Remstal-Radschnellweg RS 5: Einzelhändler in Weinstadt bangen um ihre Kundschaft

Rund ein Jahr später als in den meisten benachbarten Kommunen wie zum Beispiel Remshalden, Kernen oder Waiblingen ist Ende April auch in Weinstadt die Entscheidung für die Trassenführung des Remstal-Radschnellwegs RS 5 gefallen.
Vorläufig. Denn die Stadt Weinstadt hat sich eine Ausstiegsklausel eingebaut. Das bedeute aber nicht, dass sich die Planung der Radschnellstraße im Abschnitt Weinstadt zusätzlich verzögere, verteidigen Oberbürgermeister Michael Scharmann und Thomas Deißler, Baubürgermeister, diese Entscheidung.
Planung in Weinstadt besonders komplex
Wenn es um den Radschnellweg gehe, lasse sich der Abschnitt Weinstadt nämlich nicht einfach mit dem der Nachbarkommunen vergleichen, betont der Oberbürgermeister.
Während die Trassenvarianten in den meisten anderen Ortschaften entweder im Außenbereich oder am Ortsrand verlaufen, sei in Endersbach eben die „Hauptschlagader“ als Streckenführung angedacht: Die Schorndorfer Straße binde nämlich nicht nur alle Weinstädter an die beiden B-29-Auffahrten an, sondern bringe auch sämtliche Einkäufer zu den Geschäften.
Erste Erkenntnisse vom integrierten Mobilitätsentwicklungsplan fließen mit ein
Deswegen sei die Planung dafür in Weinstadt komplexer gewesen als in anderen Gemeinden und habe auch entsprechend etwas länger gedauert, so Scharmann.
In den jetzigen Planungsstand seien auch schon Erkenntnisse aus dem integrierten Mobilitätskonzept, an dem die Stadt ebenfalls arbeitet, eingeflossen: Beide Projekte werden nämlich zufällig vom gleichen Planungsbüro betreut – auch wenn die Planung für den RS 5 beim Landkreis angesiedelt ist.
Kommt der Radschnellweg Einkäufern in die Quere?
„Wir sind ein Einkaufsstandort, kein Industriestandort“, so Scharmann. Gerade in Endersbach kaufen laut Stadt längst nicht nur die Weinstädter ein, sondern auch viele Tausend Menschen aus den umliegenden Gemeinden wie Remshalden oder auch Kernen. Und diese kommen immer noch größtenteils mit dem Auto – und benutzen für die Anfahrt eben genau diese Strecke, an der entlang nach aktuellem Planungsstand zukünftig der Radschnellweg von Schorndorf in Richtung Fellbach verlaufen soll.
Deshalb müsse auch klar sein, dass die Interessen der Kunden und auch der ansässigen Einzelhändler im Ernstfall in Weinstadt etwas höhere Priorität hätten als die Stadt nur auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad durchquerende Pendler, so der Oberbürgermeister.
Endersbacher VWU spricht sich klar gegen Süd-Trasse aus
Die Endersbacher Einzelhändler haben währenddessen eine ziemlich klare Meinung zur Trassenführung durch die Schorndorfer Straße.
In einer an die Stadtverwaltung und den Gemeinderat adressierten Stellungnahme spricht sich die Vereinigung der Weinstädter Unternehmer (VWU) unter dem Vorsitz von Mode-am-Markt-Geschäftsführer Christian Hartmann entschieden gegen diese Trassenvariante aus: „Die vom Gemeinderat präferierte Lösung über die Schorndorfer Straße ist aus unserer Sicht aber falsch und schwächt den Standort Endersbach in der gesamten Länge der Schorndorfer Straße, samt den Gebieten Kalkofen und Einkaufsstraße Endersbach“, so die VWU.
Händler sehen schwarz bei 2000 Radfahrern
„Durch den geplanten Radschnellweg über die Schorndorfer Straße stellen Sie Endersbacher Unternehmen ins Abseits und schwächen so die Zentralitätskennziffer Weinstadts massiv.“
Zwar seien sie als Einzelhändler grundsätzlich nicht gegen den Radschnellweg, nur eben bitte nicht hier auf dem Anfahrtsweg zu ihren Geschäften und Unternehmen. „Man braucht kein Verkehrsgutachten, um die Folgen von circa 2000 Radfahrern pro Tag an dieser Stelle und über alle Kreisverkehre hinweg abschätzen zu können“, kritisiert die Stellungnahme weiter.
Kommen Kunden mit dem Lastenfahrrad zum Einkaufen?
Der Automobilverkehr würde dadurch massiv beeinträchtigt werden, glauben die Händler. Sie rechnen mit langen Rückstauungen und Wartezeiten für die Autofahrer. Und diese Autofahrer sind für die VWU in erster Linie eines: Kunden. Für den Umsatz der Weinstädter Geschäfte spielen Radfahrer demnach nur eine untergeordnete Rolle: „Es ist und bleibt aus unserer Sicht eine Illusion, dass Menschen ihre Einkäufe zukünftig alle per Lastenfahrrad tätigen.“
Die Erreichbarkeit der Geschäfte mit dem Auto sei fast genauso entscheidend wie das eigentliche Angebot. Die Endersbacher Händler fordern, die vorerst schon beschlossene südliche Trassenführung entlang der Schorndorfer Straße nicht weiter zu planen, sondern stattdessen die von den Freien Wählern vorgeschlagene „Alternative Gewerbegebiet“ wieder ins Auge zu fassen und dann sogar an die eigentlich vom Gemeinderat verworfene Variante Nord anzuknüpfen.
Kreisverkehre und Cannon-Kreuzung: Es gibt noch viele Unklarheiten
Doch auch wenn der Stadt Weinstadt der lokale Einzelhandel und die mit dem Auto anfahrenden Kunden sehr wichtig sind: Vorerst wird mit der Süd-Trasse die Planung zum Radschnellweg 5 fortgeführt. Es seien einfach noch zu viele Unbekannte im Spiel, um eine endgültige Entscheidung für die Trasse oder im Ernstfall auch gegen die Trasse zu fällen, erklärt der Erste Bürgermeister Thomas Deißler.
Immerhin sei die Planung noch nicht einmal so weit gediehen, dass feststeht, ob der Radschnellweg die drei kritischen Kreuzungspunkte an der Cannon-Kreuzung, dem Kreisverkehr beim Modepark Röther und vor allem am Kreisverkehr zwischen Kalkofen und Viadukt gemeinsam mit dem Autoverkehr, auf einer Radspur oder separat mit Hilfe einer Unter- oder Überführung passieren soll. Auch die im weiteren Verfahren vom Landratsamt geplante Online-Bürgerbeteiligung steht noch aus.
Ausstiegsklausel hin oder her: Wenn sich im weiteren Verlauf der Planung zeige, dass der Radschnellweg an dieser Stelle nicht funktioniere, müsse man so oder so noch einmal umplanen, so Deißler.