Drogenprozess gegen Backnanger: Kommt es zum juristischen Deal mit den Dealern?

„Früher hat man das manchmal als Deal bezeichnet“, sagte der Vorsitzende Richter Rainer Gless. Falls die angeklagten Backnanger im Drogenprozess am Stuttgarter Landgericht gestehen sollten, ließe sich vor der Urteilsverkündung ein sogenannter Strafkorridor vereinbaren, der eine erwartbare Unter- und Obergrenze vordefiniert.
Am vierten Verhandlungstag aber gab es noch keine Geständnisse von den mutmaßlichen Dealern. Um weiterzukommen, zog die neunte Strafkammer die psychiatrischen Gutachten zum Thema Einweisung in eine Entziehungsanstalt vor und zog sich dann mit der Staatsanwältin Christine Würthwein sowie den Verteidigern hinter verschlossene Türen zurück. Was dabei herauskam, wird sich der Öffentlichkeit eventuell am 10. März offenbaren, wenn der Prozess fortgesetzt wird. (Mehr zu dem Fall finden Sie hier und auch hier.)
Die Angeklagten, ein 40-jähriger Landschaftsbauer und ein 28-jähriger Gastronom, machen Drogenabhängigkeit geltend für den Tatzeitraum März 2020 bis Ende Juni 2022. Sie hätten viel Geld für den Eigenbedarf gebraucht. Gegenstand der Anklage ist, dass die beiden in der Pandemie insgesamt rund 300.000 Euro mit Drogengeschäften verdient haben sollen.
Waren die Angeklagten selber drogenabhängig?
Im Zuge seiner Exploration der beiden seit sechs bis sieben Monaten im Untersuchungsgefängnis Stammheim befindlichen Angeschuldigten beleuchtete der Gerichtspsychiater Jürgen Eckardt vom ZfP Weissenau/Ravensburg die medizinischen Befunde über die beiden Männer sowie ihre Lebensläufe. Bei dem noch nicht vorbestraften 40-Jährigen befürwortete er eine zweijährige Einweisung weniger als bei dem 28-Jährigen, der bereits einschlägige Vorstrafen hat.
Über den 40-Jährigen führte der Psychiater aus, dieser habe ihm gegenüber angegeben, nach einer Knieoperation Cannabis und CBD aus dem Automaten gegen Schmerzen gebraucht und sogar Opiate und Kokain konsumiert zu haben, was finanziell heftig zu Buche geschlagen habe. Herausfinden konnte der Psychiater weiterhin, dass sich der 40-Jährige mit etwa 300.000 Euro Schulden für ein Haus auf dem Buckel im Jahr 2019 mit einem Landschaftsbaubetrieb selbstständig gemacht hat und in der Pandemie gleich wieder damit eingebrochen ist.
Ein Psychiater wittert Widersprüche
Die Angaben dieses Angeklagten und die Berichte aus der JVA über Entzugserscheinungen könne er allerdings nur schwer miteinander vereinbaren, meinte der Psychiater. Bei ihm habe der 40-Jährige auch viel größere Konsummengen von Drogen angegeben als bei einer Suchtberaterin. Jürgen Eckardt legte sich nicht fest – er stellte die Einweisung in eine Entziehungsanstalt der Strafkammer anheim. Der Psychiater geht davon aus, dass ein nicht unerheblicher Teil des Gewinns aus Drogengeschäften für den Lifestyle-Konsum verwendet wurde.
Bei dem 28-jährigen Gastronomen, der wegen einer Drogenfahrt im Straßenverkehr den Führerschein verloren und schon gar nicht mehr neu gemacht hat, befürwortete der Psychiater die Behandlung in einer Entziehungsanstalt schon eher.
Dieser habe wegen des Kiffens schon eine Lehre nur mit Ach und Krach beendet und das Fußballtraining nicht mehr durchgehalten. Wegen Krankheit zwei Jahre arbeitsunfähig und deshalb schlecht kündbar, habe dieser Angeschuldigte unter dem Konsum von eigentlich verschreibungspflichtigem Tillidin die Zeit dazu genutzt, sein Lokal einzurichten.
Spannende Frage: Greift der Deal?
Sollten am nächsten Verhandlungstag Geständnisse kommen, für die das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwältin bereits eine Einstellung von kleineren der über 70 Anklagepunkte angeboten hat, kann in einem von beiden Seiten ausgehandelten Strafkorridor weitergemacht werden. Die Strafkammer ist jedoch nicht an den Deal gebunden, wenn weiterhin nichts zugegeben wird oder wenn eine unerwartete Wende im Prozess eintritt.