Winnenden: Vertrag zu Straftäter-Therapie sorgt für Spannungen im Gemeinderat

Wer dachte, die Debatte um Straftäter-Therapie in Winnenden sei mit den neuen Standortvorschlägen im Schlosspark beendet, irrt. Denn jetzt rumort es im Winnender Gemeinderat: Die FDP versuchte am Dienstagabend erfolglos, aber unterstützt von Räten aus anderen Fraktionen, den Tagesordnungspunkt zum Maßregelvollzug absetzen zu lassen. In der folgenden Diskussion fühlte sich Fraktionschefin Nicole Steiger dann „wie in einer Laienschauspielgruppe“. Und geriet schließlich sogar mit Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth aneinander.
Der Rathauschef hätte sich gewünscht, dass die Rahmenvereinbarung, die er im zurückliegenden halben Jahr mit dem Land Baden-Württemberg ausgehandelt hat, bei einer Mehrheit im Gremium Zustimmung findet. Das Schriftwerk, das vor allem das Mitspracherecht der Winnender regelt und zum Beispiel den Erhalt des Polizeireviers garantiert, wäre dann reif gewesen für die Unterschriften von Holzwarth, ZfP-Geschäftsführerin Anett Rose-Losert und Sozialminister Manne Lucha.
Stattdessen haben die Stadträte am Dienstag zweieinhalb Stunden lang diskutiert – und der Verwaltung letztlich eine Hand voll Änderungen diktiert (siehe Infokasten). Die schickte Holzwarth wiederum am Mittwoch ans Sozialministerium. Ob das Land den Wünschen der Winnender entspricht, wird dort jetzt diskutiert. Eine endgültige Entscheidung über die „Rahmenvereinbarung zum Maßregelvollzug am Standort Winnenden“ könnte dann laut Holzwarth im Gemeinderat Ende Februar fallen.
FDP-Sprecherin Nicole Steiger als Wortführerin der Skeptischen
Oder eben nicht, denn es gibt im Gremium (wie auch in der Bevölkerung) durchaus Bürgervertreter, die das Projekt ablehnen oder diesem sehr skeptisch gegenüberstehen. Als inoffizielle Wortführerin dieser Gruppe hat sich am Dienstagabend Nicole Steiger herauskristallisiert. Die FDP-Fraktionssprecherin hatte am Dienstagmittag per E-Mail angekündigt, am Abend zu beantragen, das Thema von der Tagesordnung zu streichen, weil der vorgelegte Vertrag noch nicht „abstimmungsreif“ sei. Was sie dann auch tat.
Steiger betonte, der Gemeinderat habe noch nicht darüber abgestimmt, ob er „überhaupt einen Maßregelvollzug in Winnenden haben möchte oder nicht“. In der FDP-Fraktion lehnten manche den Maßregelvollzug „in einer durch den Amoklauf traumatisierten Stadt“ absolut ab, andere würden ihn „dulden“, wenn er außerhalb des Stadtgebiets gebaut würde und wieder andere würden auch den Bau im Schlosspark „akzeptieren“, wenn die Bürger nicht „verkehrlich und baulich“ belastet würden. Ein ähnliches Stimmungsbild herrscht wohl bei der Freien Wählervereinigung (FWV), wie deren Sprecher Hans Ilg bestätigte.
Die Räte können den Bau nicht verhindern
Klar ist den Räten aber auch: Mit ihrem Votum können sie den Bau eines Maßregelvollzugs in Winnenden nicht verhindern. Das Psychiatrie-Gelände gehört dem Land, es darf darauf letztlich bauen, was es möchte, wenn es sich nur ans Baurecht hält. Das ZfP in Winnenden ist das einzige in Baden-Württemberg ohne Maßregelvollzug. Und die Therapieplätze für suchtkranke Straftäter werden dringend benötigt. Einfluss nehmen können die Räte aber über die Rahmenvereinbarung. Diese auszuhandeln haben sie OB Holzwarth schon im vergangenen Sommer beauftragt.
Keinen Vertrag abzuschließen, hielte auch Nicole Steiger für falsch. Sie wünsche sich, dass sich das Land mit möglichen Standorten außerhalb der Stadt auseinandersetze, Regelungen zum Verkehr in die Rahmenvereinbarung aufgenommen würden, die Stadt sich juristisch beraten lasse und überhaupt eine „konstruktiv-kritische“ Begleitung des Vorhabens durch den Gemeinderat.
Diese Auseinandersetzung hätte am Dienstagabend allerdings nicht stattgefunden, hätte ihr Antrag, den Tagesordnungspunkt abzusetzen, eine Mehrheit erlangt. Der Antrag wurde jedoch mit 11:10-Stimmen abgelehnt – und die inhaltliche Auseinandersetzung konnte beginnen.
Reiberei wegen Steigers Kommentar
Dass Steiger dann im Verlauf des Feilschens um neue Formulierungen und Forderungen sagte, sie fühle sich „wie in einer Laienschauspielgruppe“, stieß bei anderen im Gremium auf Kritik. „Laientheater? Das ist doch der Wunsch, dass wir reden und diskutieren!“, sagte etwa Thomas Traub (CDU).
Kurz darauf legte Steiger nach: „Uns geht’s um Transparenz“, so die FDP-Frau, „wir sind nicht die Pressesprecher des Sozialministeriums, sondern den Bürgerinnen und Bürgern verantwortlich.“
Woraufhin OB Hartmut Holzwarth seinerseits eine Spitze setzte: „Wir machen hier aber auch keine Landespolitik.“ Minister Lucha steht bekanntlich beim Thema Maßregelvollzug deutlich unter Druck insbesondere der Oppositionsparteien FDP und SPD.
Verstimmt zeigte sich Holzwarth auch über die Forderung Steigers nach juristischem Beistand beim Aushandeln des Vertrags. „Danke für das Vertrauen“, kommentierte er sarkastisch. Einen entsprechenden Antrag zog Steiger dann aber zurück. Ein weiterer Antrag, die genaue Polizeistärke in der Rahmenvereinbarung festzuschreiben, wurde knapp abgelehnt, nachdem Holzwarth mehrfach versichert hatte, beim Land sei in diesem Punkt nichts zu machen.