Ärger bei Bauherren in Winnenden: Ewig warten auf die Baugenehmigung

Bauen schafft Grauen – seit einigen Jahren gilt der Spruch für Häusle-(Um)Bauer bereits für die Phase, wenn sie auf die Baugenehmigung warten. Zumindest in Winnenden, wo für Leutenbach, Schwaikheim und Winnenden Bauanträge vom gemeinsamen Baurechtsamt des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) bearbeitet werden. Beharrlich bohren Gemeinderäte in ihren Haushaltsreden nach und verlangen, die Prozesse zu beschleunigen, denn ihnen kommen Geschichten zu Ohren, die möchte man erst mal gar nicht glauben.
Die Rückmeldung auf die eingereichten Unterlagen erfolgt scheibchenweise
Beispiel 1: Ein älteres Haus in Leutenbach soll statt eines Pultdachs ein Flachdach bekommen, der Umbauantrag wurde im Mai 2022 eingereicht. Bis heute hat der Bauherr die Genehmigung nicht. Aber weil ihm zwischenzeitlich der Geduldsfaden gerissen ist und er ohne Genehmigung begonnen hat zu bauen, soll er 1800 Euro Geldbuße bezahlen.
Das Problem liegt laut einem Bau-Fachmann, der mit diesem Fall betraut ist, an der Vorgehensweise, die man „scheibchenweise“ nennen könnte. Nach Eingang des Bauantrags werden beispielsweise zehn Punkte genannt, die fehlen. Bringt der Architekt die gewünschten Gutachten bei, finden die Prüfer dann aber beispielsweise acht weitere Punkte, die aus ihrer Sicht auch noch fehlen. Und sind diese endlich abgearbeitet, kommen weitere sechs neue Punkte aufs Tapet. Und erst wenn keine neuen Punkte mehr aufploppen, holt die Baurechtsbehörde Stellungnahmen von übergeordneten Behörden ein und hört die Nachbarn an.
Gemeinderäte wünschen sich mehr Personal fürs Baurechtsamt
Wie also könnte Beschleunigung funktionieren? Mehr Mitarbeiter, das ist der Wunsch der Winnender FWV-Gemeinderatsfraktion. „Wir haben ein Riesenproblem damit, das ist seit Jahren ein Ärgernis“, sagte etwa der Winnender FWV-Rat Markus Siegloch als Stellvertreter von Hans Ilg in einer GVV-Sitzung. Die Fraktion schlug vor, zwei Mitarbeiter, die sich um illegale Bauten im Außenbereich kümmern, sollen das ruhen lassen und sich vorübergehend mit Bauanträgen beschäftigen.
Doch der Winnender Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth sagte als GVV-Vorsitzender in der Sitzung Mitte Dezember, dass die beiden nicht einfach so mit anderen Aufgaben betraut werden könnten. „Momentan sind alle Stellen im Baurechtsamt besetzt. Und wir haben uns beim Kreis als Pilotbehörde gemeldet, die Baugenehmigungen digital bearbeiten möchte. Das bedeutet, dass die Verfahrensschritte künftig parallel und nicht hintereinander laufen können.“ Er war im Übrigen der Meinung, dass bald alles schneller laufen würde, auch, „weil die Zahl der Bauanträge sinkt“.
Unsere Redaktion hat dazu Fragen an den fürs Baurechtsamt zuständigen Bürgermeister Norbert Sailer gestellt, die er urlaubsbedingt aber erst nächste Woche beantwortet.
Projektbau Pfleiderer setzt Hoffnung ins zeitsparende digitale Verfahren
Beispiel 2: Große Bauvorhaben wie das Winnender Gerberviertel Plus zwischen Mühltor- und Gerberstraße stehen in den Startlöchern, aber es geht nicht weiter. Im Oktober 2021 wurden Kanäle mit Wärmerückgewinnung gebaut, die Innenstadtbrache ist längst vorbereitet für den Start des Hochbaus, doch Bauträger Klaus-Martin Pfleiderer hat bis heute keine Baugenehmigung. Obwohl sein erfahrenes Architekturbüro aus Weinstadt den Bauantrag im Sommer 2021 abgegeben hat – vor bald anderthalb Jahren.
Pfleiderer hat auch in anderen Kommunen Projekte, für die das Baurechtsamt im Landratsamt zuständig ist. Da geht’s schneller, deshalb setzt er große Hoffnungen in das Digitalisierungsprojekt. „Die Mitarbeiter im Landratsamt können sich per Knopfdruck auf ein iPad Pläne herholen und mir Auskunft geben, wo ein Verfahren steht, das ist gigantisch. Bürgermeister Norbert Sailer bemüht sich, dass die Verfahren auch beim GVV transparent und digital werden“, sagte Klaus-Martin Pfleiderer unserer Redaktion. Beklagen wollte er sich ausdrücklich nicht. „Ich habe die Zusage bekommen, dass der Bauantrag im Februar bewilligt wird.“ Er wird brav warten, bis es so weit ist. „Wir gehen ohne Baugenehmigung nicht an den Markt.“ Und erst wenn er eine bestimmte Wohnungszahl verkauft hat, beginnt der Bauträger mit dem Bau der Häuser. Sonst ist das Risiko zu hoch, in eine finanzielle Schieflage zu geraten.
Lauter Bauvorschriften – doch muss immer alles geprüft werden?
Pfleiderer macht den Behördenmitarbeitern keine Vorwürfe: „Es ist ein schweres Schaffen, ich will uns da nicht außen vor lassen.“ Ähnliches, ausführlicher, sagte OB Holzwarth im GVV: „Die Bauherren erfüllen ihre Pflichten oft nicht rechtzeitig.“ Dies trage ebenso zum Zeitverzug bei wie die Fülle von Vorschriften, die das Land Baden-Württemberg mittlerweile mache: Naturschutz, Barrierefreiheit, Wärmeschutz, Radstellplätze ... zählte er ein paar Beispiele auf. Die Mitarbeiter müssten prüfen, ob die Vorschriften erfüllt sind. Wie sie dabei vorgehen, schilderte Holzwarth nicht.
Beispiel 3 liefert eine weitere Einschätzung. Ein Altbau in Winnenden liegt in einer Gewässerschutzzone. Er soll umgebaut werden, aber die Kubatur bleibt gleich. Das Baurechtsamt fordert trotzdem ein Gewässerschutzgutachten. Dafür muss man laut unserem Informanten im Bestand zehn Meter tiefe Löcher bohren. „Ein solches Bohrgerät bringt man aber nicht in einen Keller hinein.“ Er fragt, was all das also soll, und wie denn das Grundwasser überhaupt tangiert werden könne, wenn kein neuer Keller entstehe? Aus diesem und vielen ihm bekannten weiteren Beispielen folgert der Mann: „Die Behörde legt fest, was sie geprüft haben will, und weil sie all die Forderungen wiederum überprüfen muss, kommt sie nicht hinterher. Bei der Baurechtsbehörde Winnenden spielt alles eine Rolle, außer der Zeit.“