Leerstand in Winnenden: Günstige Miete als Anreiz für Gastronomie am Holzmarkt?

Timm Hettich schätzt sich glücklich als Wirtschaftsförderer in Winnenden: „Wir haben kein Leerstandsproblem wie andere Städte.“ In der Innenstadt macht er gar nur drei aus, die er wegen ihrer Lage und Größe zu den wichtigsten für eine attraktive Innenstadt zählt: Der ehemalige Männermodeladen „Har.dy“ mit 291 Quadratmetern auf zwei Etagen, nicht weit vom Marktplatz entfernt; die BW-Bankfiliale an der Marktstraße 10 mit 160 Quadratmetern; und die drei Gewerbeflächen im neuen Holzmarktcarré.
Hettich ist optimistisch, dass diese großen Leerstände in diesem Jahr behoben sein werden, zumal Makler mit der Vermittlung der Objekte betraut sind. Die Stadt unterstützt sowohl mit Vermittlung als auch mit der Start-up-Förderung „Rückenwind“. An die Stadt direkt sind von außen aber nur wenige herangetreten, die an passenden Flächen interessiert sind, innerhalb der Stadt suchen Einzelne etwas Neues. So gelang eine Vermittlung für einen Umzug innerhalb Winnendens voraussichtlich im Februar, nach dem ein einjähriger Leerstand (die frühere Änderungsschneiderei) an der Mühltorstraße 10 behoben sein wird.
Positivbeispiele: Eiscafé Venezia und Mariposa, das im Sommer 2023 eröffnen will
Seit Jahrzehnten hat Winnenden es vermieden, in den Gewerbegebieten Handel zuzulassen, der große Schuhladen und der Rewe im Langen Gewand sind Ausnahmen. So bleibt die Innenstadt ein vergleichsweise kleinteiliger, abwechslungsreicher Handelsstandort, an dem junge Leute und neue Gesichter Interesse haben. „Beispiel Eiscafé Venezia: Wenn da jemand Herzblut reinsteckt, kommt das positiv rüber und wird auch angenommen“, sagt Hettich über Robin Kovacevic und seine Geschwister, die nach der Erweiterung und Komplettrenovierung innen sich auch erstmals auf den Viehmarktplatz ausdehnen konnten mit einer attraktiven Außenbewirtung.
„Sehr glücklich bin ich auch über die Entscheidung von ,Mariposa’, am Bengelplatz eine Filiale aufzumachen. Das wird ein richtiges Schmuckstück“, ist sich Timm Hettich sicher. Er hatte Natalija Nazor schon vor drei Jahren angesprochen und ihr Winnenden schmackhaft gemacht. „Sie könnte nach der hochwertigen Sanierung mit dem Geschäft auch überlokale Kundschaft anziehen.“
Das war einst auch der Plan für ein größeres Sportgeschäft im Holzmarktcarré. Es hätte die Lücke von Sport Blessing geschlossen. Der Traum ist geplatzt: „Der Online-Anteil im Textileinzelhandel ist bereits bei 50 Prozent, die Nachfrage nach neuen Ladengeschäften in diesem Sektor gering“, so Hettich. Am Holzmarkt ist bisher erst ein Geschäft eingezogen, der Herrenmodenspezialist „An.dy“, und ist dort allerdings sehr zufrieden. „Für die Wahrnehmung des Areals ist es jetzt aber wichtig, dass sich die Flächen füllen“, so Hettich.
Familie Class verlangt von einem Gastronomen 13 Euro für den Quadratmeter im Neubau
Wie geht es jetzt also dort weiter? Vermieterin Catharina Class von der gleichnamigen Hausbau- und Immobilienfirma versucht, am Holzmarkt mit einer günstigen Miete (13 Euro pro Quadratmeter) Anreize zu schaffen, so dass sich im Neubau mit niedrigen Energiekosten ein Gastronom für die 195 Quadratmeter große Fläche mit Außenbewirtungsmöglichkeit findet. Und für den 115 Quadratmeter großen Laden (16 Euro pro Quadratmeter) sucht sie einen Juwelier, einen Optiker oder ein Reisebüro – zum Beispiel.
Drittens gibt es am Holzmarkt noch eine Fläche mit 210 Quadratmetern, die Catharina Class wegen der drei Arztpraxen in der ersten Etage für ideal für eine Apotheke hält. „Sie kann gekauft oder gemietet werden“, sagt sie und ist zum Jahresbeginn guter Dinge, dass sich etwas tut, auch wenn sie merkt, dass die Leute mit Investitionen weiter vorsichtig sind. „Wir sind in intensiven Gesprächen mit den bisherigen Interessenten und den neuen, die jetzt in der Weihnachtspause auf uns zugekommen sind.“
Der Vorteil sei, dass die Geschäfte im Rohzustand sind und nach den Wünschen der Mieter oder Käufer eingerichtet werden. „Beim Mobiliar können wir über eine Beteiligung reden“, stellt sie als Vermieterin in Aussicht. Von Seiten der Interessenten sei am wichtigsten, dass es Parkplätze gibt und eine ausreichend große Präsentationsfläche. Mit beidem kann sie dienen.
Auch für die frühere BW-Bank gibt es bereits Miet-Interessenten
Auch Maklerin Ljubica Solunovic geht hoffnungsvoll ins neue Jahr. Sie sucht im Auftrag des Hausbesitzers einen neuen Mieter fürs Erdgeschoss der Marktstraße 10. Hier stehen nur noch Geldautomat und Kontoauszugsdrucker von der BW-Bank, die neue Nutzung der Räume dahinter könne Handel, Büro oder Praxis sein. „Wir sind mit zwei Interessenten im Gespräch. Die Vorgabe war lediglich: keine Gastronomie.“ Diese sei bereits ausreichend vorhanden an der unteren Marktstraße.
„Wir wollen, dass der Mix passt, dass mehr Bewegung reinkommt in diesen Teil der Fußgängerzone, dass die Leute Lust zum Schlendern haben.“ Die 160 Quadratmeter stehen für 21 Euro pro Quadratmeter beim Immobilienbüro Winnenden im Angebot – Baujahr des Hauses ist 1968. Aus den fünf Räumen kann man auch einen machen. Ljubica Solunovic ist seit 30 Jahren Maklerin und hat die gesamte Region im Blick: „Die Situation hat sich total verändert. Corona wirkt nach, bei vielen ist das Ersparte weg, dabei ist es ohne Eigenkapital noch viel schwieriger geworden, bei Banken ein Darlehen zu bekommen.“
Zum Objekt an der Marktstraße 43 hat sich leider trotz mehrmaliger Rückrufbitte bisher niemand vom Maklerbüro gemeldet.