Lärmschutz in Weinstadt: Anwohner fordern Tempo 30 für Ortsdurchfahrt Beutelsbach

Seit Jahren empfehlen Lärmschutz-Experten, das Tempolimit auf der Beutelsbacher Ortsdurchfahrt auf 30 km/h zu drosseln. Bislang hat sich dafür in Weinstadt keine politische Mehrheit gefunden. Jetzt erheben die Anwohner der Stuttgarter Straße ihre Stimme: Rund 250 Bürgerinnen und Bürger fordern die Stadtverwaltung auf, Tempo 30 endlich einzuführen – und den Plan für eine Umgehungsstraße wieder aus der Schublade zu holen.
Schlafen bei geöffnetem Fenster? Auch im Hochsommer ist das nicht drin
Thomas und Veronika Schaal schlafen auch im Hochsommer nur bei geschlossenem Fenster. Denn poltert nachts ein Lastwagen die Beutelsbacher Ortsdurchfahrt entlang oder ein Motorradfahrer treibt die Drehzahl nach oben, ist es den Eheleuten, als fielen ihnen gleich die Tassen aus dem Schrank. Tagsüber dann hält sich von morgens bis abends ein konstanter, zermürbender Lärmpegel.
Schaals wohnen mit ihrem neun Monate alten Sohn Silas direkt an der Stuttgarter Straße. Als der Großvater von Thomas Schaal das Haus gebaut hat, war die Stuttgarter Straße noch ein besserer Weg. Wo heute die Häuser gegenüber stehen, lagen damals Felder und Wiesen. „Wir sind nicht an die Straße gezogen, die Straße ist zu uns gezogen“, sagt der 41-jährige Familienvater. Und der Verkehr wird immer mehr.
250 Unterschriften gesammelt und beim Bauamt abgegeben
Dass Lärm krank macht und Stress verursacht, ist mittlerweile Allgemeinwissen. Thomas Schaal sagt: „In Zeiten, in denen man nicht super ausgeglichen ist, spürt man die volle Belastung.“ Er und seine Frau haben kürzlich neue Fenster der Schallschutzklasse 5 einbauen lassen. Die 15.000 Euro waren es ihnen wert. Gelöst ist ihr Problem und das von Hunderten anderen Anwohnern damit freilich nicht.
Deshalb sind sie und ihr Nachbar Thorsten Müller, der einige Meter weiter wohnt, aktiv geworden. Sie haben 250 Unterschriften von Anwohnern in der Stuttgarter Straße, Schurwaldstraße und der parallel verlaufenden Ulrichstraße gesammelt und gemeinsam eine Stellungnahme zum aktuellen Lärmaktionsplan der Stadt Weinstadt abgegeben. Der Tenor vieler Gespräche, die sie in der Nachbarschaft geführt haben: „Tempo 30 ist längst überfällig!“
Tempo 30 würde die Zahl der Betroffenen stark reduzieren
Zur Erinnerung: Im Juli hatte das von der Stadt beauftragte Ingenieurbüro Bernard den Entwurf des aktuellen Lärmaktionsplans für Weinstadt im Gemeinderat vorgelegt. Darin enthalten: die klare Empfehlung, das Tempo in der Stuttgarter Straße von 50 auf 30 zu reduzieren. Rund 170 Menschen seien dort einem Geräuschpegel von mehr als 65 db(A) ausgesetzt. Das ist der gesundheitsrelevante Schwellenwert. Bei Tempo 30 wären es nur noch 110 Menschen. Noch drastischer wäre der Rückgang der Menschen, die sogar „sehr hohen Lärmbelastungen“ von 70 dB(A) ausgesetzt sind. Deren Zahl würde bei Tempo 30 von 33 auf sieben Betroffene sinken.
Oberbürgermeister Michael Scharmann spricht sich für Tempo 30 aus
Bis vor wenigen Tagen hatten Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, eine Stellungnahme zu diesem Lärmaktionsplan abzugeben. Das haben Thomas Schaal und die 250 Mitstreiter gemeinsam getan. Das Ingenieurbüro Bernard lässt die Einwendungen und Anregungen jetzt in den Lärmaktionsplan einfließen, dann wird dieser erneut im Gemeinderat diskutiert. Die gewählten Weinstädter entscheiden letztlich darüber, welche Maßnahmen umgesetzt werden.
Vor sechs Jahren, als schon einmal über Tempo 30 auf der Ortsdurchfahrt abgestimmt wurde, ist die Maßnahme vom Gremium abgelehnt worden. Stehen die Chancen dieses Mal besser?
Den Weinstädter Oberbürgermeister Michael Scharmann haben die Anwohner in Beutelsbach jedenfalls auf ihrer Seite: „Das sollte man auf jeden Fall machen“, sagt der OB auf Anfrage, „ich werde das unterstützen.“ Die Stuttgarter Straße sei unbestritten einer der Lärmschwerpunkte in Weinstadt.
Fußgänger fühlen sich hier unwohl
Für Veronika und Thomas Schaal hätte die Temporeduzierung noch einen weiteren positiven Effekt: Die Straße wäre für Fußgänger, insbesondere Kinder, nicht mehr so gefährlich. Die 35-Jährige denkt an ihren Sohn Silas, der irgendwann laufen lernen wird: „Was, wenn er auf die Straße rennt?“ Ein Autofahrer, der vielleicht 40 km/h in der 30er-Zone fährt, könne eher noch rechtzeitig bremsen als ein Autofahrer, der aktuell mit 60 bis 70 km/h durch den Ort rauscht, wenn sich freie Fahrt bietet.
Wer als Fußgänger schon mal in der Stuttgarter Straße unterwegs war, wird festgestellt haben: Wohl fühlt man sich nicht, insbesondere an den Engstellen, an denen Autos und Lastwagen wirklich haarscharf an einem vorbeizischen. Anwohner Thorsten Müller sagt: „Den meisten ist es egal, dass du hier bloß 50 fahren darfst.“
Oder doch eine Umgehungsstraße? Scharmann: „Aktuell nicht realistisch“
Die liebste Lösung wäre den Anwohnern in Beutelsbach deshalb eine Umgehungsstraße. Sie könnte außerhalb der Bebauung im Südwesten von Beutelsbach verlaufen und soll, wenn es nach den 250 Unterzeichnern des Schreibens an die Stadt geht, „zeitnah realisiert werden“.
Die Idee für eine solche Straße gibt es tatsächlich schon seit Jahrzehnten. Werden die Pläne etwa in naher Zukunft wieder aus der Schublade geholt? OB Scharmann sagt: „Wir müssen aber auch ehrlich zueinander sein: Eine Umgehungsstraße wäre wünschenswert – sie zu bauen ist aber angesichts der Fülle an Aufgaben in den nächsten Jahren nicht realistisch.“ Allein die entsprechenden Grundstücke entlang der Trasse zu erwerben, wäre laut Scharmann ein Projekt für viele Jahre. Wichtig sei jedoch, "die mögliche Trassenführung bei künftigen Projekten zu berücksichtigen, um sich für die Zukunft keine Möglichkeiten zu verbauen".