Prozess um Backnanger Drogen-Dealer: Dschungel aus Marihuana-Pflanzen im Keller

Im Prozess gegen die zwei mutmaßlichen Backnanger Drogenhändler (wir berichteten) hat die neunte Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts den beiden bislang schweigenden Beschuldigten Geständnisse gegen eine Teileinstellung anheimgestellt. Revisionsgründe auf Auseinandernahme von 73 Anklagepunkten durch die Verteidigung wolle das Gericht keine liefern.
„Es nützt keinem, wenn der Bundesgerichtshof bei einzelnen Anklagepunkten meint, das sei anders zu sehen, und eine weitere Strafkammer noch einmal über den Fall herziehen muss“, stellte der vorsitzende Richter Rainer Gless nach der Vernehmung dreier Polizeibeamter aus Winnenden und Backnang fest, die sich zu einzelnen Worten aus Chatverläufen und einer Telefonüberwachung zu äußern hatten.
Für die Rauschgiftfahnder war ziemlich klar, was dabei aus ihrer Sicht gemeint war: „Grün“ für Marihuana, „Cola“, „Kaffee“ oder „weiß“ für Kokain, „Schlampe“ oder „Biene“ für Amphetamin, „Block“ oder „Stein“ für ein Kilo Kokain, „Schoko“ für Haschisch und „Haze“ für eine bestimmte Marihuanasorte. „Bitte vom Guten/Besseren“ übersetzte einer der Polizeibeamten in „Kokain mit Champagnerqualität“.
Einschlägige Worte aus der Drogenszene
Die Verteidiger der beiden Angeklagten jedoch meinten, vermeintlich einschlägige Worte aus der Drogenszene könnten auch anders interpretiert werden. „Wir möchten nicht über Auslegungen diskutieren und uns schon gar nicht im Reich der Spekulationen bewegen“, gab Richter Gless hinsichtlich des nächsten Verhandlungstages am Freitag, 3. März, bekannt. Anklagepunkte mit fraglichen Begriffen, unklaren Drogenmengen sowie unklaren Drogenarten könnten mit Zustimmung der Staatsanwältin Christine Würthwein eingestellt werden und einige davon wirkten sich sowieso nicht groß auf das zu erwartende Strafmaß aus, fasste die Kammer einen Hinweisbeschluss.
Dass sich die beiden Angeklagten vor den mutmaßlichen Drogengeschäften, mit denen sie im Tatzeitraum von März 2020 bis Ende Juni vergangenen Jahres insgesamt rund 300.000 Euro verdient haben sollen, nicht kennen, glaubte ein Polizeibeamter aus Winnenden kaum. Er hatte bei einer Verkehrskontrolle in Backnang-Waldrems bei dem 40-jährigen Angeklagten schon Marihuana durch die noch geschlossene Fahrertüre eines Mietwagens gerochen. Am meisten hätte diesen Angeklagten beschäftigt, dass nun auch noch seine Frau alles mitbekomme. Der Zeuge berichtete auch von weißen Ablagerungen auf der Fußmatte des Wagens und zusammengerollten Geldscheinen zum Kokainkonsum.
Ein weiterer Zeuge von der Waiblinger Kripo berichtete über die Durchsuchung des Hauses bei dem 40-jährigen Angeklagten, er habe den „Dschungel“ von Marihuanaplantagen im Keller des Wohnhauses gelichtet. Was den Polizeibeamten besonders sauer aufstieß, war, dass der etwa zwölfjährige Sohn mit einer Kiste aus seinem Kinderzimmer gekommen sei, in der Marihuana zum Trocknen ausgelegt war. Vor dem Haftrichter habe sich der 40-Jährige auf einen Hintermann in Holland berufen, bei dem er für Drogenlieferungen Schulden hätte.
Eine Telekommunikationsüberwachung, so ein Rauschgiftfahnder aus Backnang, habe zunächst keine Drogeneinfuhr aus den Niederlanden mehr ergeben, wobei der holländische Hintermann aber bis zu zehnmal am Tag versucht habe, den 40-jährigen Angeklagten zu kontaktieren. Amphetamin und Marihuana hätten dann andere Personen besorgt, um diese in der Gaststätte des 28-jährigen Angeschuldigten abzuliefern. Der finale Zugriff der Polizei sei dann bei einem Drogengeschäft auf dem Backnanger Straßenfest erfolgt.