Versuchtes Tötungsdelikt in Winnenden: Zwischen Täter und Opfer bestand ein Annäherungsverbot

Mit einer abgebrochenen Bierflasche hat ein 35-Jähriger in Winnenden auf seine getrennt von ihm lebende Ehefrau eingestochen. Die Polizei geht von einem versuchten Tötungsdelikt aus. Der Mann befindet sich mittlerweile in Untersuchungshaft.
Er ist laut Polizei-Sprecher David Ebert „kein Unbekannter“; es sei in der Vergangenheit bereits wiederholt zu Auseinandersetzungen gekommen zwischen dem 35-jährigen Iraker und seiner Noch-Ehefrau. Der Mann hat laut Polizei früher schon Straftaten gegen die Frau verübt, weshalb ein Annäherungsverbot ausgesprochen worden war.
Das Annäherungsverbot hat offenbar nichts genutzt
An dieses Verbot hat sich der Mann am Donnerstagabend vergangener Woche ganz offensichtlich nicht gehalten. Auf dem Schulhof des Lessing-Gymnasiums in Winnenden traf er gegen 21.30 Uhr auf die 33-Jährige und griff sie mit einer Flasche an. Laut Polizei schlug der Mann zunächst mit der Bierflasche auf die Frau ein, woraufhin die Flasche zerbrach. Passanten griffen ein. Daraufhin ließ der Mann von der 33-Jährigen ab.
Kurz vor 2 Uhr in der Nacht auf Freitag trafen Polizisten den Mann in seiner Wohnung an und nahmen ihn fest. Noch am selben Tag erließ ein Richter Haftbefehl. Vorerst ist die Frau damit vor weiteren Attacken geschützt. Das Annäherungsverbot hat ganz offenbar nichts genutzt.
Ein solches Verbot kann ein Amtsgericht aussprechen. Das Gericht kann, sofern jemand bereits Gewalt ausgeübt oder angedroht hat, der betreffenden Person untersagen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung des Opfers aufzuhalten oder Orte aufzusuchen, an welchen das Opfer öfter anzutreffen ist.
Per Gewaltschutz-Anordnung kann ein Gericht explizit verbieten, die betreffende Person anzurufen, ihr eine Mail zu schreiben oder auf andere Art und Weise mit ihr in Kontakt zu treten. Kommt es zufällig zu einem Zusammentreffen, muss der mutmaßliche Täter umgehend verschwinden.
"Es muss erst etwas passieren"
Soweit die Theorie. Allen Beteiligten ist klar, dass sich eine zu Gewalt entschlossene Person von solchen Anordnungen nicht wird abhalten lassen. „Es muss erst was passieren“ und „warum läuft der überhaupt noch frei rum“ – so heißt es dann. Richtig ist: Im Rechtsstaat wird eine verübte Straftat geahndet – keine zu erwartende.
In Baden-Württemberg wird immer mal wieder über Gefährderhaft in extremen Fällen von häuslicher Gewalt debattiert. Das hieße, ein Aggressor könnte tatsächlich aus dem Verkehr gezogen werden, bevor er ausrastet und noch Schlimmeres anrichtet. Diese Haft wäre natürlich zeitlich begrenzt und würde deshalb dem Opfer allenfalls eine Atempause verschaffen.
Rund-um-die-Uhr-Polizeischutz ist nicht vorgesehen
Sehr oft hilft es, wenn sich die Polizei einen Aggressor zur Brust nimmt und ihm unmissverständlich klarmacht, dass sein Verhalten nicht geduldet wird, berichten Experten. Doch „sehr oft“ heißt auch: nicht immer. Rund-um-die-Uhr-Polizeischutz ist nur vorgesehen für sehr hochrangige Politiker oder Personen des öffentlichen Lebens mit hohem Gefährdungspotenzial. Bei wiederholten Attacken gegen (Ex-)Partner(innen) sind solche Maßnahmen nicht vorgesehen – und ließen sich angesichts der Vielzahl der Fälle niemals realisieren.
Trotz allem hat das Gewaltschutzgesetz, das im Jahr 2002 in Kraft getreten ist, Verbesserungen gebracht. Davor betrachteten Staat und Gesellschaft Gewalt im familiären Umfeld als Privatsache, was einer stillschweigenden Duldung gleichkommt. Erst im Zuge des Gesetzes wurden diese Gewaltformen als Straftaten eingeordnet.
Die jüngste Beziehungstat im Rems-Murr-Kreis liegt erst gut eine Woche zurück. In der Nacht auf Sonntag, 21. Juni, wurden in Allmersbach eine 41-jährige Frau und deren neunjährige Tochter getötet. Der Ex-Partner der Frau gestand die Tat.