Bedrohliche Corona-Demos: Polizeischutz für Bürgermeister von Winterbachs Partnergemeinde

Er ist seit 21 Jahren Bürgermeister und sitzt seit 2017 für die Österreichische Volkspartei (ÖVP) im Nationalrat, aber so etwas hat Christoph Stark noch nicht erlebt. Seit einiger Zeit braucht er Polizeischutz. Jede Woche demonstrieren in Gleisdorf, der Partnergemeinde von Winterbach, Gegner der Corona-Maßnahmen. An einem Abend zogen rund 2000 Menschen vor Starks Haus, stellten Grabkerzen in den Eingang und riefen: „Holt’s ihn raus!“ Er will nun trotzdem mit den Anführern der Demos in den Dialog treten.
Was ist da los, warum haben sich die Demonstranten in dieser Masse gerade Gleisdorf, die Kleinstadt in der Steiermark mit rund 11 000 Einwohnern, und Christoph Stark als Ziel herausgesucht? „Das halte ich für einen Zufall“, meint der Bürgermeister. Klar, er rufe immer wieder zum Impfen auf und stehe hinter den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Deswegen sei er als Bürgermeister und Nationalrat, also Abgeordneter im österreichischen Parlament, exponiert.
Die Demos seien aber zunächst für ganz Österreich angekündigt gewesen. Am 12. November habe es begonnen. In Gleisdorf hätten die Aufmärsche aus Sicht der Organisatoren wohl gut funktioniert, deswegen sei es wohl im Ort weitergegangen. Jeden Freitag und Sonntag treffen sich nun seit Wochen zwischen 200 und 2000 Menschen. „Ich nehme das nicht persönlich, das hätte auch woanders stattfinden können“, meint Stark.
„Das war eine sehr bedrückende Situation“
Ziemlich persönlich wurde es dann jedoch für Christoph Stark, als die „Spaziergänger“ eines Abends plötzlich vom eigentlichen Demo-Ort in der Stadtmitte vor sein Privathaus zogen. „Das war eine sehr bedrückende Situation“, sagt er. Seither sei es der Polizei gelungen, die Demos im Bereich des Hauptplatzes und des Einbahnrings zu halten. Das Wohnhaus des Politikers wird ebenfalls von der Polizei überwacht.
Aber nicht nur dieses wurde Ziel der zweifelhaften Aktionen gegen ihn. Am Laden seiner Ehefrau hing ein Zettel: „Ihr korrupter Mann Christoph Stark spaltet die Gesellschaft. Er muss als Politiker sofort abdanken!!!“
Stark veröffentlichte daraufhin ein wütendes Statement auf seiner Internetseite und auf Facebook, in dem er unter anderem schrieb: „Wenn Sie Ihre Meinung schon kundtun wollen und mich öffentlich der Korruption bezichtigen, dann zeigen Sie doch die Minimal-Courage, kommen zu mir ins Rathaus und sagen Sie mir das persönlich ins Gesicht! Am besten noch mit ein paar handfesten Beweisen.“ Und: „Meine Meinung kann mir niemand verbieten, auch diejenigen nicht, die mit lautem Verweis auf die Meinungsfreiheit demonstrieren.“
Wer sind die, die da in Gleisdorf Woche für Woche demonstrieren? Die wenigsten seien aus dem Ort selbst, meint Christoph Stark. „Ich gehe davon aus, dass die meisten Demonstrantinnen und Demonstranten friedliche Absichten haben“, sagt er. Es sei das ganze politische und gesellschaftliche Spektrum dabei. Zunehmend würden sich aber auch „rechte Elemente“ darunter mischen, bis hin zu den „Identitären“. „Das ist bedenklich.“
Anschläge auf Teststationen
An anderen Orten in Österreich sind die Dinge in anderer Weise eskaliert. In Graz ist zum Beispiel jüngst eine Corona-Teststation angezündet worden und abgebrannt. Auch in Deutschland sind solche Anschläge schon passiert, Teststationen oder Gesundheitsämter waren das Ziel.
Diese Entwicklungen und die Menschen, die bei Demos wie in Gleisdorf mitlaufen, teilweise zur Gewalt aufrufen und Verschwörungsmythen verbreiten, wieder einzufangen, sei schwierig, sagt Christoph Stark.
Der Gleisdorfer Bürgermeister hat den Organisatoren der Demos trotzdem ein Dialog-Angebot unterbreitet und sie zum Gespräch eingeladen. „Ich weiß nicht, ob es angenommen wird“, sagt er. „Aber anders geht es nicht. Wir müssen miteinander reden.“ Alles andere wäre „staatsautoritäres Verhalten“. Stark hält das Dialog-Angebot für richtig, auch wenn er sich sicher ist, dass es sich bei den Demonstranten um eine lautstarke Minderheit handelt, die die schweigende Mehrheit übertönt.
Impfpflicht in Österreich kommt
Bei seinen Aufrufen zum Impfen bleibe er. „Ich bitte die Menschen, von dem Impfangebot Gebrauch zu machen.“ Er bezeichne niemanden als Idioten, der sich nicht impfen lassen wolle, wie es auch behauptet worden sei. „Aber ich sehe die Impfung als einziges probates Mittel, die Pandemie zu bekämpfen. Das ist keine Frage.“
Beim freiwilligen Angebot soll es allerdings nicht bleiben. Die österreichische Regierung hat bereits angekündigt, eine Impfpflicht einführen zu wollen, die ab Februar 2022 greifen soll. Bisher sind nur 67 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher im impffähigen Alter vollständig geimpft. In Deutschland sind es inzwischen rund 69 Prozent.