Kleine Kehrwoche

Armselig – sogar für Dieter

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Eine Castingshow sieht mancher als die große Chance für eine Bühnenkarriere. Doch meistens geht es den Machern eher um billige Trash-Unterhaltung auf einem fragwürdig niedrigen Niveau. © kimjinwoo73 / Pixabay

Ach, Dieter, wärst du doch im Ruhestand geblieben. Über 18 Jahre hinweg wurde „Superstar“-Juror Dieter Bohlen für seine Pöbel-Attacken zur RTL-Prime-Time gefeiert. Nach einem Jahr Zwangspause holte man ihn für Staffel 20 zurück – RTL war es ohne ihn wohl zu „brav“.

Und nun das: Auftritt der Kandidatin Jill Lange. Sie ist ein „Reality-Sternchen“: Ihre TV-Bekanntheit beruht auf der Häufigkeit ihrer Engagements in zweitklassigen Reality-Formaten. Bei DSDS, möchte sie indes durch ihren Gesang, ohne „Vorteile durch ihre Bekanntheit“ bestehen, betont die 22-Jährige in einem Video. Die RTL-Produzenten hatten ihr aber eine andere Rolle zugedacht.

Los geht’s schon bei der Vorstellung: RTL moderiert die Kandidatin süffisant an: „Ja, wo die Jill ist, da ist Qualitäts-TV.“ Dass man sich mit jenem Spruch selber ins Bein schießt, ist den Witzbolden wohl entgangen. Jill sagt: „Mit mir kann man richtig viel Spaß haben!“ Der Sprecher ergänzt: „Vor allem als Mann.“ Jill erklärt in einem eigenen Video, drei Songs gesungen zu haben – nur die schlechteste Darbietung habe man gezeigt. Einsatz Bohlen: „Hast du irgendwas Normales gemacht? Oder hast du nur Abi und dich durchnudeln lassen?“ Sowas fragt ein alter weißer Mann eine 22-Jährige. Zunächst gab RTL ihr noch selbst die Schuld. Später wurde die Szene wegen heftiger Kritik für die TV-Ausstrahlung geschnitten.

Dass es bei„Deutschland sucht den Superstar“ seltenst um Gesang geht, ist klar: Das Schlechteste ist gerade gut genug, um es genüsslich einem schadenfrohen TV-Publikum und Dieter zum Fraß vorzuwerfen. „Politisch korrekt bin ich nicht, werde ich nie sein. Will ich auch nicht“, sagte der vorab in einem Interview. Vor 20 Jahren hat man sowas oft noch weggelacht: Body-Shaming, Mobbing, Demütigung – „so ist er halt, der Dieter. Jeder weiß doch, worauf man sich bei DSDS einlässt“? So rechtfertigte RTL die Szene und offenbart, dass alles, was sich nach zwei Jahrzehnten endlich gesellschaftlich in Wahrnehmung, Bewusstsein, Empathie an Veränderung andeutet, an deren Produkten komplett vorbeiging.

Man darf eine Jill mögen oder auch nicht. Sie jedoch bewusst vor TV-Publikum als Projektionsfläche billiger Altmänner-Besetzungscouch-Fantasien zu missbrauchen, ist armselig; sogar für Dieter. Mit Staffel 20 soll DSDS enden; hoffentlich bleibt es beim „Ende mit Schrecken“.

Beste Grüße, Ihr Mathias Schwappach