Winnenden

Betten für die Rems-Murr-Kliniken nicht genehmigt

Notaufnahme
Klinikum: Wachstum adieu? © Büttner / ZVW

Winnenden. Der Kampf um die Zahl der Betten im Winnender Klinikum spitzt sich zu: 620 gibt es dort derzeit – nur 570 hat das Landes-Sozialministerium bisher genehmigt; und macht keine Anstalten, die restlichen 50 nachträglich abzunicken. Acht Landtagsabgeordnete aus dem Kreis bitten nun in einem offenen Brief, diese Haltung zu „überdenken“.

Mine Fru, die Ilsebill, will nich so, als ick wohl will, klagt der Fischer im Märchen. Einen ähnlichen Seufzer könnte dieser Tage auch der Winnender Landtagsabgeordnete Willi Halder (Grüne) ausstoßen: „Mein Parteifreund, der Manne ...“

Der Reihe nach: Als das Winnender Klinikum 2008 geplant wurde, genehmigte Landes-Sozialministerin Monika Stolz (CDU) 550 Betten. Der Kreis aber entschied sich 2012, ein Haus mit 620 zu bauen; in der Überzeugung, dass 70 Betten mehr versorgungstechnisch nötig seien; und in der Hoffnung, dass es dafür schon irgendwann einen nachträglichen ministeriellen Segen geben würde – zumal seit 2011 Stolz-Nachfolgerin Katrin Altpeter, SPD, aus Waiblingen das Sozialministerium leitete.

50 Betten wurden nicht genehmigt

2014 ging das Klinikum mit beträchtlicher Verspätung endlich in Betrieb. Jetzt, hieß es hinter den Kulissen, müssen wir nur noch nachweisen, dass die 70 Zusatzbetten auch wirklich ausgelastet sind, dann kriegen wir die Genehmigung. Das war womöglich naiv – eine schriftliche Zusage dafür gab es nämlich nie.

2016 übernahm Halders grüner Kollege Manne Lucha das Sozialministerium, betrachtete das Problem nicht durch die Rems-Murr-Brille, sondern in einem größeren Maßstab und fand: Moment, es gibt in der Region Stuttgart und im Land doch gar keine Unterversorgung. Weshalb also nachträglich Betten abnicken, die nicht mal nötig sind? Lucha rang sich fürs Erste nur zu einem Mini-Ja durch: Er winkte 20 der 70 durch. Es blieb eine Lücke von 50.

Die wilden Betten kosten die Rems-Murr-Kliniken Millionen

All das hat für den Landkreis fatale finanzielle Folgen: Die Behandlung von Patienten, die in „wilden Betten“ liegen, wird von den Kassen nicht voll honoriert, die fehlende Genehmigung führt zu Einnahme-Ausfällen in Millionenhöhe. Die Landtagsabgeordneten aus dem Kreis haben sich deshalb nun zu einem ungewöhnlichen Schritt durchgerungen: Fast alle – Willi Halder, Petra Häffner (Grüne), Wilfried Klenk, Claus Paal, Siegfried Lorek (CDU), Ulrich Goll, Joachim Haußmann (FDP) und Gernot Gruber (SPD) – haben gemeinsam eine Mischung aus Bettel- und Brandbrief an Lucha verfasst. Nur der Name Jörg Meuthen (AfD) steht nicht auf dem Papier.

Die 620 Betten, schreiben sie, seien „bedarfsgerecht und nachhaltig“, ihre Auslastung entspreche „dem Bundesdurchschnitt“. Keineswegs werde dieser Effekt erreicht, indem Ärzte ihre Patienten „unnötig lange“ liegen lassen – „die durchschnittliche Verweildauer“ in den Rems-Murr-Kliniken sei sogar um „zehn Prozent“ kürzer als im Bundesschnitt. Eine rückwirkende Bettengenehmigung würde dem Kreis eine „potenzielle Entlastung von rund 4,4 Millionen Euro für drei Jahre“ bringen – und das, „ohne das Land finanziell zu belasten“; zu zahlen hätten ja die Kassen.

Ausschuss sieht den Punkt nicht auf der Tagesordnung vor

Der Grund, warum die Abgeordneten genau jetzt so einmütig vorgeprescht sind: Dieser Tage ereilte die Geschäftsführung der Rems-Murr-Kliniken eine verstörende Botschaft. Das Sozialministeriums-Referat Krankenhauswesen erklärte: Es sei „derzeit nicht angedacht“, den Genehmigungsantrag des Rems-Murr-Kreises für die Sitzung des Landeskrankenhausausschusses am 17. Juli überhaupt „auf der Tagesordnung zu berücksichtigen“.

„Unsere Bitte ist“, schreiben die acht, „diese Vorgehensweise zu überdenken“ und den Antrag einer „wohlwollenden Prüfung“ zu unterziehen. Jochen Haußmann, FDP, präzisiert am Telefon: Dass der Ausschuss momentan nicht einmal drüber reden will, „lässt sich inhaltlich aus unserer Sicht nicht rechtfertigen“. Es habe sich doch gezeigt, dass der Bedarf „tatsächlich gegeben ist“. Das Sozialministerium „sollte das Thema nicht auf die lange Bank schieben“.

Paal: "Es wird nicht einfach"

Willi Halder klingt recht angefressen angesichts der Ilsebill-Situation: „Offensichtlich“ denke das Sozialministerium, „es gibt genug Betten landesweit, und fertig“. Was tun? „Weiter Druck aufbauen.“ Und: „Einfach weiter versuchen.“ Und: „Dranbleiben.“ Und: „Dicke Bretter bohren.“ Und: „Irgendwann das Sozialministerium überzeugen. Wir arbeiten hart daran, über alle Fraktions- und Schmerzgrenzen hinweg.“

Ähnlich sieht das Claus Paal, CDU: Was jetzt anstehe, sei „einfach Arbeit: Steter Tropfen höhlt den Stein. Wir haben eine hohe Auslastung, die Leute nutzen unsere Krankenhäuser!“ Allein, „der Ausgang ist leider ergebnisoffen. Ich weiß nicht, ob wir es schaffen. Es wird nicht einfach.“

Im Medizinkonzept ist vorgesehen, die Bettenzahl noch weiter zu erhöhen

Wenn „acht Abgeordnete von vier Fraktionen“ sich im „Schulterschluss“ üben, dann sollte das „Lucha zumindest zum vernünftigen Nachdenken zwingen“, sagt Gernot Gruber, SPD; wenn Vertreter „aller demokratischen und unseren Staat tragenden Parteien“ mit „guten Argumenten“ werben, dann „muss das zumindest beraten werden!“ Das Rems-Murr-Begehr einfach „aussitzen, das geht nicht.“ Aber „dass das kein Selbstläufer wird, ist klar“.

Noch viel klarer scheint mittlerweile etwas anderes: Eigentlich sieht das medizinische Konzept der Rems-Murr-Kliniken ja vor, perspektivisch die Bettenzahl gar auf 720 zu erhöhen – aber wenn schon die Genehmigung der 620 kaum gelingen will, dann dürfte der wahrscheinlichste Standort für 100 weitere wohl nicht das „Klinikum Winnenden“ sein; sondern eher das „Kurhotel Luftschloss Wolkenkuckucksheim“.