Kebap-Palace 38 in Winnenden: Feiner Laden in schwacher Lage

Zwei Fragen drängen sich beim Kebap-Palace 38 auf: Wie kommt jemand auf die Idee, in dieser ungünstigen Lage an der Ecke Bachstraße/Waiblingerstraße ein türkisches Restaurant zu eröffnen? Und: Warum läuft dieser Kebap-Imbiss trotz dieses Standorts und trotz der großen Konkurrenz in der Stadt wirklich gut? Beides hat mit der Gründerin und Seele des Restaurants zu tun – mit der 63-jährigen Winnenderin Zehra Ünsal, die auf einem großen Bauernhof in der Türkei aufgewachsen ist und seit über vier Jahrzehnten in Winnenden lebt.
Durch Mund-Propaganda finden immer wieder neue Kunden her
Von außen wirkt der Palace 38 wie viele Kebap-Imbisse: Fotos von Döner, Pide, Dürüm an einer viel befahrenen Straßenecke mit Ampel, und nur selten ist ein Parkplatz gegenüber an der Bachstraße frei. „Wir haben keine Laufkundschaft hier“, sagt der 25-jährige Emre Ünsal, Sohn der Gründerin. Dieser Kebab-Laden lebt von seiner Stammkundschaft und davon, dass durch Mund-Propaganda immer wieder neue Kunden zu ihm finden. Das Interieur ist sachlich und sauber, gut zu reinigen und blitzblank. Aus dem Fenster sieht man, dass die ehemalige B 14 noch immer eine wichtige Verkehrsader ist. An quietschenden Reifen hört man, dass Ampel, Fußgänger und Radler autofahrenden Menschen sehr im Wege sind.
Die Köfte schmecken überraschend mild und dennoch würzig
Verkehrsgeräusche lassen sich nicht heraushalten: Im Palace 38 wird dauernd gelüftet, und wer den Laden betritt, wird vom angestellten Koch Sezer Kuzu sehr freundlich und zugleich sehr bestimmt auf die Maske und die Desinfektion hingewiesen. Ich bestelle einen Köfte-Teller, und bekomme ein reichhaltiges Menü auf einem Teller mit gebackenem Gemüse, Backofenkartoffeln und Joghurt-Soße. Die Köfte (türkische Fleischküchle) schmecken überraschend mild und dennoch würzig. Für 10,50 Euro habe ich ein feines, überreiches Mittagessen bekommen, das für meinen Bürojob ein bisschen zu üppig ausfällt. Mein Kollege lässt sich seine Reste einpacken zum Mitnehmen. Sie sind es wert, noch einmal aufgewärmt zu werden.
Wer schnell etwas zu Mittag essen will, denkt nicht an diese Ecke
Warum gehe ich nicht öfter da hin? Ganz einfach: Der Laden liegt zu weit weg von der Fußgängerzone. Man möchte immer schnell was Kleines essen und dann denkt man nicht an diese Ecke. Auch Zehra Ünsal hatte nicht an ein Restaurant gedacht, als sie mit ihrem Mann vor etlichen Jahren dieses Haus kaufte, das alte Winnender als das Badehaus kennen, das Haus, in dem jene Winnender in der Wanne badeten, die kein Bad in ihrem Haus hatten. Familie Ünsal hat vier Kinder, und die Eltern fanden damals keine Mietwohnung. Niemand wollte an eine Familie mit so vielen Kindern vermieten. Also mussten sie kaufen, was zu bekommen war, und es war dieses ehemalige Badhaus. Sie zogen oben in die Wohnung ein und begannen, das untere Stockwerk auszuweiden, die alten Bade- und Duschkabinen auszubauen und es herzurichten. „Es hat mich gestört, dass da unten nichts war“, sagt Zehra Ünsal.
Ein Winnender hat viel getan für die Pläne und die Baugenehmigung
Sie stammt von einem großen Bauernhof. Das Wirtschaften, den Umgang mit Räumen und Möglichkeiten, das Kochen in einer großen Küche für viele Personen hat sie von klein auf bei ihrer Mutter gelernt. Die Familie war damals schon lange in Winnenden. Der Mann arbeitete im Tiefbau bei Klöpfer in Birkmannsweiler. In der Türkei hatten sie geheiratet, und die Frau war kurz nach der Hochzeit ihrem Mann nachgezogen nach Winnenden. Vier Kinder bekam sie, und als ihr Jüngster drei Jahre alt war, ging Zehra Ünsal wieder arbeiten, war lange in der Papierhülsenfabrik Eger und lange bei der Björn-Steiger-Stiftung. Siegfried Steiger, ihr langjähriger Chef, half der Familie bei den Umbauplänen und verhandelte für sie mit dem Rathaus: „Er musste dreimal neu planen, bis die Stadt doch noch ein Restaurant im ehemaligen Badhaus zuließ. Ich bin Herrn Steiger immer dankbar.“ Ihr Mann machte die Knochenarbeit beim Umbau. Er hat viel und schwer gearbeitet in seinem Leben und lebt nun im Ruhestand, während seine Frau für den Kebap-Palace 38 lebt.
Wie früher auf dem Bauernhof kocht Sehra Ünsal ohne Fertigprodukte
Morgens früh um fünf macht sie den Teig für Pide und Pizza. „Er muss acht Stunden ruhen“, sagt sie. Jeden Tag kauft sie frisches Gemüse ein. Jede Woche lässt sie sich mit haltbaren Lebensmittelrohstoffen beliefern. Alles, was irgendwie geht, macht sie selbst und möglichst so, wie es ihre Mutter früher auf dem Bauernhof in Sarioglan bei Kayseri machte. Einmal in der Woche bereitet sie die verschiedenen Soßen vor. Keine Dosensoßen. Keine Würzmischungen. Nichts Vorgebackenes. „Wir beziehen keine Fertigprodukte, nur Rohstoffe“, sagt Emre Ünsal, „das Einzige, was wir komplett geliefert bekommen, ist der Kebap-Spieß, aber den macht der Hersteller nach unseren Vorgaben und mit unserer Würzmischung.“
Anfangs hatte ein türkischer Bäcker die Baklava geliefert, aber ...
Als sie vor zehn Jahren im November den Laden eröffneten, hatte Zehra Ünsal noch nicht viel Routine und kaufte deshalb die türkischen Kleingebäcke, die Baklava, von einem Lieferanten zu. Sie waren gut. Aber sie wusste, dass ihre besser sind, ohne Geschmackszusätze, nur mit Naturprodukten mit den Nüssen und mit dem selbst gemachten Sirup. Sobald es ginge, machte sie die Baklava selbst. Seither backt sie fast jeden Tag eine Kuchenplatte voll, und die Kunden kaufen sie leer.
Selbst gemachte Manti sind eine Besonderheit im Palace 38
Was sind ihre ganz besonderen Speisen? Der Iskender Kebap und die Manti. Iskender Kebap ist geröstetes Brot, darüber eine besondere Tomatensoße und darüber Kebap-Fleisch, erklärt sie. Die Manti sieht man manchmal auf den Werbefotos des Kebap-Palace, aber da wirken sie nicht und werden gerne übersehen. Es sind ganz kleine Taschen aus Nudelteig und mit besonders gewürztem Fleisch gefüllt, erzählt sie. Alles selber gemacht. Und zwar gerne. Zehra Ünsal ist glücklich mit dem, was sie im ehemaligen Winnender Badhaus arbeitet, dass sie direkt über ihrem Arbeitsplatz wohnt wie früher auf dem Bauernhof, dass sie nette Kunden hat und dass so vielen Deutschen ihr türkisches Essen schmeckt. Ausgeglichen und entspannt wirkt sie, vor allem wenn sie von ihren erwachsenen Kindern erzählt, die in festen guten Berufen sind und trotzdem regelmäßig kommen und im Imbiss mithelfen. Nur eines denkt sie sich manchmal: „Es ist so eine schöne Arbeit – ich hätte zehn Jahre früher, als mein jüngster Sohn drei Jahre alt war, mit diesem Restaurant anfangen sollen.“