Immer mehr Abgase durch Paketflut? Unnötig - zeigt Rems-Murr-Studie

Kaum ist der braune Transporter von UPS um die Ecke, dieselt ein gelber DHL-, weißer DPD- oder dunkelblauer Amazon-Sprinter die Straße runter. Ihr Auftrag: online bestellte Päckchen und Pakete auszuliefern. Laut einer Studie ordern die Bundesbürger rund 40 Pakete pro Jahr. Tendenz steigend.
Wirtschaftlicher, klimaschonender, elektrisch und gemeinsam
Müssen so viele verschiedene Transporter durch die Gegend fahren? Nein! Es ginge auch anders. Klimaschonender, wirtschaftlicher. Mit einem einzigen elektrischen Transporter, Microcar oder Lastenfahrrad für alle. Die Machbarkeitsstudie „MissiOn – Emissionsfreie Logistik für den Rems-Murr-Kreis“ zeigt auf, dass dies möglich ist - und bei den Paketdiensten auf offene Ohren stößt.
Im Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistages hat Dr. Denis Krechting, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Fahrtwerk, die Studie vorgestellt. Mit im Boot waren alle Städte und Gemeinden im Kreis, mehr als 4000 Unternehmen wurden kontaktiert, 184 Fragebögen ausgewertet, 22 Interviews geführt und sieben Workshops veranstaltet. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr hat die Studie gefördert, die federführend von der Kreiswirtschaftsförderung begleitet wurde. Um den Rems-Murr-Kreis bis 2035 klimaneutral zu machen, müsse die Logistik ins Visier genommen werden, betonte Landrat Richard Sigel.
Aus insgesamt 15 infrastrukturellen, organisatorischen und regulatorischen Maßnahmen hat die Studie vier herausgefiltert, die besonders erfolgversprechend sind.
Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur: Um elektrische Fahrzeuge auf den Weg zu schicken, braucht es eine flächendeckende Ladeinfrastruktur. Der Ausbau sollte zeitnah erfolgen und mit einer kreisweiten Bedarfsanalyse starten, die den logistischen Verkehr mitbetrachtet.
- Depots und Umschlagplätze: Voraussetzung für die Bündelung von Lieferungen sind Depots, in denen die Sendungen der Paketdienste gesammelt werden. Das spart Lieferwege und Emissionen und ermöglicht den Umstieg auf emissionsarme Lieferfahrzeuge wie Lastenräder. Der Engpass ist, dass diese Depots Platz brauchen – und der ist in den Städten knapp.
- Netzwerke: Auf den ersten Blick erstaunlich, dass der Aufbau von Netzwerken zu den vier wichtigsten Maßnahmen zählt. Doch der Austausch der Unternehmen untereinander wird als möglicher Katalysator für zukünftige Projekte und Maßnahmen eingeschätzt.
- Einfahrtsbeschränkungen: Nur emissionsfreie Lieferfahrzeuge in bestimmten Zeiten für bestimmte Gebiete zuzulassen, erweist sich als wirkungsvollste Methode - und ist zudem einfach zu realisieren. Denis Krechting schlug vor, in Abstimmung mit den Städten und Gemeinden solche Einfahrtsbeschränkungen auszuprobieren. Auf diese Weise könnten Erfahrungen gesammelt und auf den Landkreis übertragen werden. „Die Paketdienstleister sind gewappnet“, betonte Krechting. Ihnen käme es vor allem auf Planungssicherheit an, um sich darauf einstellen zu können.
Eine Reihe weiterer Ideen hat die Studie zwar untersucht, aber schließlich als nicht zielführend aussortiert. So zum Beispiel nächtliche Auslieferungen von Paketen. Zwar könnte so die Verkehrsbelastung tagsüber verringert werden, doch nächtlicher Lärm dürfte in ruhigen Wohngebieten zu einem Problem werden.
Und noch eine weitere Erkenntnis liefert die Studie. Eine Einheitslösung für den vielfältigen Rems-Murr-Kreis kann es nicht geben. Was für Städte wie Waiblingen und Schorndorf passt, ist in den ländlichen Gebieten keine Lösung.
Bundesweit einzigartig: Eine Studie wie diese gibt’s sonst noch nirgendwo
Landrat Richard Sigel hat die Logistik als „großen Hebel“ für einen klimaneutralen Landkreis bezeichnet. Die Studie sei bundesweit einzigartig. CDU-Kreisrat Hermann Beutel verspricht sich hingegen wenig von dem Logistikansatz. „Die wahren Probleme liegen auf der Autobahn“, wies er auf die schier endlosen Lkw-Kolonnen hin, die sich tagtäglich beispielsweise über die A 6 bewegen. Und dass Pakete künftig bei Wind und Wetter mit Lastenrädern ausgeliefert werden, kann sich Beutel schon gar nicht vorstellen. Er denke dabei an die bedauernswerten Menschen, die diese Jobs machen müssten.
Der Umwelt- und Verkehrsausschuss des Rems-Murr-Kreistags hat die Verwaltung beauftragt, die Idee weiterzuverfolgen und Netzwerkveranstaltungen zu einer emissionsfreien Logistik im Rems-Murr-Kreis zu organisieren.