Stefan Zeidler von der Volksbank über die Zinswende und weniger Bankschalter

„Die Bank wird in zehn Jahren anders aussehen als heute“, sagt Stefan Zeidler, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Stuttgart. Das betreffe viele Bereiche, zunächst einmal die Art und Weise, wie man mit den Kunden spreche. Auch wenn nicht alles online im Selbstabschluss gehen werde: Mehr und mehr Kunden setzen auf digitale Dienstleistungen, die rund um die Uhr getätigt werden können, Beratungen finden längst nicht mehr nur persönlich, sondern auch per E-Mail und Videokonferenz statt. Online gibt es für Kunden auch die Möglichkeit, jederzeit den Status ihres Projekts (beispielsweise bei einer Kreditvergabe) abzurufen.
Alltägliche Bankgeschäfte online zu erledigen, wird sowieso immer selbstverständlicher: 15 Prozent weniger beleghafte Überweisungen zählte die Volksbank im vergangenen Jahr. Das wirkt sich auf die Filialen aus: Zum 1. März werden fünf Filialen "grundlegend verändert", darunter drei im Rems-Murr-Kreis: Die Filialen, Großheppach, Bittenfeld und Weiler zum Stein werden zu reinen Selbstbedienungsfilialen. Zum Jahreswechsel war bereits dieFiliale Schelmenholz in eine Selbstbedienungsfiliale umgewandelt worden.
Dieser sogenannte Rückbau von Filialen bringe die Volksbank immer in ein Dilemma, sagt Zeidler. Einerseits wolle die Volksbank verlässlich und berechenbar sein, ihre Identität bewahren. Andererseits nehme die Frequenz in den Filialen ab und eine Filiale, die Verlust macht, belaste die Gemeinschaft, als die sich die Volksbank versteht. Ein Ausweg: gemeinsam mit der Kreissparkasse Waiblingen gemeinsam betriebene Selbstbedienungsstandorte. Die Geldinstitute kooperieren bereits an fünf Standorten im Rems-Murr-Kreis. Weitere gemeinsame Standorte sollen folgen, außerdem sollen künftig an diesen Geräten nicht nur Bargeldabhebungen möglich sein, sondern auch beispielsweise Kontoauszüge erstellt und Überweisungen getätigt werden können.
Öffnungszeiten werden reduziert
In vielen bestehenden Filialen wurden außerdem die Öffnungszeiten verändert: An den Tagen oder in den Stunden, an denen am wenigsten Publikumsverkehr gemessen wurde, bleiben Schalter zu, Beratungstermine sind aber möglich. Denn auch die Volksbank ist ein Unternehmen, das wie alle anderen Gewinn machen und auf aktuelle Ereignisse reagieren muss. So sind im vergangenen Jahr die Personalkosten um knapp drei Prozent gestiegen, Sachkosten für Papier, Energie und Co. sogar um 6,5 Prozent.
Unterm Strich steht, obwohl 2022 zunächst noch von der Pandemie und dann vom Ukraine-Krieg und seinen Folgen bestimmt war, dennoch ein gutes Ergebnis für die Volksbank Stuttgart: Die Bilanzsumme ist um 3,9 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro gewachsen. Verantwortlich für das Plus sind Kundenausleihen, die die Kreditsumme um mehr als zehn Prozent auf mehr als 5,2 Milliarden Euro erhöht haben. Privatkunden haben vor allem Immobilienkäufe finanziert, aber auch Unternehmen aus der Region haben investiert. Auch die Kundeneinlagen sind gewachsen, um 3,9 Prozent auf 7,2 Milliarden Euro.
Vor Steuern steht damit ein Ergebnis von 40,7 Millionen Euro, was knapp sechs Millionen Euro unter dem Vorjahresergebnis liegt. „Diese Entwicklung ist ein rein buchhalterischer Effekt“, sagt Zeidler. Grund dafür sind die rasant gestiegenen Zinsen. Gab es noch im Juli 2022 negative Zinsen, liegen diese aktuell um drei Prozent höher als Ende 2021. Durch diesen Zinsanstieg sind die Wertpapierkurse gesunken. Allerdings handle es sich um sehr sichere Wertpapiere, das Geld sei nicht verloren, man werde es wiedersehen. Das könne allerdings drei bis vier Jahre dauern, schätzt Zeidler.
Die Zinswende werde sich in den kommenden Jahren positiv auswirken, so der Vorstandsvorsitzende. Für die Bank, weil sich Sparen wieder lohne. Aber auch für die Kundinnen und Kunden. „Negativzinsen waren vor allem für die gut, die schon etwas hatten. Für die, die etwas aufbauen wollten, war es schwierig.“ Geld könne jetzt wieder im Zinsbereich angelegt werden, Kunden könnten sich überlegen, ob sie in Immobilien, Gold, Fonds oder festverzinsliche Wertpapiere investierten. Auch in Vergessenheit geratene Anlage- und Sparmöglichkeiten wie Bausparverträge und Festgeld erlebten eine Renaissance.
Was junge Leute brauchen
Beratung werde deshalb immer wichtiger, auch bei jungen Menschen, die digital aufgewachsen sind. Die Volksbank hat dafür seit April 2022 neun Finanzscouts, junge Beraterinnen und Berater, die speziell Jugendliche und junge Erwachsene beraten. Rund 3600 Beratungsgespräche seien seither geführt und 850 neue, junge Mitglieder für die Volksbank Stuttgart gewonnen worden. Außerdem haben mehr als 100 Gründer zwischen April und Dezember ihr Unternehmenskonto bei der sogenannten Gründerbank eröffnet. Die Berater der Gründerbank richten sich gezielt an Existenzgründer und Unternehmensnachfolger, analysieren mit diesen Businesspläne und vereinbaren Finanzierungen.