Lehenbachschule Winterbach: Schüler proben Opernaufführung "Hänsel und Gretel"

Wer derzeit Dienstagvormittags über das Gelände der Winterbacher Lehenbachschule läuft, kann es kaum überhören: Aus dem Musiksaal im Erdgeschoss des Rektoratsgebäudes dringen rhythmische Trommelgeräusche und Gelächter. Hier bereitet seit Dezember jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag eine der drei siebten Klassen der Winterbacher Gemeinschaftsschule das Projekt „Impuls - MusikTheaterTanz 2021/2022“ vor. In Zusammenarbeit mit der Stuttgarter Oper erarbeiten die Schülerinnen und Schüler ihre Interpretation des Märchens „Hänsel und Gretel“, auch ein Besuch der Oper und ein exklusiver Blick hinter die Kulissen gehören dazu.
Jedes Jahr wird das Angebot von der Staatsoper Stuttgart ausgeschrieben. Thematisch orientiert es sich an deren aktuellem Programm. Es bestehe aus zehn Workshops pro Klasse sowie drei sogenannten „Highlights“, nämlich einem Besuch der echten Opernaufführung von Engelberg Humperdincks „Hänsel und Gretel“, einer Führung hinter die Kulissen und schließlich einer Aufführung an der Schule, erklärt Konrektor Peter Hutzel.
Mal macht das Kissen wütend, mal wird es von Wurf zu Wurf schwerer
Die Projektleiter starten den Workshop morgens mit einem Warm-up-Programm. Die erste Übung: die „magische Hand“. Hierbei muss ein Schüler mit seiner flachen Hand einen anderen durch den Raum dirigieren. Als weitere Übung zur Schärfung der Konzentration wird daraufhin ein Kissen zwischen den Schülern hin- und hergeworfen, das 20-mal ohne Unterbrechung gefangen werden soll. Eine zusätzliche Herausforderung: Die Jugendlichen müssen dabei verschiedene Situationen nachspielen. Mal macht das Kissen wütend, mal wird es von Wurf zu Wurf schwerer.
Eine Schülerin spricht kaum Deutsch, doch auch sie wird vollständig in das Programm eingebunden. Eine Lehrerin übersetzt, was als Nächstes getan werden muss, einige Mitschülerinnen und Mitschüler zählen auf Englisch mit. „Wir schaffen es, dass alle mitmachen können“, so Opern-Regisseur Jörg Behr, der mit dem Jazz-Schlagzeuger Uwe Kühn das Projekt leitet.
Nach dem Warm-up werden die Sprechrollen für die szenische Darstellung verteilt. An diesem Tag gibt es jeweils drei Hänsel, Gretel und Hexen. Dabei handelt es sich nicht etwa um Ersatzbesetzungen, stattdessen sollen alle gleichzeitig auf der Bühne stehen und im Text je nach Situation abwechseln oder im Chor sprechen. Nachdem die Rollen verteilt sind, übt Uwe Kühn mit allen verbleibenden Schülerinnen und Schülern den Sprechchor ein.
"Besondere pädagogische Herausforderungen"
Die neun Darsteller gehen zusammen mit Behr nacheinander ihre Texte durch. Zunächst sind manche noch etwas zögerlich, doch der Projektleiter animiert sie weiter und schafft es nach und nach, die Situation aufzulockern.
Hutzel und die Lehrkräfte Melanie Zivkovic und Helmut Hinderer wirken stolz, dass die Lehenbachschule an diesem Projekt teilhaben darf. „Die Voraussetzung war, eine Schule mit besonderen pädagogischen Herausforderungen zu sein“, erklärt Hinderer. Man habe es geschafft, die Thematik des Grimm’schen Märchens, die sich über Armut, Familienprobleme und Ausgrenzung erstreckt, in die heutige Zeit zu übertragen, und damit die Unterstützung der Stuttgarter Oper für sich zu gewinnen.
Solchen Problemen begegne man auch an der Schule und müsse darauf aufmerksam machen. „Wir hoffen, dass wir diese Botschaft ohne erhobenen pädagogischen Zeigefinger rüberbringen können“, sagt Hinderer.
"Das wird 'ne Hammer-Show"
Fünf der insgesamt zehn Workshops liegen schon hinter den Schülerinnen und Schülern. „Zur Halbzeit sieht es schon sehr gut aus“, findet der Konrektor. Auch Melanie Zivkovic kann das bestätigen: „Das wird ‘ne Hammer-Show“, sagt sie schmunzelnd.
Im Januar haben die siebten Klassen gemeinsam die Aufführung von „Hänsel und Gretel“ in Stuttgart besucht. Für die meisten sei es der erste Kontakt mit der Oper gewesen, so Hutzel. Der Großteil habe sich jedoch darauf gefreut, viele hätten sich extra schick gemacht. Im positiven Sinne überrascht seien einige von den Stimmen der Darsteller gewesen, erinnert sich der Konrektor. Besonders spannend habe die Klasse auch den Blick hinter die Kulissen der Staatsoper gefunden, der eine Woche zuvor stattgefunden hatte.
Das Opernprojekt wird organisiert und finanziert durch den Förderverein der Staatstheater Stuttgart und die Morpho Foundation. Neben den wöchentlichen Workshops werde auch eine Menge Geld für Dinge wie den Opernbesuch in die Hand genommen, sagt Helmut Hinderer, der findet: „Das ist nicht selbstverständlich.“
"Andere Sachen als Fernsehen und TikTok"
Vom Lerneffekt des Projektes für die Jugendlichen sind sie an der Lehenbachschule überzeugt: Auf diese Weise könne man den Schülern hautnah beibringen, welcher Aufwand und welche Bühnentricks hinter einer solchen Aufführung stecken, findet Behr. Peter Hutzel sieht im Impuls-Projekt noch weitere positive Effekte. Es zeige den Schülern, dass es „noch andere Sachen gibt als Fernsehen oder TikTok“. Viele haben gar nicht gewusst, was Oper eigentlich ist, doch seien bereit gewesen, sich ein Bild davon zu machen.
Von Seiten der Schüler selbst kommt ebenfalls positive Rückmeldung. „Es ist mal was anderes, Dienstag ist immer ein guter Tag“, findet ein 12-jähriger Schüler. „Es ist cool, dass sie das für unsere Schule machen“, fügt eine 13-jährige Mitschülerin hinzu.
Von den Ergebnissen des Opernprojekts an der Gemeinschaftsschule können sich Eltern und Mitschüler/-innen beim „öffentlichen Theaterabend“ am Montag, 13. März, um 17 Uhr in der Lehenbachhalle selbst ein Bild machen. Ob und in welcher Form über diesen Kreis hinaus weitere interessierte Zuschauer zugelassen werden können, soll noch beschlossen werden.