Was heißt „Ich liebe dich“?
Im Rahmen einer Diskussion rund um einen „Feiertag der Liebenden“ geriet ich auf Facebook in eine Diskussion. Eine Spaß-Seite fragte: „Was ist die schlimmste Antwort auf „Ich liebe dich“?“ – Ein User antwortete: „Es ist eine Aussage und keine Frage! Also warum ist eine Antwort notwendig?“ – Da fühlte ich mich an das Linguistik-Studium erinnert und fragte mich: Mit welcher Intention wird denn „Ich liebe dich“ eigentlich gesagt?
Natürlich gibt es zweifelsohne den Beweggrund, dem Gegenüber einfach genau dieses Gefühl mitzuteilen. Aber wie ist auf diese Äußerung zu reagieren? Muss man reagieren? Muss man etwas erwidern? Wird das erwartet? All diese Fragen lassen eine zweite Deutungsebene zu, die in der linguistischen Pragmatik einzuordnen ist. So gesehen, wäre „Ich liebe dich!“ eine Art sogenannter Direktiv: Das Gegenüber würde – wie auch bei einer Frage – aufgefordert, etwas zu erwidern. Ein Direktiv ist verwandt zum Imperativ, weil man beim Gegenüber eine Handlung auslösen möchte. Was aber ist, wenn diese ausbleibt?
In der Pragmatik kommt es sehr oft auf gegenseitiges Verständnis und Kooperation an. Frage ich jemanden, ob er mir das Salz reichen können, dann setze ich voraus, dass er dies als Aufforderung versteht und ihr nachkommt. Anstatt zu erwidern: „Ja, dazu wäre ich in der Lage.“ So kommt es auch bei „Ich liebe dich!“ darauf an, wie der andere das versteht. Und wenn er es als Aufforderung versteht, ob er dieser nachkommt. Da gibt’s viel Spielraum für Interpretation – oder Verweigerung.
Dieser Kommentar von mir ergab bis heute 77 Likes. Die meisten haben die unterschwellige Ironie verstanden. Jedoch erhalte ich bis heute, über eine Woche später, weiterhin Reaktionen. Das Thema treibt um, die Intention der Äußerung ist auch je nach Kontext durchaus unterschiedlich. Abseits von der liebevollen Mitteilung wollen manche eben doch eine Erwiderung hören. Und wieder andere sagen es überhaupt nur deshalb, um eine Erwiderung zur Selbstbestätigung zu erhalten. Wie schreiben es manche im Beziehungsstatus: „Es ist kompliziert.“
Die schlimmste Erwiderung, da sind sich alle einig, wäre: „Ich mich auch“. Das bedeutet die Verweigerung einer kooperierenden Konversation und wäre bewusst offensiv. Am schönsten indes sei es, wenn man den Satz ohne ein schlechtes Gewissen so stehenlassen und genießen kann.
Freundliche Grüße, Ihr Mathias Schwappach