Rems-Murr-Kreis

Früher war mehr Schnee: Wann gab es im Rems-Murr-Kreis weiße Weihnachten?

Winter Welzheim
Ein Wintertraum in Welzheim, fotografiert am 17. Dezember. Wann lag zuletzt so viel Schnee? © Gabriel Habermann

Als wir Kinder waren, sind wir immer wochenlang Schlitten gefahren, und wir hatten im Rems-Murr-Kreis immer weiße Weihnachten. Das ist so eine ganz typische Boomer-Story, die vermutlich dieses Mal an Weihnachten wieder aufs Tapet kommt. Wie immer.

Gab es wirklich wochenlang Schnee und immer weiße Weihnachten?

Alle Boomer, also alle so ungefähr in den 60er Jahren Geborenen, müssen sich nicht mehr auf irgendwelche Erinnerungen verlassen, die mit der Realität sowieso kaum was zu tun haben: Man kann beweisen, dass es so nicht stimmt. Keine Frage, in den 70er Jahren beispielsweise hat’s öfter geschneit als jetzt. Der Klimawandel! Aber wochenlang Schnee und immer weiße Weihnacht? Schöne Geschichte, mehr aber nicht.

Faszination Wetter-Datenbank

Vorwarnung an alle, die es ganz genau wissen wollen und gefährdet sind, der Faszination von Wetter-Datenbanken mit Haut und Haaren zu verfallen: Wer sich die Zeit nimmt und sich hineinfuchst in das für alle frei zugängliche Daten-Eldorado des Deutschen Wetterdienstes, wird so schnell davon nicht loskommen. Mit etwas Geduld wird man Fragen dieser Art beantworten können: Gab’s 1979 in Waiblingen weiße Weihnachten? Und 1987? Wie war das Wetter wirklich am Hochzeitstag der Großeltern oder am Tag der Geburt des betreffenden Boomers? An wie vielen Tagen lagen im Jahr 1968 in Murrhardt mehr als zehn Zentimeter Schnee?

Eine Wetterdaten-Forschungsreise

Hanns Ulrich Kümmerle vom Referat Human Biometeorologie des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist 54 Jahre jung und räumt ein, ihm spielt das Gehirn auch diesen Streich: Damals, als wir Kinder waren, sind wir jeden Winter ...

Der Unterschied zwischen Hanns Ulrich Kümmerle und meteorologischen Laien ist der, dass Kümmerle weiß, wie man im Climate-Data-Center-Portal, kurz CDC, findet, was man sucht. Auf geht’s, die Wetterdaten-Forschungsreise beginnt – jetzt:

Man gebe im Browser die Adresse dwd.de/cdc ein und suche diesen Satz: „Der OpenData-Bereich erlaubt direkten Download der Daten und ist über folgende HTTPS-Adresse erreichbar.“ Auf „HTTPS-Adresse“ klicken.

Schneehöhe, Sonnenscheindauer, Niederschlagsmengen

Nicht verzagen, nur weil dort jetzt lauter Dateien mit komischen Namen aufgelistet sind. Das Beste kommt erst noch: Man klicke auf observations_germany/ . Auf der Seite, die dann erscheint, den Punkt „climate“ auswählen. Auf der dann folgenden Seite „daily“ wählen. Dann „more_precip/“.

Geduld! Kurz warten! Man bedenke, außer Waiblingen und Kaisersbach-Cronhütte gibt es noch andere Orte in Deutschland, und sie haben in diesen Datenbanken nicht nur die Schneehöhen und die Sonnenscheindauer und was nicht noch alles seit Jahrzehnten hinterlegt. Je Tag.

Weiter geht’s. Jetzt auf „historical/“ klicken. Was jetzt erscheint, sieht ungewohnt aus für Menschen, die es sonst nur mit irgendwelchen benutzerfreundlichen Internetseiten zu tun haben. Diese irre vielen Zip-Dateien sind alle mit tageswerte_rr benannt, bevor eine Nummer folgt. Jetzt muss man die Nummer des gesuchten Ortes kennen, sonst kommt man nicht weiter. Wie man diese Nummer findet – dazu später mehr. Für Waiblingen ist es die 05284.

Scrollen. Immer weiter scrollen, bis der Bildschirm dampft.

Stopp!

Die Zip-Datei, deren Name mit „tageswerte_rr_05284“ beginnt, ist die richtige. Draufklicken – und jetzt erscheint unten links ein Fenster, hinter welchem alle Dateien, die diesem Zip-Ordner angehören, verborgen sind.

Wetterdaten für Waiblingen: Von 1978 bis 1991 verfügbar

Doppelklick auf das Fenster. Die Datei ganz unten namens produkt_nieder_tag... auf den Desktop ziehen. Die Dateiendung txt ersetzen durch csv. Von Warnhinweisen, wonach die Datei möglicherweise unbrauchbar wird, nicht beirren lassen. Datei öffnen – und sich freuen. Aus der Tabelle lässt sich herauslesen, was man suchte – wenngleich speziell für Waiblingen auch „nur“ Daten für die Zeit zwischen 1.1.1978 und 31.12.1991 hinterlegt sind. Die spannende Spalte ist die sechste; dort ist unter SH_Tag vermerkt, wie hoch sich der Schnee am jeweiligen Tag in Waiblingen türmte – oder auch nicht. Die ersten Unfälle wegen Glätte hatten sie 1978 am 1. Februar: ein Zentimeter Schnee. Auf ihre erste Schlittenfahrt des Jahres freuten sich die Kinder 1978 am 18. Februar: zehn Zentimeter Schnee. Am 20. Februar sogar 18! Schluss mit der weißen Pracht war bereits am 25. Februar in jenem Jahr.

Scrollen! Gleich zu Jahresbeginn 1980 gab’s auch noch mal nennenswerten Schnee. Von weißer Weihnacht: keine Spur.

Ein Jahr später: Volltreffer. 1981 gab’s weiße Weihnacht in Waiblingen. Und richtig heftig viel Weiß im Januar 1982: 37 Zentimeter am 10. Januar 1982, da kann man nicht meckern.

Womöglich interessiert sich jemand mehr für Schneehöhen in Cronhütte als für jene in Waiblingen. Also begebe man sich auf die Suche nach der ID, also der Identifikationsnummer des gesuchten Ortes, ohne die man in der Datenbank nicht weiterkommt.

Messstellen gab’s nicht immer zu allen Zeiten

Noch mal zurück auf Anfang: dwd.de/cdc. Dort findet man relativ in der Mitte den Hinweis auf den „interaktiven Zugriff über das CDC-Portal“. Nun das CDC-Portal aufrufen. Ganz unten am Bildschirm das Feld „tägliche Stationswerte“ auswählen. Es erscheint ein ziemlich unübersichtliches Bild. Keine Sorge, es ist bald geschafft. Am besten zuerst auf das kleine Zahnrädchen links in der Mitte gehen, dort den Reiter „Produkte und Karten“ anklicken, dann „Hintergrundkarten“, dort „Open street map“ auswählen – und schon sieht’s besser aus. Mit der kleinen Lupe rechts kann man in die Karte hineinzoomen. Geht man dann mit dem Cursor auf den gesuchten Ort, erscheint die gesuchte Nummer. Nicht bei jedem Ort erscheint eine Nummer, denn längst nicht in jedem Ort gab oder gibt es Messstellen. Daran liegt’s auch, dass für manche Orte „nur“ für einen Zeitraum von 20 Jahren oder so Wetterdaten hinterlegt sind. Länger gab’s die Messstelle dann einfach nicht.

Weiter geht’s: Mittels des Zahnrädchens links kann man über den Punkt „Stationsprodukte“ auswählen, ob man sich eher für die Windgeschwindigkeit, Niederschlagsmengen, die Sonnenscheindauer oder eben die Schneehöhe interessiert. Das zugehörige Datumsfeld findet sich links unten, dort kann man den gesuchten Tag einstellen – um flugs zu erfahren, dass die mittlere Lufttemperatur am Heiligen Abend 1968 in Murrhardt 1,8 Grad betrug.

Wer jetzt immer noch nicht genug hat, recherchiere Wetterdaten von der Messstelle Stuttgart-Schnarrenberg, ID 4928. Die gibt’s schon ewig. Und klimatologisch betrachtet, so Wetterkenner Hanns Ulrich Kümmerle, gibt’s keinen großen Unterschied zwischen Waiblingen oder Schnarrenberg.

Viel Spaß!

Als wir Kinder waren, sind wir immer wochenlang Schlitten gefahren, und wir hatten im Rems-Murr-Kreis immer weiße Weihnachten. Das ist so eine ganz typische Boomer-Story, die vermutlich dieses Mal an Weihnachten wieder aufs Tapet kommt. Wie immer.

Gab es wirklich wochenlang Schnee und immer weiße Weihnachten?

Alle Boomer, also alle so ungefähr in den 60er Jahren Geborenen, müssen sich nicht mehr auf irgendwelche Erinnerungen verlassen, die mit der Realität sowieso kaum was zu

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