Neue Steuer auf Wettbüros
Winnenden. Die drei unserer Zeitung bekannten Winnender Wettbüros sehen nicht aus wie klassische Geldquellen. Aber vielleicht sind sie es trotzdem. Die Stadt jedenfalls will sie ab 1. Januar besteuern. Drei Prozent auf jeden Wetteinsatz inklusive Nebengebühren sollen sie bezahlen.
Sie heißen Tiptorro, HPYBET oder Tipico, und sie liegen am Rande der Innenstadt, eines neben dem Helal-Market, eins in der Fußgängerunterführung und eines in der nur noch schwach frequentierten Passage links neben dem Turmstüble, und alle haben eines gemeinsam: eine gleichmütige friedfertige Höflichkeit ihrer Büroleiter. „Sie sind Journalist? Trinken Sie einen Kaffee? Ich kann Ihnen das Wettsystem erklären. Ja, von einer Wettbürosteuer habe ich gehört, aber mein Chef ist nicht hier. Er ist in Nürtingen.“
Wetten gibt es für Fußballspiele auf der ganzen Erde
Das Wettsystem bietet eine große Vielfalt: Handball, Fußball, algerische Liga, Spiele der Slowakei, Radrennen, Eishockey. An einem ganzen normalen Wochentag abends um 18.30 Uhr sind die Wettbüros Oasen der Ruhe. Bildschirme leuchten. Ein bis vier Männer stehen an Terminals.
Ein Bündel von schrumpeligen Zehn-Euro-Scheinen zieht einer aus der Jackentasche. Einen schiebt er in den Geldschlitz, tippt etwas ins Terminal, kriegt einen Papier-Ausdruck und ist ganz schnell wieder draußen aus dem Wettbüro. Hatte er gewonnen? Sein Blick verrät gar nichts, vorher nicht und nachher nicht. Er geht einfach wieder raus.
Bundesverwaltungsgericht vermutet Suchtgefahr und lässt Steuer zu
Macht so etwas süchtig? Ähnlich wie Glückspiel? Das Bundesverwaltungsgericht vermutet eine erhöhte Suchtgefahr, wenn die Spieler das Wettgeschehen auf Bildschirmen mitverfolgen können und ihr Geld für Wetten einsetzen. Soweit der Journalist dies bei einer Stippvisite beobachten kann, ist so etwas möglich in den Winnender Büros.
Jedenfalls hat das Bundesverwaltungsgericht Mitte 2017 entschieden, dass Gemeinden Wettbüros dann besteuern dürfen, wenn sie die Wettscheine annehmen und gleichzeitig die Spielübertragungen auf Monitoren zeigen. Ob die drei Winnender Büros die Kriterien des Bundesgerichts tatsächlich im Detail erfüllen, werden Fachleute der Stadt noch an Ort und Stelle überprüfen. Wenn die Voraussetzungen da sind, wird die Stadt die Wettbürosteuer erheben – so hat es der Gemeinderat einstimmig beschlossen.
Das Spannendste, was man von Reportagen aus England, von britischen Spielfilmen und aus argentinischen Tangoliedern kennt, sind die Pferdewetten, bei denen schon mancher arme Tropf wegen einer Pferdekopflänge sein Restvermögen verloren haben soll. In Winnenden gibt’s die nicht.
„Wie bitte? Was haben Sie gefragt? Pferdewetten? Nein, das kennen wir nicht.“ „Wenn hier mal mehr Engländer herziehen, bieten wir das vielleicht auch noch an. Aber wer von uns hier will das schon?“ So reagieren die Büroleiter auf Journalistenfragen. Ob die anderen Sportwetten für die Steuerpflichtigkeit genügen, das werden die Fachleute der Stadt herausfinden.
Lahr und Baden-Baden haben die neue Steuer bereits
Winnenden ist den meisten anderen Städten im Rems-Murr-Kreis um eine Pferdekopflänge voraus mit der Wettsteuer. In Baden-Württemberg haben seit 1. Juli die Städte Lahr und Baden-Baden die Wettbürosteuer eingeführt. Von deren Erfahrungen ist noch nichts bekannt.
Der Städtetag hat noch keine Mustersatzung, und die Winnender Steuerfachleute können ihre Erfahrungen mit der Glücksspielsteuer nicht auf die Wettbüros übertragen. „Es können keine Angaben zur voraussichtlichen Ertragsentwicklung gemacht werden“, heißt es in der Verwaltungsvorlage.
Steuererklärung vierteljährlich
Die Stadt orientiert sich bei der Wettbürosteuer an der Stadt Dortmund und am Städtebund Nordrhein-Westfalen. Die empfehlen einen Steuersatz von drei Prozent auf den Gesamtumsatz des Wettbüros, das heißt auf Wetteinsatz und Nebengebühren.
Bundesweit existiert eine Sportwettensteuer, die fünf Prozent vom Nennwert des Wettscheines verlangt. Die bleibt. Die kommunale Steuer kommt hinzu, so dass ein Wettbürobetreiber künftig vom Umsatz 19 Prozent Mehrwertsteuer, 5 Prozent Sportwettensteuer plus 3 Prozent städtische Wettbürosteuer berappen muss.
Fällig wird die Steuerzahlung vierteljährlich. Zehn Tage nach Quartalsende muss das Wettbüro eine Steuererklärung vorlegen.
Was für die Stadt dabei herausspringt, ist schwer zu planen. Die Wetteinsätze werden ganz sicher schwanken. Große Sportereignisse werden hohe Wetteinsätze zur Folge haben. Dies bestätigt ein Büroleiter eines Wettbüros: „Wenn Bundesligaspiele sind, ist es hier voll.“