Weinstadt

Versuchter Totschlag am Bahnhof Beutelsbach: Was zeigt das Überwachungsvideo aus der Tatnacht?

S-Bahn-Haltestelle Beutelsbach
Die Tat ereignete sich am 8. März am Beutelsbacher Bahnhof. Wurde das Opfer in jener Nacht gegen die fahrende S-Bahn geschleudert? © Alexandra Palmizi

Auch der vierte Verhandlungstag vor dem Landgericht Stuttgart hat keine endgültige Gewissheit gebracht, ob der Angeklagte Tom O. das Opfer Marvin Z.gegen die fahrende S-Bahn geschleudert hat. Im Zentrum der Verhandlung standen diesmal die polizeilichen Ermittlungen und die Videoaufnahmen aus der S-Bahn und vom Bahnsteig.

Vorfall hatte sich am 8. März am Beutelsbacher Bahnof ereignet

Der Vorfall hatte sich am 8. März am Beutelsbacher Bahnhof ereignet. Insgesamt drei Angeklagten wird unter anderem versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und räuberischer Erpressung zur Last gelegt.

Zwar ist in den Videoaufnahmen zu sehen, wie der Geschädigte und die Angeklagten nacheinander in die S-Bahn ein- und aussteigen, jedoch nicht, wie der Streit in eine Schlägerei ausartet. Denn diesen Bereich hat die Kamera nicht erfasst. Die Aufnahme vom Bahnsteig zeigt, wie die S-Bahn aus Stuttgart in Beutelsbach einfährt, die Menschen nacheinander aussteigen, darunter auch der Geschädigte und die drei Angeklagten. Doch dann verschwinden sie in einem toten Winkel der Kamera. Auch die Videoaufnahmen, die von der gegenüberliegenden Seite aus gemacht wurden, können nicht zur Klärung beitragen.

Auseinandersetzung ist nicht auf Video festgehalten

Zu sehen sind zwischenzeitlich die Freundin von Marvin Z., der zweite und der dritte Geschädigte und weitere Zeugen, unter ihnen auch die Mutter von Marvin Z. Doch die Auseinandersetzung zwischen den jungen Männern ist nicht auf Video festgehalten.

Nach einigen Minuten sind wieder die drei Tatverdächtigen zu sehen, rasch verlassen sie den Bahnsteig – und verschwinden von der Bildfläche. Die Zeugen bleiben zurück. Die Kameras haben eingefangen, wie sie im Kreis beisammenstehen, bis die Polizeibeamten eintreffen. „Interessant, wie die Zeugen untereinander Erfahrungsaustausch machen“, merkt der Verteidiger des 20-jährigen Tom O. an. Sein Mandant sitzt seit 27. März in Untersuchungshaft, als Einziger der Angeklagten.

Auch Polizeibeamter kann nicht entscheidend zur Klärung beitragen

Die Aufnahmen zeigen also nicht, ob und wie Tom O. den 23-jährigen Marvin Z. gegen die fahrende Bahn geschleudert hat. Und auch der Polizeibeamte, der als Erster an den Tatort gerufen wurde, kann nicht entscheidend zur Klärung beitragen.

Gemeinsam mit einem Polizeianwärter hatte er am Bahnhof die Zeugenaussagen von neun Personen aufgenommen. In seinem Bericht geht aber nicht ausführlich auf den Tatvorwurf der versuchten Tötung ein. Von der Richterin darauf angesprochen, gibt er an, sich nicht erinnern zu können, ob ihm von dem Stoß gegen die Bahn während der Befragungen berichtet worden sei oder ob er erst später durch Kollegen davon erfahren hat.

„Explizit genau an jede Befragung kann ich mich nicht erinnern. Wir waren zu wenig Beamten vor Ort“, sagt er. Marvin Z. habe ihm seiner Erinnerung nach berichtet, dass er beim Aussteigen aus der S-Bahn attackiert worden sei. Wie der Zustand des jungen Mannes gewesen ist, will die Richterin wissen. „Sehr fertig und psychisch am Ende“, sagt der Beamte. Ob Z. alkoholisiert war, weiß er nicht mehr.

Polizist erkennt Angeklagten auf den Aufnahmen und identifiziert ihn anhand von Instagram-Fotos 

Als Zeuge geladen ist auch ein weiterer Polizeibeamte, der von den Festnahmen berichtet. Ein Ermittler habe Tom O. auf den Aufnahmen erkannt und anhand von Fotos auf der Social-Media-Plattform Instagram identifiziert. Der zweite junge Mann, der 17-jährige Peter M., sei ebenfalls rasch ermittelt worden. Auf den Dritten, Alexander P. stießen die Beamten erst, als bei den Ermittlungen dessen Spitzname fiel. Kurzzeitig war anstelle des 23-Jährigen fälschlicherweise ein Mann festgenommen worden, der ihm ähnlich sah.

Zwei Zeugen belasten den Geschädigten

Warum es zur Schlägerei gekommen ist, sei bei der Vernehmung der drei Männer unklar geblieben, berichtet der Polizist, „deshalb gehe ich von einem Rempler aus“. Und wer hat Marvin Z. gegen die S-Bahn geschleudert? „Dieser Stoß, wenn er denn stattgefunden hat, muss von Tom O. ausgegangen sein.“ Dieser sei der „Hauptaggressor“ gewesen.

Wobei der Polizist auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Marvin Z. aufkommen lässt: Dieser habe zunächst behauptet, ihm sei das Handy gestohlen worden. Später habe sich aber herausgestellt, dass er in jener Nacht gar keins dabei gehabt hat.

Zwei Freunde der Angeklagten, die im März ebenfalls in der Bahn gesessen hatten, sagen auf Antrag des Verteidigers von Tom O. als Zeugen aus. Sie belasten Marvin Z.: Dieser habe Alexander P. beim Aussteigen mit der Schulter angerempelt, behauptet eine 18-Jährige im Zeugenstand, „als wäre er auf Stress aus“. Wie sie darauf komme, will die Richterin wissen. „Weil er die ganze Zeit grimmig geschaut hat.“ Alexander P. habe dem Streit ausweichen wollen, doch Marvin Z. habe sich bewusst und provokant in den Weg gestellt. Die Frage, ob sie einen Knall oder Schlag gegen die S-Bahn gehört habe, verneint die Zeugin. Auch der 18-jährige Zeuge, der ihr gegenüber saß, will nichts dergleichen gehört haben.

Für den fünften Termin werden die Plädoyers erwartet

Die Verhandlung wird an diesem Mittwoch fortgesetzt. Für den fünften Termin werden die Plädoyers erwartet.

Auch der vierte Verhandlungstag vor dem Landgericht Stuttgart hat keine endgültige Gewissheit gebracht, ob der Angeklagte Tom O. das Opfer Marvin Z.gegen die fahrende S-Bahn geschleudert hat. Im Zentrum der Verhandlung standen diesmal die polizeilichen Ermittlungen und die Videoaufnahmen aus der S-Bahn und vom Bahnsteig.

Vorfall hatte sich am 8. März am Beutelsbacher Bahnof ereignet

Der Vorfall hatte sich am 8. März am Beutelsbacher Bahnhof ereignet. Insgesamt drei

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