Mutmaßlicher Betrüger aus Urbach vor Gericht: Es geht um Millionen

Die Wirtschaftsstrafkammer des Stuttgarter Landgerichts hat den Prozess gegen einen 59-jährigen, mutmaßlichen Millionenbetrüger eröffnet, der vor etwa 20 Jahren eine GmbH in Urbach hatte. Der Mann war nach Brasilien abgetaucht und wurde per internationalem Haftbefehl gesucht. Brasilien hat ihn nun an Deutschland ausgeliefert.
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft legt dem zuletzt in Schorndorf und Alfdorf wohnhaften Angeklagten zur Last, als GmbH-Geschäftsführer von November 2001 bis Oktober 2002 schweren gewerbsmäßigen Kreditbetrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung begangen zu haben. Als Beruf des deutschen Staatsangehörigen war in der Gerichtsakte Geschäftsführer angegeben. Da Geschäftsführer nun aber bekanntlich kein Beruf ist, hakte der vorsitzende Richter, Günter Necker, nach: „Gelernter Karosseriebauer mit kaufmännischen Kenntnissen“, war die Antwort der beiden Verteidiger. Als Branche der damaligen Urbacher GmbH wurde Handel mit Sanitäranlagen im In- und Ausland genannt.
Der Angeklagte war nach Brasilien abgetaucht
Der Angeklagte war nach Brasilien abgetaucht, kam dort in Auslieferungshaft und wurde erst am 10. September 2021 einem deutschen Haftrichter vorgeführt. Seitdem sitzt er in einem deutschen Untersuchungsgefängnis. Die GmbH in Urbach hatte er am 6. Februar 1997 mit seinem Vater, seinem Bruder und anderen Gesellschaftern gegründet. Da die Firma spätestens Ende 2001 nicht mehr zahlungsfähig war, stellten das Finanzamt Schorndorf und die AOK Rems-Murr Ende 2002 Insolvenzantrag. Sie hatten sich gefragt, warum keine Sozialversicherungsbeiträge kommen und keine Löhne mehr bezahlt werden.
Millionenkredite bei mehreren Banken ergaunert
Der Anklage zufolge soll der Beschuldigte Millionenkredite bei mehreren Banken ergaunert haben: der norddeutschen Landesbank, einer Bank in Leipzig, einem Bankhaus in Hamburg, einem Bankhaus in Friedrichshafen, einer Bank in Welzheim, einer in Augsburg, einer Privatbank in Österreich und einem Geldinstitut in Marburg. Letzteres, so die Anklage weiter, habe dem Urbacher Geschäftsmann den beantragten Drei-Millionen-Kredit jedoch nicht mehr ausbezahlt. Um an die Kredite zu kommen, soll der Angeklagte den Banken gefälschte Schriftstücke vorgelegt haben, wie Totalfälschungen von Einkommensteuerbescheiden, Vermögensaufstellungen oder notariell beglaubigte Bürgschaften. Dazu soll er in der Hauptsache die Unterschrift eines angeblichen, sehr reichen Geschäftspartners gefälscht, aber auch Partner vorgegeben haben, die in Wirklichkeit gar nicht existieren, wie beispielsweise ein erfundener Steuerberater.
Verständigungsgespräche vor dem Prozessauftakt
Vor dem Prozessauftakt hatten in diesem Fall nach den Informationen der Kammer bereits Verständigungsgespräche stattgefunden und der Beschuldigte bekam seitens der Staatsanwaltschaft eine Strafe von nicht mehr als sechs Jahren in Aussicht gestellt, wenn er ein Geständnis ablegt und seine Mittäter benennt. Über einen Rechtsanwalt wurde die Kammer im Vorfeld des Prozesses darüber informiert, dass der Beschuldigte von einem brasilianischen Gefängnis in ein anderes verlegt worden sei, welches klimatisch günstiger am Meer liege und wo er von seiner Lebensgefährtin mit Essen versorgt werden könne. Die Zeit der Auslieferungshaft solle Stuttgart auf die zu erwartende Strafe anrechnen. Der Angeklagte, so teilt der Rechtsanwalt mit, habe in Brasilien unter menschenunwürdigen Haftbedingungen gelitten, habe einen Selbstmordversuch unternommen und sei von seiner Partnerin verlassen worden. Es gebe auch ein gemeinsames, 17-jähriges Kind.