Rems-Murr-Kreis

Neue Preisbremse: Für Öl oder Pellets wirkt sie, für Flüssiggas (LPG) wohl nicht

Flüssiggas
Ein oberirdischer Flüssiggas-Tank. © picture alliance/dpa | Oliver Berg

Wer mit Flüssiggas (LPG) heizt, ist angesichts der steigenden Erdgaskosten klar im Vorteil, weil LPG noch deutlich preiswerter ist. Die Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent für Gas- und Wärmelieferungen gilt auch für LPG. Doch die Erweiterung der Energiepreisbremse auf Erdöl, Pellets und LPG wird wohl für die meisten LPG-Endkunden gar nichts bringen. Warum, erläutern Branchen-Experten.

Mitte Oktober 2022 war die Flüssiggas-Rechnung des Schorndorfers Alfred Tolau (Name geändert) und seiner Frau doppelt so teuer wie die vorherige des Jahres 2020. Er fragte sich, ob eigentlich nur Erdgas-Kunden vom Staat unterstützt werden. „Am 12. Oktober wurden für meine LPG-Tankbefüllung 19 % Umsatzsteuer berechnet und bezahlt, obwohl ich im November mitbekam, dass die Steuer doch rückwirkend auf sieben Prozent gesenkt wurde.“

Verbraucherzentrale bestätigt Anspruch auf Steuersenkung

Tolau und seine Frau haben auf ihrem Grundstück einen eigenen LPG-Tank „vergraben“ – mit Leitung zur Gas-Heizung im Haus, und sie werden per Tanklaster wie Erdöl-Kunden mit LPG beliefert. Der Tolau’sche ist einer von rund 650.000 Haushalten in Deutschland, die derzeit mit Flüssiggas heizen. 

Tolau recherchierte und fand heraus, was Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg dieser Zeitung nochmals bestätigte: „Klare Ansage, die Mehrwertsteuerabsenkung von 19 auf 7 % für Erdgas gilt auch bei Flüssiggas.“

Das Bundesministerium der Finanzen habe wörtlich bekanntgegeben: „„Lieferungen von Gas, das vom leistenden Unternehmer per Tanklastwagen zum Leistungsempfänger für die Wärmeerzeugung transportiert wird“, so Bauer – die Senkung gilt also auch für Verbraucher, die mit LPG heizen. Aber nicht etwa für Butan-Gaskartuschen aus dem Camping-Bedarf oder Propan-Gas-Flaschen für den Grill- oder Prepper-Bedarf und dergleichen. Ebenso nicht für Autogas.

Wegen der 19 Prozent Mehrwertsteuer auf der LPG-Rechnung vom 12. Oktober rief Tolau also Ende November beim Remshaldener Lieferanten Kraiss und Friz an, „wurde mehrfach weiter verbunden und bekam nur sonderbare Antworten wie: Wir arbeiten gerade an einer Liste ...“ Alle hätten sehr ausweichend reagiert, sagt Tolau. Weitere Telefonate folgten. Erst zwei Wochen später, „kam dann mit der Post doch eine geänderte Rechnung mit 7 Prozent Mehrwertsteuer“.

LPG-Lieferanten nehmen Stellung

„Die ursprüngliche Rechnung datiert auf den 12. Oktober und ist damals völlig richtigerweise mit 19 Prozent Mehrwertsteuer berechnet worden. So wie alle Rechnungen für Lieferungen an andere Kunden im Oktober auch“, sagt Armin Beller, Mitglied der Geschäftsleitung der Kraiss & Friz Gase und Technik GmbH & Co. KG in Remshalden. Man habe zum Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung ja noch nicht wissen können, dass ein Gesetz zur Senkung der Mehrwertsteuer bei Gaslieferungen kommt, das auch noch rückwirkend ab 1. Oktober 2022 bis Ende März 2024 gilt. Eine Zeitlang sei obendrein auch nicht bekannt gewesen, dass die Steursenkung nicht nur für Erdgas übers Netz gilt, sondern auch für Flüssiggas zur Tankbefüllung zu Heizzwecken, sagt Beller.

Tatsächlich wurde das „Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz“ erst Ende September angekündigt und erst Ende Oktober vom Bundesrat bestätigt. Das Finanzministerium wiederum hat erst am 25. Oktober die Finanzbehörden der Länder informiert, dass die Steuersenkung auch für LPG gelte.

Bis das alles in der Branche ankam, kommuniziert und umgesetzt wurde, dauerte es eben ein paar Wochen, bestätigt Olaf Eglesius, Prokurist bei der Ludwigsburger Gebrüder Lotter KG. 

Die „Rückabwicklung“ zu viel gezahlter Steuer habe einen enormen bürokratischen und zeitlichen Aufwand erfordert, sagt Armin Beller. Dem Schorndorfer Kunden Tolau habe man versucht zu erklären, dass eine sofortige Rückzahlung verwaltungstechnisch nicht möglich sei. „Im Sinne einer korrekten Buchhaltung mussten wird erst allen Betroffenen die Rechnungen mit 19 Prozent Mehrwertsteuer gutschreiben. Dann eine neue Rechnung und einen neuen Lieferschein mit 7 Prozent Mehrwertsteuer ausstellen. Mit denen bekommen alle Betroffenen ein Infoschreiben zugeschickt samt Aufforderung, zu melden, ob sie die Steuerdifferenz als Gutschrift ausgezahlt bekommen wollen oder wir sie mit der nächsten Lieferung verrechnen sollen.“

Erst Ende November habe man die letzten Gutschriften fertiggestellt, so Beller. „Und Stand heute (14.12.) haben wir immer noch nicht alle Rückmeldungen. Das wird aber alles beglichen werden, jeweils wie die Kunden von Kraiss und Friz sich das wünschen.“

Rückwirkende Preisbremse für Flüssiggas, Erdöl und Pellets?

Die Bundesregierung hat am Dienstag (13.12) bekanntgegeben, dass private Haushalte, die mit „nichtleitungsbezogenen Brennstoffen“ wie Erdöl, Flüssigas und Pellets, heizen, auch entlastet werden sollen, im Zuge einer Härtefallregelung: laut Informationen der ARD rückwirkend zum 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022.

Nach Vorstellung der Ampelkoalition in Berlin sollen die jeweiligen Bundesländer für die Abwicklung zuständig sein. Der Bund stelle dafür 1,8 Milliarden Euro aus dem so genannten Wirtschaftsstabilisierungsfonds zur Verfügung. Der staatliche Zuschuss soll von jedem Haushalt beantragt werden können, indem die Brennstoff-Rechnung aus dem Jahr 2022 vorgelegt wird und mit der des Vorjahres verglichen wird. Wo die Anträge und Rechnungskopien eingereicht und geprüft werden sollen und welche Stelle die staatlichen Hilfsgelder dann auszahlt, "müssen die einzelnen Länder nun klären", so die ARD. 

Doch aufgepasst, nach bisherigen Informationen greift die rückwirkende Preisbremse für Erdöl, Pellets und Flüssiggas zum Heizen nur dann, wenn die Rechnung von 2022 mindestens doppelt so hoch ausfällt wie die von 2021. "Dann übernimmt der Staat 80 Prozent des Betrags, der über den doppelten Kosten liegt, sofern dieser bei mindestens 100 Euro liegt. Maximal werden 2000 Euro ausgezahlt", berichtet das Handelsblatt

Warum viele LPG-Kunden wohl von der Preisbremse nichts haben

Die Betonung liegt bislang auf dem Vergleich "zum Vorjahr". Wer also, wie die Schorndorfer Familie Tolau, einen Flüssiggas-Tank mit einem Fassungsvermögen von über 4000 Litern hat, was im Schnitt für zwei Jahre Heizen langt und wessen vorherige Rechnung wie die der Tolaus aus dem Jahr 2020 stammt, bleibt womöglich außen vor bei der Preisbremse. 

Armin Beller von der Firma Kraiss und Friz befürchtet auch noch aus anderen Gründen, dass "leider wohl die wenigsten Menschen, die mit LPG heizen, von der Preisbremse profitieren werden: In den meisten Fällen wird der Preis der einmaligen Tankbefüllung im Jahr 2022 nicht mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr betragen. Die Preisbremse soll ja erst bei mehr als dem Doppelten greifen, und dann auch nur 80 Prozent dieser Mehrkosten bis maximal 2000 Euro deckeln."

Der LPG-Preis sei zwar bereits 2020 ziemlich gestiegen, sagt Beller. Die Aussage des Schorndorfer LPG-Kunden Tolau, der von einer Preisverdopplung auf der Rechnung im Oktober 2022 im Vergleich zu jener von 2020 sprach, sei trotzdem realistisch. "Von Januar bis Juni 2021 war’s dann wieder günstiger, im Herbst 2021 stieg der Flüssiggaspreis jedoch erneut stark an. Im Dezember 2021 lagen wir bei 59 Cent pro Liter netto", sagt Beller. 

Stand heute (Mitte Dezember 2022) liege der Liter-Preis bei 58 Cent netto. "Viele Kunden haben kurz nach Ausbruch des Ukrainekriegs Ende Februar, schnell nachgekauft." Beim "Extrempreis" von 94 Cent/Liter netto im April 2022 habe freilich kaum jemand gekauft.

"Ob die Preisbremse Wirkung entfaltet, wird also davon abhängen, in welchem Monat und mit welchem Preis man 2021 und 2022 Flüssiggas gekauft hat. Ich befürchte aber, die allerwenigsten haben mehr als das Doppelte zahlen müssen", sagt Beller. 

Preissteigerungen bei LPG, Erdgas, Pellets und Erdöl im Vergleich

Leute, die mit Pellets oder Öl heizen, können sich einer Wirkung der „neuen“ Preisbremse jedoch ziemlich sicher sein, sollte sie kommen:

  • 167,30 Cent/Liter kostete Heizöl im bundesweiten Durchschnitt Anfang Oktober 2022 bei einer Abnahmemenge von 3000 Litern. Bei 54,77 Cent/Liter lag der Heizöl-Preis Anfang 2021 und bei 37,76 Cent/Liter im November 2020 (Quelle: effizienzhaus-online.de).
  • Sehr große Preissteigerungen gab es auch bei Pellets. Laut dem Grünen-Landtagsabgeordneten Ralf Nentwich ist der Preis für eine Tonne in einem Fünf-Tonnen-Bündel von 366 Euro im Januar auf fast 800 Euro im Oktober gestiegen, hat sich also mehr als verdoppelt. Nentwich vermutete laut einer Pressemitteilung von Mitte November Preisabsprachen und forderte eine kartellrechtliche Untersuchung (wir berichteten). Im Januar 2021 kostete die Tonne Pellets im bundesweiten Durchschnitt noch 205 Euro.

Wer mit Flüssiggas (LPG) heizt, ist angesichts der steigenden Erdgaskosten klar im Vorteil, weil LPG noch deutlich preiswerter ist. Die Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent für Gas- und Wärmelieferungen gilt auch für LPG. Doch die Erweiterung der Energiepreisbremse auf Erdöl, Pellets und LPG wird wohl für die meisten LPG-Endkunden gar nichts bringen. Warum, erläutern Branchen-Experten.

Mitte Oktober 2022 war die Flüssiggas-Rechnung des Schorndorfers Alfred Tolau (Name

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