Weinstadt

Streit um Bebauungsplan für Halde V

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Ein Luftbild von Weinstadt-Endersbach: Das Neubaugebiet Halde V. © Laura Edenberger
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Baubürgermeister Deißler wird vorgeworfen, die Veröffentlichung des beschlossenen Bebauungsplans fürs Baugebiet Halde V hinauszuzögern.
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Bernd Klopfer

Weinstadt. Hat Baubürgermeister Deißler das Recht, den Bebauungsplan für die Halde V auch mehr als vier Monate nach dem Gemeinderatsbeschluss immer noch nicht zu veröffentlichen? CDU-Fraktionschef Witzlinger, selbst Jurist, sagt Nein, ebenso Professor Pautsch von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen. Rückendeckung gibt’s vom Regierungspräsidium.



Deißlers Fehler

Kommentar von Bernd Klopfer

Es ist nicht klug, eine Auseinandersetzung hinauszuzögern. Simon Hayler hat mehrfach angekündigt, dass er nach Veröffentlichung des Bebauungsplans für die Halde V gegen die Stadt juristisch vorgehen will – und zwar mit einer Normenkontrollklage beim Verwaltungsgerichtshof. Denkt Baubürgermeister Deißler, er kann hinter den Kulissen noch einen Kompromiss erzielen?

In der Gemeinderatssitzung im September 2018 hat Deißler selbstbewusst verkündet, dass das Risiko einer juristischen Niederlage klein sei. Jetzt sollte er zeigen, dass das nicht nur leere Worte waren – denn die Zeit drängt. In der Halde V müssen Grundstücke verkauft werden, es gibt dafür einen Wettbewerb mit einem engen Zeitplan. Am 16. August ist Abgabeschluss für die Angebotsunterlagen durch die Bietergemeinschaften. Je früher ein Rechtsstreit vor Gericht entschieden wird, umso besser für alle. So gesehen hat die Stadt schon vier wertvolle Monate verloren.

Zudem hat Deißler durch sein Manöver dem Ansehen der Stadt geschadet. Wenn ein unabhängiger Fachmann wie Professor Arne Pautsch von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg zu dem Schluss kommt, dass ein drohendes Normenkontrollverfahren kein Hinauszögern der Veröffentlichung des Bebauungsplans rechtfertigt, sollte das zu denken geben. Selbst das Regierungspräsidium sagt, dass es nur dann kein Problem sieht, solange der Gemeinderat das Hinauszögern toleriert. Ulrich Witzlinger, immerhin Chef der stärksten Fraktion im Gemeinderat, tut genau das nicht. Deißler sollte seinen Fehler bald korrigieren – besser spät als nie.


Simon Hayler will per Normenkontrollklage beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gegen den Bebauungsplan fürs Wohngebiet Halde V vorgehen. Umsetzen kann er das aber erst, sobald die Stadt Weinstadt den Bebauungsplan fürs Wohngebiet veröffentlicht. Das hat sie bislang nicht getan, obwohl der Gemeinderat den Bebauungsplan Ende September 2018 mit großer Mehrheit beschlossen hat. CDU-Fraktionschef Ulrich Witzlinger hielt deshalb Baubürgermeister Thomas Deißler in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats vor, „rechtsirrig“ zu argumentieren, also mit seiner Rechtsauffassung im Irrtum zu sein. Deißlers hatte sein Verhalten zuvor damit begründet, dass es immer wieder Einwände von einem einzigen Eigentümer gebe, die die Stadt mit ihrem Anwalt bespreche. „Ich halte es für meine Pflicht, Einsprüche zu überprüfen“, sagte der Baubürgermeister in jener Sitzung. Wer hat nun recht?

Professor: Kein Grund für eine Verzögerung

Wir haben den Fall Professor Dr. Arne Pautsch geschildert, der an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg eine Professur für Öffentliches Recht und Kommunalwissenschaften innehat. Dessen Fazit stützt die Einschätzung von CDU-Fraktionschef Witzlinger: „Ein drohendes oder bereits angestrengtes Normenkontrollverfahren gegen die Satzung – wie offenbar vorliegend der Fall – rechtfertigt indes nicht das Herauszögern der Bekanntmachung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn objektiv keine Fehler beim Satzungserlass erkennbar sind. Diese könnte ansonsten vorrangig auch nur der Gemeinderat durch erneuten Satzungsbeschluss heilen“, schreibt Pautsch unserer Zeitung. Weiter heißt es bei dem Fachmann:. „Da der Bekanntmachung der Beschluss des Gemeinderates vorausgegangen ist und die Satzung vom Bürgermeister danach eigentlich auszufertigen ist, gibt es an sich keinen Grund, die daran anknüpfende Bekanntmachung zu verzögern.“

Das Regierungspräsidium Stuttgart hingegen stützt den Weinstädter Baubürgermeister. „Eine Pflicht, dass ein vom Gemeinderat beschlossener Bebauungsplan bekanntzugeben und damit in Kraft zu setzen ist, sieht das Baugesetzbuch nicht vor“, teilt Sonja Hettich von der Pressestelle mit. Es liege allein in der Entscheidung der Gemeinde, wann sie einen beschlossenen Bebauungsplan wirksam werden lässt. „Liegt ein zu langer Zeitraum zwischen Beschluss und Bekanntmachung, kann dies allenfalls dazu führen, dass der Beschluss wegen einer Änderung der Ermessensgrundlage vor der Bekanntmachung nochmals zu treffen ist.“ Heißt: Das Thema muss noch mal auf die Tagesordnung des Gemeinderats.

Regierungspräsidium: Kein Problem, solange der Gemeinderat alles toleriert

Kommunalrechtlich sieht das Regierungspräsidium nach eigenen Angaben bisher kein Problem, solange der Gemeinderat das Hinauszögern des Bürgermeisters toleriert. Generell, so die Pressestelle, müsse der Bürgermeister Beschlüsse des Rates unverzüglich umsetzen. Im Weinstädter Fall mache er aber nachvollziehbare Einwände geltend. Es liege daher in der Hand des Gemeinderats, den Bürgermeister dennoch zum Vollzug anzuhalten. So heißt es in Paragraf 24, Absatz eins der Gemeindeordnung, unter anderem: „Der Gemeinderat überwacht die Ausführung seiner Beschlüsse und sorgt beim Auftreten von Missständen in der Gemeindeverwaltung für deren Beseitigung durch den Bürgermeister.“

CDU-Fraktionschef Ulrich Witzlinger, der die Debatte anstieß, hat in den vergangenen zehn Jahren keinen Fall in Weinstadt erlebt, in dem ein Bebauungsplan so lange nicht veröffentlicht wurde. Normal sind eigentlich zwei bis drei Wochen Wartezeit nach einem Gemeinderatsbeschluss. „Sollte die Verwaltung Angst haben, der Bebauungsplan halte einer rechtlichen Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht stand, so wäre dies ein gravierender Vertrauensbruch.“ Schließlich sei den Stadträten in der öffentlichen Beratung im September 2018 ausdrücklich gesagt worden, dass der Bebauungsplan rechtssicher sei und für den Fall, dass es wider Erwarten doch Probleme mit dem Schallschutz zur Gärtnerei Hayler gebe, es kein Problem sei, die Bebauung so zu ändern, dass der Schallschutz gewährleistet sei. „Weil wir dieser Aussage vertraut haben, wurde der Bebauungsplan vom Gemeinderat ohne Gegenstimme beschlossen.“


Stadt sieht sich rechtlich auf der sicheren Seite

Laut dem Weinstädter Pressesprecher Holger Niederberger schreibt das Baugesetzbuch nicht vor, dass ein Bebauungsplan innerhalb einer bestimmten Zeit nach Satzungsbeschluss bekanntzumachen ist. Er verweist auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der ein Bebauungsplan erst mit seiner Bekanntmachung in Kraft ist, auch wenn diese später erfolgt. „Das führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans.“ Selbiges gilt laut der Stadt für das Kommunalrecht.

Seit dem Beschluss des Bebauungsplans wurden laut Niederberger verschiedene Bedenken gegenüber der Stadt geltend gemacht, deren intensive Prüfung entsprechend Zeit in Anspruch genommen habe. Der Gemeinderat habe außerdem beschlossen, das Baugebiet schon vor Inkrafttreten des Bebauungsplans zu erschließen. „Da diese Erschließung aktuell noch läuft, ist es daher folgerichtig, die Erschließung abzuschließen, bevor der Bebauungsplan in Kraft gesetzt wird.“

Dadurch, dass der Bebauungsplan bislang noch nicht in Kraft gesetzt wurde, wird laut der Stadt niemand in seinen Rechten beschränkt, da vor Inkraftsetzung keine Baugenehmigungen erteilt werden könnten.

Hayler kämpft für nächtlichen Lieferverkehr

Zum Hintergrund: Simon Hayler kämpft dafür, dass in seiner Gärtnerei auch nach Bau des Wohngebiets Halde V nächtlicher Lieferverkehr möglich ist. Die Stadt sagt, dass es dafür keine Genehmigung gibt. So spart sie sich teure Lärmschutzmaßnahmen. Hayler hält dagegen, dass eine nächtliche Betriebserlaubnis im Außenbereich nicht explizit erwähnt werden müsse, um zu gelten.

Unterstützt fühlt sich Hayler von der Industrie- und Handelskammer (IHK). Mitarbeiterin Karin-Franziska Lenhardt schrieb ihm am 5. November 2018, dass nach Ansicht der Bezirkskammer Rems-Murr die Baugenehmigungen der Stadt vom 28. Mai 1991 und vom 9. März 1992 keine Betriebszeitenbeschränkungen enthalten.

Zur Regelung einer Betriebszeitenbeschränkung für Anlagen im Außenbereich bedarf es laut der IHK einer immissionsschutzrechtlichen Auflage zur Baugenehmigung, die aber fehlen würde. Fazit der IHK: Haylers Gärtnerei genießt gegenüber der geplanten Wohnbebauung Bestandsschutz.