Winterbach

Renate und Richard Schrade haben 13 Enkel: Vertrauen und Halt in der Großfamilie

Schrade Enkel
Richard, Anna, Renate und Theresa Schrade (von links). © Reinhold Manz

„Es war immer unser Ziel, eine Fußballmannschaft zusammenzubekommen“, sagt Richard Schrade. Das ist ein Scherz, es steckt kein bestimmter Lebensplan hinter seiner Großfamilie mit fünf Kindern und 13 Enkelkindern. „Es war einfach, wir hatten viel Glück“, sagt Renate Schrade. „Das war keine Leistung.“ Erziehungstipps oder Rat für ein gelingendes, harmonisches Familienleben können sie denn auch eigentlich keinen geben – und wollen es auch nicht. Nur einen: Sich aufs eigene Gefühl zu verlassen.

Alter zwischen sechs Monaten und zwölf Jahren

Pia, Clara und Julie in Wien, Sofie, Martha und Valerie in Konstanz, Emilia, Henrik, Leonora, Hannah in Isny, Jasper in Heilbronn, Justus und Theresa in Winterbach – Richard Schrade kommt zwischendurch immer wieder kurz ins Schwimmen, wenn er spontan die Namen all seiner Enkelkinder aufzählen soll. Nach den 13 Geburtstagen will man da gar nicht mehr fragen. Die Älteste ist mit zwölf Jahren Sofie in Konstanz. Das jüngste Mitglied der Großfamilie sitzt gerade mit am Tisch in Winterbach und saugt an Oma Renates Finger: die sechs Monate alte Theresa.

Sie und ihr ihr zweieinhalb Jahre alter Bruder Justus sind tatsächlich die ersten Enkelkinder, die die Schrades aus der Nähe großwerden sehen, weil sie in Winterbach leben. Tochter Anna kam mit ihrem Mann 2022 aus Japan zurück, wo sie eine Hochschulprofessur hat, und wohnt jetzt in der Wohnung ihrer verstorbenen Oma. Alle anderen Schrade-Kinder sind wie sie nach dem Abitur in die Welt gezogen, um einen Beruf zu lernen oder zu studieren, sind anderswo sesshaft geworden und haben dort ihre eigenen Familien gegründet.

Anna Schrade sagt jetzt: „Man merkt schon, wie wichtig es für Kinder ist, Großeltern zu haben. Dieser Halt in der Familie, das ist extrem wichtig. Das unterschätzt man oft.“ Es gehe nicht nur um die ganz praktische Hilfe bei der Kinderbetreuung, auch als Ansprechpartner und Bezugspersonen seien Oma und Opa unheimlich bedeutsam.

Das sind Renate und Richard Schrade durchaus auch, wenn auch nicht in der Intensität und Nähe, für die Enkelinnen und Enkel, die nicht in Winterbach leben. An diesem Sonntag fahren die 74-Jährigen für eine Woche nach Isny ins Allgäu. Tochter Katarina geht als Lehrerin auf Schulausflug, der Schwiegersohn ist auch voll berufstätig, also kümmern sich Oma und Opa währendessen um ihre vier Enkelkinder.

„Wir hatten großes Glück“, sagt Anna Schrade über ihre eigene Kindheit. „Mit dem Haus an der Natur. Mit der Großmutter vor Ort.“ Die Oma sei immer da gewesen und sie sei dabei viel strenger im Umgang mit den Kindern gewesen als ihre Eltern. „Durch dieses Zusammenspiel hatten wir eine sehr gute Erziehung und Entfaltungsmöglichkeiten.“ Sie hätten als Kinder „unheimlich viel Zeit geschenkt bekommen.

Sicherheit und Vertrauen: „Zur Not ist immer Hilfe da“

Anna Schrade erzählt: Sie habe immer das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen in der Familie gehabt und habe es bis heute: „Zur Not ist immer Hilfe da.“ Durch diese positiven Erfahrungen, so denkt sie, hätten die Schrade-Kinder sich auch selbst dafür entschieden, so zahlreich eigene Kinder zu bekommen. Als ihre Schwester Katarina im Allgäu das vierte Kind bekommen hätte, hätten sie schon gedacht: Oh. Sie sage aber jetzt: „Wenn Schwangerschaft und Geburt nicht wären, könnte sie sich schon noch ein fünftes vorstellen.“

Richard Schrade sieht das Geheimnis seiner nach seiner Ansicht so wohlgeratenen Kinder in einer Art „Nicht-Erziehung“, wie er es nennt.“ Damit meint er: „Wir haben alles nach Gefühl gemacht.“ Erziehungsratgeber hätten keine Rolle gespielt. Heute sagt Anna: „Ich mache es auch nach Gefühl. Ich bin immer überrascht, wenn die anderen im Freundeskreis Bücher zitieren.“ Kinder seien so unterschiedlich und letztendlich wisse die Mutter selbst am besten, was die Kinder bräuchten. Es sei ein „Bauchgefühl“ oder „das Selbstbewusstsein: Man macht das schon richtig“.

"Wir hatten wahnsinnig viel Glück"

„Ich finde, dass es die heutigen Mütter schwerer haben“, sagt Renate Schrade. Sie selbst sei nicht berufstätig gewesen, das sei heute ganz anders, ihre Töchter seien bald nach der Geburt ihrer Kinder wieder arbeiten gegangen. Auch deswegen ist sie der Ansicht, dass das mit den fünf Kindern gar keine so große Leistung war. „Wir hatten wahnsinnig viel Glück“, sagt sie mehrfach im Gespräch. Dass nie jemand ernsthaft krank gewesen sei, dass die Kinder sich in der Schule leichtgetan hätten.

Aber sie ist auch überzeugt: „Das muss ich sagen: So viel falsch gemacht haben wir wahrscheinlich nicht, weil die alle immer zu uns kommen.“ So wie jetzt im Februar, als die ganze Großfamilie sich im Hause Schrade in Winterbach traf, als Tochter Eva mit ihren Kindern aus Wien zu Besuch war. „Da ist dann hier beim Mittagessen alles voll“, sagt Richard Schrade und deutet auf Esszimmertisch und rüber ins Wohnzimmer: „Da drüben eine Biergarnitur.“

Mindestens einmal im Jahr trifft sich die ganze Sippe, wenn möglich bei einem Urlaub auf einer Hütte in den Bergen, wie jetzt bald wieder in Südtirol. Ist das nicht ein Riesen-Tohuwabohu mit den 13 Kindern? Nein, meint Anna. „Wenn wir uns treffen, ist es eigentlich nie Stress, weil jeder mit anpackt.“ Unter den Geschwistern sei immer Harmonie gewesen.

Die Leere nach dem Auszug der Kinder

Für Renate Schrade war es vor vielen Jahren schon eine Herausforderung, sich auf die neue Situation einzustellen, dass irgendwann innerhalb kurzer Zeit alle fünf Kinder auszogen und das Haus leer war. Ja, am Anfang habe ihr schon etwas gefehlt, da sei eine gewisse Leere gewesen. „Dann habe ich mich orientiert und etwas für mich gemacht.“ Sie übernahm Ehrenämter, gab Sprachhilfe und Hausaufgabenbetreuung, organisierte das Sprachcafé für Frauen in Winterbach. „Jetzt genieße ich auch, dass ich keine Termine habe“, sagt sie. Und sie genießt die Nähe von Theresa und Justus. „Das ist jetzt schon was ganz Besonderes.“

„Es war immer unser Ziel, eine Fußballmannschaft zusammenzubekommen“, sagt Richard Schrade. Das ist ein Scherz, es steckt kein bestimmter Lebensplan hinter seiner Großfamilie mit fünf Kindern und 13 Enkelkindern. „Es war einfach, wir hatten viel Glück“, sagt Renate Schrade. „Das war keine Leistung.“ Erziehungstipps oder Rat für ein gelingendes, harmonisches Familienleben können sie denn auch eigentlich keinen geben – und wollen es auch nicht. Nur einen: Sich aufs eigene Gefühl zu

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