die nächste Schöffen-Periode von Anfang 2024 bis Ende 2028 werden noch Bürger für diese ehrenamtliche Tätigkeit als Laienrichter, wie man Schöffen oft nennt, gesucht. Die Bewerbungsfrist für die Jugendschöffen-Wahl im Rems-Murr-Kreis endet am 4. Mai 2023, Ende Mai erfolgt dann die Auswahl der Kandidaten.

Als Schöffe sei man für jeweils ein Jahr einem gleichbleibenden weiteren Schöffen per Losverfahren zugeteilt. "Die Stimmen der Jugendschöffen oder des Richters bei der Urteilsfindung vor Gericht zählen alle gleich, eine Stimmenthaltung ist nicht möglich", erzählt Christine Dalferth.  Vor der Verhandlung setze man sich mit dem zuständigen Berufsrichter und der Staatsanwaltschaft zusammen, um einen kurzen inhaltlichen Überblick über den Gegenstand der Verhandlung zu erhalten. "Da geht es dann ganz sachlich darum, worum geht es im Verfahren? Welches Strafmaß von bis kommt infrage? Welche Beweismittel gibt es?", berichtet Dalferth. 

Die Zusammenarbeit zwischen Richtern und Schöffen

Die Arbeit habe sie bereichert und auch sensibilisiert. "Ich habe einen anderen Blick bekommen, auch in meinem Alltag als Schuldirektorin", sagt sie. Oft habe es Brüche und Wendungen im Leben der späteren Angeklagten gegeben, bevor diese Straftaten begangen hätten.  Durch die Erfahrungen vor Gericht habe sie einen schärferen, aber auch objektiveren Blick bekommen und frage sich häufiger, wo und wie man eine Entwicklung positiv beeinflussen könne. „Ich schaue auch in meinem pädagogischen Alltag genauer hin und spreche Entwicklungen im Zweifel offener und früher an“, berichtet Dalferth.

Zudem habe sie selbst sehr viel Wertschätzung für ihre Tätigkeit als Schöffin erfahren, sei es im Beratungszimmer oder auch, wenn Richter und Schöffen mal gemeinsam mittagessen gingen. „Da gibt es keine Hierarchie, hier oben sind die Richter und unten befinden sich wir Schöffen, weil wir ja Laien sind. Man respektiert sich gegenseitig und ist bestrebt, ein neutrales, faires und einvernehmliches Urteil zu finden“, sagt sie. Für die Urteilsfindung würden unglaublich viele Aspekte berücksichtigt und sie sei inzwischen von der Arbeit der Gerichte überzeugt.

Was am Jugendgericht alles beachtet wird

Besonders beim Jugendgericht schaue man sehr genau hin und prüfe, was ein Strafmaß für einen Angeklagten bedeute. "Spielt Sucht eine Rolle? Hat der Angeklagte gegebenenfalls die Möglichkeit, im Strafvollzug einen Schulabschluss oder eine Ausbildung zu machen, wie ist die Sozialprognose, aber auch - ist die Strafe angemessen für die jeweilige Straftat - all das spielt mit eine Rolle", erzählt Dalferth. Zudem gelte es selbstverständlich in erster Linie, neutral und objektiv zu bleiben - unabhängig von persönlichen Emotionen oder Vorerfahrungen.

Gerade in dieser Hinsicht sei sie beeindruckt vom Richteramt. "Es ist unglaublich, wie strukturiert und klar Richter denken und Gespräche führen können, wie sie durch Fragetechniken Wahrheiten ans Licht bringen und Grenzen ziehen", etwa wenn sich ein Angeklagter durch flapsige Kommentare aus der Affäre ziehen wolle oder dem Gericht keinen Respekt zolle. "Das ist schon eine sehr besondere Atmosphäre im Gericht, besonders im Landgericht Stuttgart, das macht auch etwas mit dem Angeklagten", sagt sie. Und ja, das Schöffenamt sei wichtig, eine Bürgerpflicht, damit Urteile wirklich im "Sinne des Volkes" getroffen werden und das Volk durch unterschiedliche Gesellschafts- und Altersstufen im Schöffenamt respektiert werde.  

Welche Aufgabe haben Jugendschöffen? 

Bei einer Gerichtsverhandlung werden zwei Jugendschöffen an die Seite eines Richters gestellt, je nach Schwere der Straftat können auch mehr Berufsrichter eingesetzt werden. Die beiden Jugendschöffen können eine Mehrheit beim Richterspruch bilden. Sie sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Juristische Kenntnisse sind für das Amt nicht erforderlich. Eine gesundheitliche Eignung sollte jedoch vorliegen, die langes Sitzen während der Verhandlungstage ermöglicht.

Wer kann sich für das Jugendschöffenamt bewerben?

Jugendschöffen müssen zu Beginn der Amtsperiode am 1. Januar 2024 zwischen 25 und 69 Jahre alt sein. Nur wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (Artikel 116 des Grundgesetzes), gut Deutsch spricht, im Rems-Murr-Kreis (für das Amtsgericht Waiblingen) wohnt und nicht vorbestraft ist, ist wählbar. Das Jugendschöffenamt verlangt eine absolut unparteiliche und vorurteilsfreie Haltung, Kommunikationsfähigkeit, Menschenkenntnis, Einfühlungs- und Urteilsvermögen. Jugendschöffen sollen möglichst über Erfahrung in der Jugenderziehung verfügen. Nicht nur Personen aus pädagogischen Berufsfeldern bringen diese Kompetenz mit, sondern beispielsweise auch Personen, die junge Menschen ausbilden oder in der Jugendarbeit eines Sportvereins tätig sind.

Wer wird von der Schöffenwahl ausgeschlossen? 

Wer zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wurde, ist von der Wahl ausgeschlossen. Das gilt auch für Bewerberinnen und Bewerber, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen einer schweren Straftat läuft. Auch Personen, die hauptamtlich in oder für die Justiz tätig sind (Richter, Rechtsanwälte, Polizeivollzugsbeamte, Bewährungshelfer, Strafvollzugsbedienstete und so weiter), oder Religionsdiener sollen nicht zu Schöffen gewählt werden.

Wird die Arbeit bezahlt?

Für ihre Tätigkeit erhalten Jugendschöffen kein Entgelt, jedoch eine Entschädigung für Zeitaufwand und Fahrtkosten.

Es ist fast zwanzig Jahre her, dass Christine Dalferth als Jugendschöffin am Landgericht in Stuttgart vorgeschlagen wurde. Wer sie damals empfahl, weiß sie zwar immer noch nicht genau, doch seither arbeitet Dalferth als ehrenamtliche Laienrichterin und berichtet: „Es ist sehr interessant. Man bekommt einen anderen Blick auf die Gesellschaft.“

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Fünf Jahre dauert eine Amtszeit als Schöffe oder Jugendschöffe. Für bis zu zwölf

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