Weinstadt

Hinter den Kulissen des Tafelladens

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Schokoladennikoläuse sind Schokolade – und werden deshalb auch nach Weihnachten noch verkauft. Inge Heck (Ladenleitung, links im Bild), Joachim Michelbach (stellvertretender Vorsitzender) und Ulrike Reil (Ladenleitung) sind da einer Meinung. © Büttner / ZVW
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Im Vorbereitungsraum herrscht kurz vor der Ladenöffnung Hochbetrieb: Die Ehrenamtlichen bereiten die Lebensmittel für den Verkauf vor. © Benjamin Büttner

Weinstadt. Morgens halb zehn in Weinstadt: Während andere Frühstückspause machen, geht es im Tafelladen hoch her. Zahnbürsten, Shampoo und Haarspray werden ins Regal geräumt, Fenchel wird geputzt, süße Stückchen in der Auslage drapiert. Alles soll bereit sein, wenn die ersten Kunden kommen.

Joachim Michelbach steht in einem kleinen Zimmer, in der Mitte ein Tisch mit Stühlen, an den Wänden Bilder. Stolz zeigt er auf eine Collage: „Das war vor zehn Jahren, da haben wir hier mit nichts angefangen“, berichtet er. Michelbach ist der stellvertretende Vorsitzende der Tafel Weinstadt und außerdem deren Mitbegründer. Innerhalb eines Vierteljahres, erinnert er sich, haben die Ehrenamtlichen damals „aus dem Chaos einen Laden gemacht“. Die Bilder zeigen Handwerker, die Trennwände einziehen, Fenster einsetzen, Wände streichen – alles ohne Bezahlung. Nebenan stehen Aktenschränke, ein Schreibtisch und ein Computer. „Das ist unser Büro“, erklärt Michelbach. „Hier werden die Kunden erfasst.“ Denn jeder darf nur einmal täglich einkaufen, das ist in der Satzung so geregelt. Geregelt ist auch die Menge an Waren, die an die Kunden abgegeben werden dürfen. Große Haushalte dürfen mehr kaufen, kleine Haushalte weniger – eine Vorsichtsmaßnahme, damit nicht im großen Stil ein- und dann weiterverkauft wird, erklärt Michelbach. Dass das hier in Weinstadt passieren würde, glaubt er zwar nicht – man kennt sich –, aber es gebe schließlich überall schwarze Schafe.

Das läuft gut: Drogerieartikel und Haushaltswaren

Das Büro ist über einen Gang mit dem Verkaufsraum verbunden, ein hellgrüner Vorhang – die Farbe der Tafel Weinstadt – trennt den Laden ab. Auf dem Gang herrscht unterdessen rege Betriebsamkeit. Kisten mit frischem Gemüse werden in den Vorbereitungsraum geschoben, wo sortiert wird, was noch verkauft werden kann und was in den Abfall wandert. Ulrike Reil, eine der beiden Ladenleiterinnen, packt gerade Zahnbürsten aus einer Kiste aus. Sie sind von einem Drogeriemarkt gespendet worden. „Drogerieartikel und Haushaltswaren, das läuft immer sehr gut“, sagt sie und trägt eine Kiste hinüber in den Verkaufsraum.

In dem kleinen Warteraum vor dem Ladeneingang sitzen bereits die ersten Kunden. Sie haben Nummern gezogen, wie auf dem Amt. Immer sieben Kunden auf einmal dürfen in den Laden. „Mehr Einkaufswagen haben wir nicht“, erklärt Michelbach. Wer hier einkaufen darf, bezieht Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz. Auch Haushalte, die Wohngeld beziehen oder ein geringes Einkommen haben, sind zum Einkauf berechtigt. Die Preise im Tafelladen liegen bei etwa 30 Prozent dessen, was sonst fällig würde, Lebensmittel kosten nur etwa zehn bis 15 Prozent. „Das macht es natürlich schon leichter, eine Familie zu ernähren“, sagt Michelbach.

Allerdings muss, wer beim Tafelladen einkauft, auch Einschränkungen hinnehmen. So hat die Tafel zum Beispiel kaum Einfluss auf ihr Sortiment: Die meisten Produkte werden gespendet, von Unternehmen oder Privatpersonen. „Wir verkaufen das, was eben da ist“, erklärt Michelbach. Manchmal sind das Kisten voller Billigshampoo, manchmal aber auch Feinkost oder Paletten voller Joghurt. Was in anderen Tafelläden ein Problem wäre, ist in Weinstadt keins. Weil in den Räumen früher ein Lebensmittelgeschäft untergebracht war, gibt es einen Kühlraum. Der wird mit Hilfe eines umgebauten Aggregats aus der gespendeten Bäckereitheke – dem „Schmuckstück“ des Ladens, wie Michelbach findet – gekühlt. „Das ist für uns ein Riesenvorteil, so können wir eben auch frische Lebensmittel länger lagern“, sagt er.

Auch bei der Tafel landet manches im Müll

Allerdings sei die Lagerfläche insgesamt schon knapp und manchmal müssten deshalb auch Sachen weggeworfen werden. Was sich auch nach Monaten gar nicht verkauft, landet irgendwann im Müll. „Das Problem ist, dass wir nichts verschenken dürfen und uns auch an die vorgegebenen Verkaufsmengen pro Haushalt halten müssen“, erläutert Michelbach. Besonders bitter stößt ihm auf, dass regelmäßig auch Backwaren und frisches Gemüse in den Abfall wandern: etwa ein bis zwei große Mülltonnen täglich. „Das tut mir richtig weh.“

Die Ehrenamtlichen sind motiviert

Dennoch, seine Motivation bleibt. Denn im Tafelladen gebe es immer etwas zu organisieren. „Und ich organisiere einfach leidenschaftlich gerne Dinge“, ergänzt Michelbach. Gerade zum Beispiel, da haben die Räume neue Fenster bekommen, automatisch zu öffnen und zu schließen – alles auf Spendenbasis. Die Abwechslung ist es auch, die für Inge Heck den Reiz an der Arbeit für die Tafel ausmacht. „Was ist so vielseitig wie ein Tafelladen und so überraschend?“, fragt sie. Kein Tag sei wie der andere, da komme schon mal morgens ein Anruf: „In Waiblingen steht Joghurt, das muss abgeholt werden.“ Das heiße Improvisieren. Dann muss sie schon wieder weiter. Paletten voller Milchreis werden angeliefert, die müssen gekühlt, mit Preisen ausgezeichnet und in den Verkauf gebracht werden.

Auch im Vorbereitungsraum herrscht Hektik. Fenchel wird geputzt, Champignons werden gerade sortiert, Kisten mit Spargel warten noch darauf. Hanna Bochterle hilft hier seit zweieinhalb Jahren ehrenamtlich. Es mache einfach Spaß, die Stimmung sei gut und es sei für eine gute Sache. „Stressig ist es immer nur in Momenten, wenn viel auf einmal kommt“, berichtet sie. Jetzt gerade zum Beispiel, da ist viel zu tun. Denn um zehn Uhr, wenn sich die Tür öffnet und die Kunden in den Laden strömen, dann soll alles bereit sein.


Herausforderungen

Die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die am 25. Mai in Kraft tritt, ist mit viel Umstellungsarbeit verbunden. Das ist eine Hürde für die insgesamt 82 Ehrenamtlichen des Tafelvereins.

„Aber wir haben bisher noch alles geschafft“, sagt Joachim Michelbach. Zum Beispiel mussten vor einiger Zeit wegen des Arbeitsschutzes Sicherheitsschuhe für alle 26 Fahrer angeschafft werden. Ärgerlich finde er nur: „Da geht dann schönes Spendengeld dafür drauf, das woanders besser investiert wäre.“