Winnenden

Winnender Testunternehmer: Eine Geschichte vom wilden Ritt auf der Corona-Welle

Betreiber Teststationen
Noah Schäftlmeier (links) und Philipp Hatzis. © Alexandra Palmizi

Vielen haben sie Feste, Geburtstage oder jüngst das Weihnachtfest erträglicher gemacht. Die Gewissheit gegeben, dass man nicht ansteckend ist, Freunde und Verwandte nicht mit dem Coronavirus infiziert. Oder eben doch infiziert ist, sich in Quarantäne begibt und die Familie schützt. Gemeint sind die Winnender Noah Schäftlmeier und Philipp Hatzis. Beide leiten Corona-Teststationen. Ein Balanceakt. Denn eigentlich studieren sie auch. Eine Geschichte vom wilden Ritt auf der Corona-Welle, einem Auf und Ab mit den Infektionen. Mittendrin: zwei junge Winnender.

Plötzlich ist der OB oder die Zeitung am Telefon

Während Schäftlmeier die Teststation am Kronenplatz, die am Leutenbacher Löwenplatz und 13 andere im ganzen Bundesgebiet betreibt, kümmert sich Philipp Hatzis darum, dass seine Testzentren auf dem Schotterparkplatz beim Wunnebad, in Hertmannsweiler, in Birkmannsweiler, in Berglen-Oppelsbohm und Laupheim laufen. „Da kommt das Studium zu kurz“, sagt Hatzis. Seinen Bachelor als Vertriebsingenieur hat er schon in der Tasche. Jetzt ist der 29-Jährige dabei, seinen Masterabschluss zu machen. Der neun Jahre jüngere Noah Schäftlmeier studiert internationale Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Management in Koblenz. „Eigentlich bin ich bis 17 oder 18 Uhr im Büro. Im Anschluss kümmere ich mich um das Studium. Teilzeit-Studium, Vollzeit-Job“, sagt er. Die Testunternehmer sind froh, dass im Studium momentan nahezu alles online abläuft. So bekommen sie ihre Teststationen und das Lernen besser unter einen Hut.

Schäftlmeier bekommt pro Woche unglaubliche 150.000 Tests geliefert

Anfangs lief auch nicht immer alles rund. Beide mussten sich zunächst in die Verordnungen und Regeln reinfuchsen. Zwischendrin ist dann plötzlich Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth oder die Zeitung am Telefon. „Das war natürlich neu. Aber man hat sich inzwischen daran gewöhnt“, sagt Philipp Hatzis.

Noah Schäftlmeier hat Anfang des Jahres in Ludwigsburg die zweite Teststation in ganz Baden-Württemberg eröffnet, am 27. März folgte die am Winnender Marktplatz (jetzt Kronenplatz). Im April zog Philipp Hatzis am Wunnebad Parkplatz nach, kurz zuvor war er schon in Berglen aktiv.

Schäftlmeier hat inzwischen 15 Teststationen in ganz Deutschland. In Koblenz hat er ein Büro und zwei Lagerräume angemietet, bekommt pro Woche unglaubliche 150.000 Tests geliefert. „Mit unseriösen Anbietern hatten wir glücklicherweise gar nicht zu tun“, erzählt er. Auch Philipp Hatzis hat damit bisher keine Erfahrungen gemacht.

400 bis 600 Tests am Tag - an Ostern waren es über 1000

Über die Feiertage waren die Stationen geöffnet. „Weihnachten war allerdings ziemlich ruhig“, berichtet Hatzis. Noah Schäftlmeier nickt. Er hat dieselben Erfahrungen gemacht. „In Winnenden machen wir im Schnitt 400 bis 600 Schnelltests am Tag“,ordnet er ein. Bei Hatzis sind es weniger, er hat allerdings auch kürzere Öffnungszeiten. Am stressigsten sei es bisher an Ostern gewesen. Wenige Tage zuvor hatte die Bundesregierung neue Regeln festgezurrt, es begann ein Ansturm auf die Teststationen. „Wir hatten in Winnenden 1200 Tests an einem Tag. Fünf Mitarbeiter waren zum Testen da. Das ist das absolute Maximum. Mehr geht nicht“, sagt Schäftlmeier. Auch Philipp Hatzis ist es so ergangen. „Extrem war auch der 4. Dezember, als in Baden-Württemberg eine neue Verordnung beschlossen wurde“, erinnert sich Hatzis. Niemand habe mehr richtig gewusst, was gilt und was nicht. Schon am nächsten Tag gab es wieder Ausnahmen für Geboosterte. „Wir sind extrem abhängig von politischen Entscheidungen. Die Teststationen sind nichts, worauf man ein Leben lang bauen kann. Theoretisch kann es morgen vorbei sein“, weiß Schäftlmeier.

„Die Goldgräberstimmung, die es im Frühjahr gegeben hat, ist vorbei“

Gewissermaßen ist es ein Auf und Ab mit der Corona-Welle. „Im Sommer hatten wir eine ganze Zeit lang sehr wenig zu tun“, erinnert sich Hatzis. Da er nur Minijobber und Studenten eingestellt hat, war für ihn das Management etwas einfacher, als für Schäftlmeier, der mittlerweile fast 300 Mitarbeiter hat. Acht Personen kümmern sich nur um die Verwaltung. „Als man im Oktober für die Tests bezahlen musste, hatten wir zwar konstant unsere 60 bis 80 Tests am Tag, aber das lohnt sich nicht für uns. Da haben wir draufgelegt“, erzählt Schäftlmeier. Deshalb ist ihm klar: „Nur auf die Tests zu setzen, wäre blauäugig. Die Goldgräberstimmung, die es im Frühjahr gegeben hat, ist vorbei.“ Acht Euro erhält man mittlerweile pro Test, anfangs waren es noch zwölf Euro.

Mitte Januar soll es in Winnenden weitere PCR-Test-Angebote geben

Beide sind sich einig, dass sie in der jetzigen Situation nicht mehr mit ihrer ersten Station begonnen hätten. „Was die Gesundheitsämter mittlerweile verlangen, ist ziemlich heftig. Eine Genehmigung zu erhalten ohne wirklich in der Materie drin zu sein, das ist fast nicht mehr möglich“, weiß Schäftlmeier. Er hat einen Arzt an seiner Seite, der sich um Formalitäten für die Gesundheitsämter kümmert. „Teilweise läuft dort alles per Fax, vor allem im Osten“, berichtet der 20-Jährige von veralteten Übermittlungsmethoden. Im Januar bringt Schäftlmeier 20 weitere Testzentren bundesweit an den Start. „70 Anträge haben wir für Teststationen insgesamt gestellt, 35 wurden bewilligt“, nennt er eine Zahl.

Mittlerweile bekomme man eigentlich nur noch einen positiven Bescheid von den Ämtern, wenn man auch PCR-Tests anbietet. Das wollen sowohl Schäftlmeier als auch Hatzis bald in Winnenden tun. Noah Schäftlmeier will in den kommenden Tagen das ehemalige Hardy-Modegeschäft einrichten, dort hat er sich auf 50 Quadratmetern eingemietet. Mitte Januar soll es losgehen. Die PCR-Tests sollen in einem Labor bei Freiburg ausgewertet werden. Der 20-Jährige will ein Kuriernetz aufbauen, so dass die Tests dort schnell ankommen. Philipp Hatzis ist noch auf der Suche nach einem Raum, aber guter Dinge, schon bald Vollzug melden zu können. „Es gibt ein paar Ideen, aber spruchreif ist noch nichts“, sagt er.

Auch die Polizei hatte schon Einsätze am Testzentrum

Freuen würden sich die Unternehmer, wenn die zu Testenden manchmal ein bisschen mehr Geduld mitbringen würden. „Wir hatten einmal in Winnenden einen Buchungsfehler, die Termine haben sich deshalb nach hinten geschoben. Leute haben mit ihren Gehstöcken gegen die Türen geschlagen. Einmal hat eine Frau aus Wut die Kaffeekasse der Mitarbeiter geklaut. Wir haben die Polizei gerufen“, erzählt Schäftlmeier.

Ähnliches hat auch Hatzis erlebt, musste einmal gar ein Hausverbot aussprechen. „Manchmal fehlt ein bisschen die Anerkennung, schließlich ist das Angebot für die Leute kostenlos“, findet er. „Natürlich ist es blöd, wenn mal ein Testergebnis nicht ankommt, oder es ein anderes Problem gibt. Wir sind aber alle nur Menschen und oft liegt es gar nicht an uns, sondern daran, dass die Mailadresse falsch angegeben wurden“, hakt Noah Schäftlmeier ein.

Wünscht man sich als Testbetreiber ein Ende der Pandemie?

Apropos Wünsche: Hofft man als Betreiber einer Teststation überhaupt, dass die Pandemie endet? „Ja, unbedingt“, antworten beide gleichzeitig, „es reicht so langsam.“

Vielen haben sie Feste, Geburtstage oder jüngst das Weihnachtfest erträglicher gemacht. Die Gewissheit gegeben, dass man nicht ansteckend ist, Freunde und Verwandte nicht mit dem Coronavirus infiziert. Oder eben doch infiziert ist, sich in Quarantäne begibt und die Familie schützt. Gemeint sind die Winnender Noah Schäftlmeier und Philipp Hatzis. Beide leiten Corona-Teststationen. Ein Balanceakt. Denn eigentlich studieren sie auch. Eine Geschichte vom wilden Ritt auf der Corona-Welle, einem

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