Rems-Murr-Kreis

Hohe Haftstrafen für Backnanger Dealer - aber eine Schlüsselfrage bleibt offen

Marihuana
Unter anderem um Geschäfte mit Marihuana ging es am Landgericht im Prozess gegen zwei Backnanger. © Benjamin Büttner

Im Landgerichtsprozess gegen zwei Backnanger Drogenhändler (wir berichteten) ist das Urteil gesprochen - aber was die Haftstrafen konkret bedeuten, ist noch gar nicht ausgemacht. Denn nun kommt es vor allem beim einen der beiden Verurteilten darauf an, ob seine Suchterkrankung tatsächlich so drastisch ist, wie er selber behauptet. Herausfinden werden das Experten. Danach entscheidet sich, wie es weitergeht ...

Zunächst die Eckpunkte des Urteils: Der 41-jährige Landschaftsbauer geht für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis und der 29-jährige Gastronom für vier Jahre. Beide, nach eigenen Angaben hochgradig drogenabhängig, dürfen es aber parallel dazu kraft Urteils in einer Entziehungsanstalt versuchen. Stellt sich kein Erfolg ein im Maßregelvollzug auf mindestens zwei Jahre Zwangstherapie, müssen die Gefängnisstrafen abgesessen werden.

Die offene Suchtfrage: Ist der Angeklagte so krank, wie er angibt?

Der bislang noch nicht vorbestrafte Backnanger Landschaftsbauer muss erst einmal noch neun Monate in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim verbringen, bevor er in eine Entziehungsanstalt für Suchtkranke kommt und auf möglicherweise vorzeitige Entlassung vor fünfeinhalb Jahren schon wieder auf freien Fuß kommt. Ob der Mann wirklich so hochgradig drogenabhängig ist, wie er vor Gericht angab, entscheiden nun Ärzte.

Fest steht bei diesem Verurteilten nach dem Urteil der neunten Strafkammer unter Vorsitz von Richter Rainer Gless nach Abschlag von einzelnen, nicht zweifelsfrei nachweisbaren Drogengeschäften im Tatzeitraum von über einem Jahr bis Anfang 2022: Der Mann hat in der Pandemie mindestens 127.437 Euro an illegalen Marihuana-, Amphetamin- und Kokaingeschäften verdient – und diesen Betrag an inkriminierten Geldern versucht der Staat jetzt mit Hilfe des Gerichts für die Allgemeinheit wieder einzutreiben.

Zum Glück, so Richter Rainer Gless bei der Urteilsbegründung, seien dank Durchsuchungen und Observationen der Kriminalpolizei nicht alle Drogen unters Volk gelangt. Marihuanaplantagen im Keller dieses Angeklagten ernteten Kripo-Beamte ab, nachdem Kollegen von der Verkehrspolizei den Backnanger schon eine ganze Weile vorher mit Drogen im Auto erwischt hatten.

Gewinne von 127.000 und 86.000 Euro aus illegalen Drogendeals

Bei dem 29-jährigen Backnanger Barbesitzer, in dessen Lokal Drogen aus Geschäften mit dem Landschaftsbauer übergeben wurden, war aufgrund von einschlägigen Vorstrafen eher klar, dass er drogenabhängig ist und dringend Hilfe braucht. Er kann den Maßregelvollzug in einer Entziehungsanstalt antreten, sobald ein Platz frei ist. Vorwegvollzug auf seine Haftstrafe von vier Jahren hat das Gericht keinen angeordnet.

Aus gerichtsverwertbaren Chatverläufen ging im Zuge der Beweisaufnahme hervor, dass die beiden Angeklagten Geschäftspartner waren, wobei der Landschaftsbauer mehr Gewinn machte. Dem Barbesitzer, dessen Lokal als Übergabeort für Drogen diente, konnte die Strafkammer, besetzt mit zwei Berufs- und zwei Laienrichtern, rund 86.250 Euro Gewinn aus illegalen Drogengeschäften nachweisen; auch das versucht der Staat nun wieder einzutreiben.

Erst Falschangaben, dann späte Teilgeständnisse

Teilgeständnisse beider Angeklagten nach Verständigungsgesprächen mit den Verteidigern unter Ausschluss der Öffentlichkeit kamen in diesem Fall relativ spät. Zunächst wollten sich die beiden Backnanger nicht einmal kennen – am Ende ergab die Beweisaufnahme gemeinsame Drogengeschäfte über einen langen Tatzeitraum während der Pandemie, weil es mit der jeweiligen Selbstständigkeit im eigentlichen Beruf nicht lief.

Im Falle des noch nicht vorbestraften 41-jährigen Landschaftsbauers, so Richter Gless bei der Urteilsbegründung, müsse er sich schon fragen, warum dieser sich in solche Geschäfte begeben habe. Alleine mit einer eigenen Suchtproblematik sei so etwas nicht zu erklären. Bei beiden Verurteilten strafverschärfend wirkte sich aus, dass sie Drogen im Kilobereich vertickt hatten, um schnell viel Geld machen zu können.

„Der Gesetzgeber schöpft ab, was man aus Drogengeschäften erlangt hat“, redete die Stuttgarter Justiz Klartext nicht nur darüber, dass über 200.000 Euro aus kriminellen Drogengeschäften wieder eingetrieben werden müssen. Dass die beiden viel Geld für eigenen Drogenkonsum gebraucht haben dürften, sah das Gericht wohl. Aber hat es zumindest der eine bei seinen Angaben zur eigenen Sucht übertrieben? Das ist noch die Frage. Stellen sich vor den Ärzten in der Entziehungsanstalt keine Entzugserscheinungen heraus, geht der Weg zurück nach Stammheim.

Im Landgerichtsprozess gegen zwei Backnanger Drogenhändler (wir berichteten) ist das Urteil gesprochen - aber was die Haftstrafen konkret bedeuten, ist noch gar nicht ausgemacht. Denn nun kommt es vor allem beim einen der beiden Verurteilten darauf an, ob seine Suchterkrankung tatsächlich so drastisch ist, wie er selber behauptet. Herausfinden werden das Experten. Danach entscheidet sich, wie es weitergeht ...

Zunächst die Eckpunkte des Urteils: Der 41-jährige Landschaftsbauer geht

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