Oberbürgermeister will Diesel-Fahrverbote verhindern
Backnang. Im Februar ist der Backnanger Oberbürgermeister Frank Nopper mit 87,1 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. Doch es gab 2018 auch unerfreuliche Momente für den OB, etwa das bundesweite Interesse an der schlechten Luft in der Murr-Metropole. Der 57-Jährige spricht im Interview über die Herausforderungen, die das neue Jahr bringt.
Am Ende eines Jahres blickt man gerne zurück. Welcher Moment im Jahr 2018 wird Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?
Viele Momente sind mir in bester Erinnerung: So etwa die Nachricht vom Landeszuschuss für die Karl-Euerle-Halle, die Feierlichkeiten zum 650. Jubiläum in Steinbach, der Sieg der TSG-Judo-Frauen bei den Deutschen Meisterschaften in Backnang, das Konzert mit Vanessa Mai auf dem Stiftshof und auch die mit gewissen Verzögerungen dann doch erfolgte Freigabe des B-14-Abschnitts durch das Regierungspräsidium.
Was Sie jetzt interessanterweise nicht aufgezählt haben, ist die OB-Wahl. Sie sind im Februar für acht weitere Jahre gewählt worden. Können Sie jetzt freier agieren?
Man sollte als OB immer so handeln, als ob am nächsten Tag Wahl wäre. Im Übrigen könnte ich nach dem neuen Dienstrecht ja theoretisch noch eine volle vierte Amtszeit machen. Wer weiß, was noch alles kommt.
Backnang hat es in letzter Zeit häufiger in die Tagesschau geschafft, nämlich immer dann, wenn eine Liste der Städte mit der höchsten Stickoxidbelastung gezeigt wurde. Das dürfte nicht die Art von Publicity sein, die Sie sich als OB wünschen.
Stimmt.
Sie haben zuletzt Kritik am Standort der Messstelle in der Eugen-Adolff-Straße geübt. Aber das Land setzt hier doch nur EU-Recht um. Dazu ist es verpflichtet.
Gerade weil es EU-Recht ist, müssen wir es auch EU-einheitlich umsetzen. Ich bin der Meinung, dass wir Deutschen nicht immer überakkurat sein müssen bei der Umsetzung von EU-Recht. Es gibt ja in keinem anderen europäischen Land ein Dieselfahrverbot. Der Standort an der Eugen-Adolff-Straße ist von einer Landesbehörde ohne jedwede Abstimmung mit der Stadtverwaltung festgelegt worden. Und ich halte es für fragwürdig, eine Messstelle an einem Standort aufzustellen, wo wirklich alle negativen Faktoren zusammenkommen: In einer Häuserschlucht, direkt gegenüber von einer Felswand, wo die Luft überhaupt nicht abziehen kann. Und dann so zu tun, als ob diese Messung repräsentativ für das gesamte Stadtgebiet oder wenigstens für die Innenstadt wäre. Tatsächlich ist die Luft in Backnang viel besser, als es durch diese Messung scheint.
Trotzdem drohen Fahrverbote, wenn der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter bis Ende 2019 nicht eingehalten wird. Wie wollen Sie das schaffen?
Die Werte sinken ja schon. Wir hatten 56 Mikrogramm im Jahr 2016, 53 im Jahr 2017, und 2018 werden es, so wie es jetzt aussieht, 50 Mikrogramm sein. Dies dürfte schon allein durch den Austausch von Altfahrzeugen durch schadstoffärmere Neufahrzeuge geschehen sein. Und wir ergreifen verschiedene Maßnahmen: Ab Januar werden in diesem Abschnitt ausschließlich Euro-6-Diesel-Linienbusse verkehren. Wir wollen für weite Teile der Innenstadt eine digitale Verkehrslenkung einführen. Im betroffenen Streckenabschnitt kommt möglicherweise eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40 Kilometer pro Stunde und vielleicht auch ein Lkw-Durchfahrtsverbot. Ich halte Pkw-Fahrverbote vor diesem Hintergrund für unverhältnismäßig. Und wir werden alles daransetzen, dies den Backnangern und auch denjenigen, die aus dem Umland zu uns kommen, zu ersparen.
Auch ein neues Radinfrastrukturkonzept wurde in diesem Jahr vorgelegt. Um alle vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen, müsste die Stadt neun Millionen Euro investieren. Das erscheint unrealistisch. Können Sie den Radfahrern trotzdem spürbare Verbesserungen in Aussicht stellen?
Wir planen nächstes Jahr ein Sofortprogramm, das rund 60 000 Euro kosten wird. Wir wollen vor allem an die Themen ran, bei denen wir eine enorme Nachfrage und auch einen Nachholbedarf feststellen – insbesondere bei Fahrradboxen, bei Fahrradstellplätzen und bei der Beschilderung von Radwegen. Wir werden in den nächsten Jahren auch in anderen Bereichen aufholen – vor allem auch bei der Durchgängigkeit von Radwegen.
Der vierspurige B-14-Abschnitt zwischen Nellmersbach und Waldrems ist im November in Betrieb gegangen, allerdings hat der Bau nicht eineinhalb, sondern zweieinhalb Jahre gedauert. Glauben Sie angesichts solcher Verzögerungen bei einem eigentlich unkomplizierten Abschnitt immer noch daran, dass der Verkehr Mitte der 20er-Jahre vierspurig bis zur Krähenbachkreuzung fließt?
Optimismus und Zuversicht sind gute Berater für jeden Kommunalpolitiker, gerade auch für einen Oberbürgermeister. Deswegen glaube ich nach wie vor an das große Ziel 2026, auch wenn mir bewusst ist, dass dies ein ambitioniertes Ziel ist.
Die Bewohner von Heiningen und Waldrems sehen den Ausbau mit größter Sorge. Sie befürchten, dass künftig noch mehr Verkehr vor ihren Haustüren vorbeirollt. Wie wollen Sie das verhindern?
Das kann man vor allem über eine gute und kreuzungsfreie Anbindung des Weissacher Tals an die B 14 über die Heinrich-Hertz-Straße verhindern. Wir versuchen alles und wirken auf das Regierungspräsidium ein mit dem Ziel, dass eine solche Anbindung gelingt und die südlichen Stadtteile vom Durchgangsverkehr entlastet werden.
Würden Sie dafür auch eine Verzögerung des Ausbaus in Kauf nehmen?
Qualität geht immer vor Geschwindigkeit.
Das Kaelble-Projekt
Im vergangenen Jahr kam es zu einem offenen Streit zwischen Nopper und Hermann und Markus Püttmer und anderen Vertretern der Riva um das Bauprojekt auf dem Kaelble-Areal.
Nopper fordert: „Jetzt muss Riva erst mal die Vorarbeiten machen, die da sind: Altlastenuntersuchung und Hochwasserschutz.“
Zu Püttmers Plänen gehört auch der Bau eines Hochhauses. Mittlerweile denken viele Kommunen in der Region über höhere Gebäude nach: So könnte man neue Wohnungen schaffen, ohne zusätzliche Flächen zu versiegeln.
Nopper sagt dazu: Höheres Bauen ist grundsätzlich natürlich eine Überlegung wert in einer Zeit, in der Wohnraum fehlt. Aber ein Hochhaus muss auch ins Umfeld und ins gesamtstädtische Gefüge passen. Und wir müssen uns auch fragen, wer dort wohnen soll: Das Hochhaus, das Hermann Püttmer plant, ist extrem hochpreisig. Vergleichbare Wohnungen, die er in Frankfurt plant, kosten bis zu 7,5 Millionen Euro. Dieses Hochhaus wäre – entgegen den Aussagen einzelner Stadträte – deshalb sicher kein Beitrag für bezahlbaren Wohnraum, sondern eher ein Beitrag für unbezahlbaren Wohnraum.