Faszinierendes romantisches Zeit-Tableau
Winnenden. Nicht weniger als neun Ausnahmekünstler fanden sich am Montagabend im ausverkauften Andachtssaal des Klinikums Schloss Winnenden zusammen, um ihrem Publikum einen in seiner Dringlichkeit und Plastizität unvergesslichen Einblick in das Leben und Schaffen von Clara und Robert Schumann sowie Johannes Brahms zu ermöglichen.
Mit dem ersten Satz aus dem Klavierquintett Es-Dur op. 44 von Robert Schumann, dem tragischen Protagonisten des Abends, gelang den Musikern ein fulminanter Auftakt; der feinnervige, vibrierende Musiziergestus von Claudio Bohórquez (Cello) und seinen vier Mitstreitern war unüberhörbar. Als das erste Aufbrausen verebbt war, entspann sich eine wunderschön intime Zwiesprache zwischen Cello und Bratsche (Gareth Lubbe). Dann wieder Dramatik pur mit einem fantastischen Violinisten Daishin Kashimoto, den es vor überströmender Energie kaum auf dem Stuhl hielt.
Überirdische Zärtlichkeit
In der düsteren Durchführung dominierte der Pianist Markus Hadulla, seit kurzem Professor in Wien und seines Zeichens künstlerischer Leiter wort+ton. In der Reprise lassen die Musiker das Seitenthema behutsam und verklärt schimmern. Die „Romanze“ aus den Fantasiestücken op. 88 durchzieht ein wehmütiges Sehnen und ein romantisches Schwärmen, dieser Grundton ist gleichfalls in den Briefen Claras und Roberts anzutreffen, die von den kongenialen Sprechern Rudolf Guckelsberger und Elisabeth Verhoeven zum Leben erweckt werden.
Im langsamen Satz aus dem Trio g-Moll von Clara Schumann erweisen sich neben Bohórquez die Geigerin Natalia Lomeiko und die Pianistin Katia Skanavi als sensible Anwälte der Musik, Skanavi glänzt mit einer hauchzarten Kantilene.
Irdische Dramatik und Sorgenproblematik des Alltags
Überhaupt haftet den Rahmenteilen dieses „Andante“ eine fast schon überirdische Zärtlichkeit und Innigkeit an, der Mittelteil bietet sodann irdische Dramatik und Sorgenproblematik des Alltags, die dem jungen Eheglück von Robert und seiner lieben Clara nur allzu früh beschieden war. Ein harfengleich verdunstender Schluss beendete die Szenerie.
Ein echtes interpretatorisches und kompositorisches Kleinod war dann vor der Pause noch die „Mondnacht“, die Markus Hadulla für Klavierquintett arrangiert hat. Die Musiker kreierten in dieser Miniatur eine geheimnisvolle, verzauberte Atmosphäre, da störte kein forcierter Ton, alles floss natürlich und organisch. Große Kunst!
Romanzen für Violine und Klavier
Nachdem im ersten Teil die große Liebe zwischen Robert und Clara und die allzu jähe Ernüchterung thematisiert wurden, trat in der zweiten Hälfte der junge Johannes Brahms aus Hamburg auf die Bühne. Von Clara als „wunderbare Erscheinung“ gepriesen, verkörperte er für das Ehepaar Schumann eine „Erlösung“.
Schumann griff entgegen seinem vorigen Beschluss doch noch einmal zur Feder: Es entstanden unter anderem die „Märchenerzählungen“ op. 132, welche von dem feinfühligen Klarinettisten Paul Meyer und Gareth Lubbe sowie Katia Skanavi verwunschen und rhapsodisch intoniert wurden. Die Romanzen für Violine und Klavier von Clara Schumann überraschten an diesem durchgängig hochkarätigen Abend: Markus Hadulla und Natalia Lomeiko boten die farbigen Modulationen mit temperamentvoller und leidenschaftlicher Verve, das alles feurig und doch zugleich sehr beherrscht.
Ungeheure Aufbruchstimmung
In der zweiten Märchenerzählung dominierte eine ungeheure Aufbruchstimmung und eine fast magisch zu nennende Selbstgenügsamkeit Roberts. Im dritten Satz kommt im imitatorischen Wechselspiel zwischen Gareth Lubbe und Paul Meyer der alle tief bewegende Abschied des zwanzigjährigen Brahms zum Ausdruck.
Der dritte Satz der F-A-E-Sonate von Brahms markierte dann den virtuosen Höhepunkt des Abends: Mit diabolisch-verzweifeltem Furor und vorwärts gepeitscht von unerbittlichen Martellato-Akkorden des Klaviers (Katia Skanavi) jagte der erste Konzertmeister der Berliner Philharmoniker Daishin Kashimoto wie ein Derwisch durch die Abgründe dieser Musik.
In einem seelenvollen Innehalten kam man ganz kurz zur Ruhe, bevor die wilde Hatz zur Klimax stürmte. Das Thema der „Geistervariationen“ – vierhändig gespielt von Skanavi und Hadulla – setzte einen in seiner Schlichtheit eindringlichen Schlusspunkt.
Wenn die Sprache zu singen und zu klingen beginnt und die Musik zu sprechen anhebt, dann ist eine wort+ton-Veranstaltung ihrem Ideal ganz, ganz nahe gekommen.