Nach Messerattacke auf 16-Jährigen in Winnenden: Die Hintergründe zu der Tat

In einer Wohngruppe der Paulinenpflege in Winnenden ist am Mittwoch, 15. März, ein Streit eskaliert. Das teilte die Polizei am Freitag mit. Dabei ist ein 16-Jähriger bei einem Messerangriff schwer verletzt worden. Was genau ist passiert und wie kann so etwas künftig verhindert werden? Marco Kelch, Pressesprecher der Paulinenpflege, äußert sich auf Nachfrage unserer Redaktion zu den Hintergründen.
Wie aus der Mitteilung der Polizei hervorgeht, gerieten ein 15- und ein 16-Jähriger am frühen Nachmittag zunächst verbal in Streit. Anschließend trennten sie sich. Kurze Zeit später ging der 15-Jährige laut Polizei jedoch erneut zu seinem Kontrahenten. Er verletzte den 16-Jährigen mit einem Küchenmesser am Rücken. Ein Betreuer eilte hinzu und ging dazwischen. Der 16-Jährige kam schwer verletzt in ein Krankenhaus. „Der 15-jährige afghanische Staatsangehörige wurde in eine psychiatrische Einrichtung eingeliefert“, berichtet die Polizei.
Streit um Boxhandschuhe
Marco Kelch kennt als Pressesprecher der Paulinenpflege die Strukturen der Einrichtung ganz genau: Bei der betroffenen Wohngruppe handelt es um eine gemischte Wohngruppe mit Jugendlichen unterschiedlichen Alters, erklärt er. Die beiden Jugendlichen, unter denen es zum Streit kam, seien unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Der 16-Jährige lebt schon längere Zeit in Winnenden, der 15-Jährige hingegen wohnt erst seit drei Wochen in der Gruppe.
Entfacht hat sich der Streit laut Kelch um Boxhandschuhe, die nicht ordnungsgemäß aufgeräumt wurden. Zunächst haben sich die Jugendlichen verbal gestritten, konnten sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunft allerdings kaum verständigen. „Es kam wohl zu Missverständnissen und dem Gefühl, beleidigt worden zu sein mit der Folge eines Faustschlags des 16-jährigen“, schreibt Marco Kelch. Man habe die Jugendlichen sofort getrennt, was auch funktioniert hat: Beide haben sich in unterschiedliche Räume zurückgezogen.
Der 15-Jährige jedoch hat sich damit offenbar nicht abgefunden. Er schnappte sich ein Küchenmesser, fand den 16-Jährigen und stach ihm von hinten in den Rücken. „Der anwesende Mitarbeiter griff wieder sofort ein, schloss sich und den Verletzten in der Küche ein und rief Notarzt und Polizei“, berichtet Kelch von einem geistesgegenwärtigen Betreuer.
Entwarnung: Der 16-Jährige kann das Krankenhaus wohl bald verlassen
Glücklicherweise kann Kelch inzwischen Entwarnung geben, was den Verletzten betrifft. Er befindet sich zwar noch im Krankenhaus, es besteht jedoch keine Lebensgefahr und seine Entlassung steht kurz bevor. „Der Täter befindet sich aktuell in der Jugendpsychiatrie. Er bedauert die Eskalation und hat an den Verletzten einen Brief geschrieben, in dem er um Entschuldigung bittet“, erklärt Kelch. Folgen hat der Vorfall für beide: Sie werden nicht mehr in die Einrichtung zurückkehren. Man prüfe momentan alternative Unterbringunsmöglichkeiten. Andere Mitbewohner haben die Tat nicht mitansehen müssen, trotzdem reagierten sie verängstigt und verstört, schreibt der Pressesprecher.
Für die Paulinenpflege und ihre Betreuer ist eine solche Eskalation neu. „Wir hatten derartige Angriffe bisher nicht.“ Nun herrsche erhöhte Aufmerksamkeit bei den Mitarbeitern, von denen selbstredend niemand mit einem solchen „Racheakt“ gerechnet hat.
Kripo hat die Ermittlungen zum Fall übernommen
Über die Zusammensetzung der Wohngruppen versuchen die Experten der Paulinenpflege, derlei Vorfällen und Streitereien vorzubeugen. „Beispielsweise ist es gut, wenn eine weitere Person die gleiche Sprache spricht. Wenn jemand aggressiv erscheint, ist eine Gruppe mit Personen gut, die ausgleichen können“, erklärt Kelch. Die Paulinenpflege hatte zu Hochzeiten bis zu 120 geflüchtete Jugendliche, hat also „intensive, langjährige Erfahrung, auch im Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen.“ Trotzdem war dieser Fall nicht zu verhindern. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen dazu übernommen.
Die Verantwortlichen der Paulinenpflege hoffen nun, dass es sich bei der Attacke um eine Ausnahme handelt. Trotzdem befürchtet der Pressesprecher: Man werde künftig verstärkt auch mit solchen oder vergleichbaren Problemen rechnen müssen.