Winnenden

Ein Schrat für die Waldfee

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© Fluck

Backnang. Schon als das repräsentative Amt der Schwäbischen Waldfee ins Leben gerufen wurde, gab es Diskussionen darüber: Warum sollten eigentlich nur Frauen den Schwäbischen Wald repräsentieren? Nun haben die Betreiber der Facebook-Gruppe „Rund um den Schwäbisch-Fränkischen Wald“ auf eigene Faust das männliche Pendant gewählt: den Waldschrat. Gewonnen hat der Backnanger Sven Vollbrecht.

„Im Schwäbisch-Fränkischen Wald gibt es viel zu entdecken“, sagt Sven Vollbrecht. Manches davon kennt der Backnanger, wie etwa den Limes oder die eine oder andere Mühle. Er gibt jedoch offen zu: So gut wie manch anderer Bewerber bei der inoffiziellen Wahl zum Schwäbischen Waldschrat kenne er sich nicht aus. „Da muss ich in Zukunft weiter in den Wald rein, statt im Plattenwald oder am Ebnisee spazieren zu gehen.“ Momentan sind die Aufgaben des Waldschrats aber noch überschaubar: „Bisher wurde ich nur nach meiner Kleidungsgröße gefragt, für den Pullover, den der Waldschrat bekommt“, erzählt der 37-Jährige.

Die Wahl selbst sei eine ziemlich kurzfristige Aktion gewesen, erklärt Initiator Jan Vogel. Er betreibt zusammen mit zwei Freunden seit dem vergangenen Jahr die Facebook-Seite „Rund um den Schwäbisch-Fränkischen Wald“. Dort können sich Interessierte informieren, aber auch Ansässige tauschen sich aus und laden zahlreiche schöne Ansichten aus der Gegend hoch. „Wir wollen auch nach außen hin den Schwäbisch-Fränkischen Wald repräsentieren und unsere Heimat etwas bekannter machen“, sagt Vogel. Er interagiere auch mit diversen anderen Gruppen.

„Es gibt ja nicht nur Frauen im Schwäbischen Wald“

Mehr als 600 Mitglieder zählt seine Gruppe inzwischen schon. Zur Idee, einen Waldschrat als männlichen Repräsentanten des Schwäbischen Walds zu wählen, kam der 35-Jährige aus Neufürstenhütte, als der Großerlacher Bürgermeister Christoph Jäger auf Facebook den Aufruf zur Suche nach einer neuen Waldfee geteilt hatte. „Es gibt ja nicht nur Frauen im Schwäbischen Wald“, deswegen sei von mehreren Personen der Wunsch geäußert worden, auch ein männliches Pendant zu wählen.

„Seitdem es die Schwäbische Waldfee gibt, ist das ein Dauerbrenner-Thema“, sagt Großerlachs Bürgermeister Christoph Jäger. Die Wahl der ersten Waldfee ist immerhin schon gut fünf Jahre her, weshalb die Gruppe um Jan Vogel das Ganze einfach selbst in die Hand nahm. Frei nach dem Motto „Bart, aber herzlich“ präsentiere der Schrat den Schwäbischen Wald von der männlichen Seite. „Ich nehme das als grundsätzlich lustigen Gedanken wahr, der Waldfee noch einen Mann an die Seite zu stellen“, sagt der Schultes wohlwollend. Die Wahl habe er – selbst Mitglied besagter Facebook-Gruppe – mit einem Augenzwinkern verfolgt. „Ich finde es klasse, dass es diese Gruppe gibt. Man sieht, sie lebt auch.“ Dass gleich zwei Bewerber aus Großerlach sich als Waldschrat zur Wahl gestellt haben, habe ihn natürlich doppelt erfreut. „Die Leute zeigen echte Verbundenheit mit dem Wald, insofern sehe ich es mit Humor“, erklärt Jäger.

Jan Vogel kann sich eine künftige Kooperation mit der Fremdenverkehrsgemeinschaft Schwäbischer Wald gut vorstellen: „Die Waldfee ist unheimlich viel unterwegs, das könnten die beiden sich auch aufteilen“, schlägt er vor. Auch ein gemeinsamer Auftritt der beiden sei denkbar – den Vorschlag habe er bereits gemacht, Vogel weiß aber auch: „Die Mühlen mahlen in solchen Dingen oft langsam.“

Er selbst hatte sich ebenfalls zur Waldschratwahl gestellt und war bis 21 Uhr am Sonntagabend mit 113 Stimmen Sven Vollbrecht (118) nur knapp unterlegen. Insgesamt hatten sich sieben Männer zur Wahl gestellt. „Ich hätte es jedem von ihnen gegönnt“, sagt Vogel. Einige der Bewerber kenne er persönlich, mit Sven Vollbrecht verbinde ihn gar eine Freundschaft. „Jan ist jetzt für meine PR zuständig“, erklärt Vollbrecht lachend. Und sollte Vogel sich im nächsten Jahr noch einmal zur Wahl stellen, werde er ihn natürlich tatkräftig unterstützen.

Aufruf zu verantwortlichem Umgang mit der Natur

Beide Männer kennen sich unter anderem aus der Mittelalterszene. Sie beide betreiben das sogenannte Reenactment, also den Versuch, Geschichte erlebbar zu machen. Jan Vogel organisierte mit der Großerlacher Keltengruppe „Skâliesus Cambiare“, einer Untergruppe des Vereins zur Förderung des Rock’n’Roll, im vergangenen Jahr den ersten historischen Handwerkermarkt am Graber Limes. Dort war auch Sven Vollbrecht zu finden. Der 37-Jährige ist gelernter Steinmetz und Steinbildhauer. Bis 2016 hat er in diesem Beruf auch noch in Vollzeit gearbeitet, nun betreibe er ihn nur noch nebenher zu bestimmten Events. Indirekt hat ihn dieser Beruf auch zur Waldschratwahl gebracht. „Das war weniger meine Idee“, räumt er ein.

Unter den Aufruf, Kandidaten vorzuschlagen, hatte nämlich eine Facebook-Nutzerin geschrieben: „Was ist denn mit dem Steinmetz Sven?“ Sie habe ihn noch von der Mittelaltergruppe gekannt. „Gute Handwerker werden eben überall benötigt“, dachte sich auch Sven Vollbrecht und sagte seine Teilnahme zu. Dass es für ihn tatsächlich zum Sieg reichen würde, habe er anfangs gar nicht gedacht, da habe Jan Vogel noch mit Abstand in Führung gelegen. Dann aber seien seine Freunde über den Sonntag aktiv geworden. Nun ist Vollbrecht mit vollem Herzen dabei: „Ich trete das Amt an und ich werde meine Aufgaben auch ausführen“, sagt er gewissenhaft. Der angedachte Fototermin sei aber erst mal in den Frühling verlegt worden, „dann ist es im Wald etwas schöner“.

An seine Wähler wandte sich der frisch gekürte Waldschrat bereits per Facebook-Post und dankte „für das Vertrauen, dass ihr mir in dieser turbulenten, ja um nicht sogar zu sagen fulminanten Wahl entgegengebracht habt“. Gleichzeitig hatte Vollbrecht aber auch eine Bitte an seine Unterstützer: „Zum Schluss rufe ich euch zu, ehrt den Schwäbisch-Fränkischen Wald und dessen Bewohner, erholt euch an den kühlen Bächen und im Schatten der grünen Riesen, die uns schon seit Jahrhunderten dienen, aber haltet ihn auch sauber. Nehmt keine Pflanzen mit, sondern Dinge, die nicht in den Wald gehören. So wohnt ein Schrat in einem jeden von euch!“